Wittgenstein. Nur wenn das Land NRW Verantwortung übernimmt, sei das Wisent-Projekt zu retten. Naturschutzminister Oliver Krischer habe aber enttäuscht.

Für Deutschlands einzige freilebende Wisent-Herde in Wittgenstein und den Hochsauerland und das europaweit beachtete Artenschutzprojekt sieht es nach Einschätzung der Umweltorganisation WWF nicht gut aus. „Es wäre wichtig, dass es eine Perspektive für diese Tiere in Freiheit gibt, aber ich habe da keine große Hoffnung“, sagte WWF-Wildtierexperte Moritz Klose der Deutschen Presse-Agentur. Die einzige Lösung sei, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Verantwortung übernehme und das Artenschutzprojekt mit veränderter Struktur und mehreren kompetenten Beteiligten neu aufstelle. Bisherige Gespräche von Umweltverbänden mit NRW-Naturschutzminister Oliver Krischer (Grüne) seien allerdings sehr enttäuschend gewesen.

Das Projekt hänge zehn Jahre nach seinem gefeierten Start an einem seidenen Faden. Ein Runder Tisch ringe nach langem Streit derzeit um eine Lösung. Es sei Vertraulichkeit vereinbart, hatten NRW-Naturschutzministerium und der Kreis Siegen-Wittgenstein jüngst betont.

Eine zunächst achtköpfige Herde war im Wittgensteiner Land im Rothaargebirge freigesetzt worden, auf Grundlage eines Vertrags zwischen dem Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein, dem Kreis Siegen-Wittgenstein und der Bezirksregierung Arnsberg. Die Herde wanderte, verursachte große Schäden an Bäumen. Streitigkeiten wurden teilweise auch vor Gericht ausgefochten. Im Herbst 2022 erklärte der Trägerverein die Tiere für „herrenlos“ - und sich selbst für nicht mehr zuständig. Kreis und Land NRW reagierten verärgert. Der Kreis verkündete die Abwicklung des Projekts.

Deutschland steht in der Verantwortung

„Deutschland hat eine Verantwortung für diese Art, die europaweit streng geschützt ist“, unterstrich der WWF-Programmleiter Wildtiere in Deutschland und Europa. „Sollte das Projekt scheitern, könnte das auch eine fatale Signalwirkung haben“, warnte Klose mit Blick auf andere europäische Länder. Projekte zu Freilassung und Wiederansiedlung - teils mit WWF-Beteiligung - gebe es auch etwa in Polen, Weißrussland, Rumänien, Litauen oder Georgien. Derzeit geht der WWF von einem Bestand von rund 7200 freilebenden Wisenten in Europa aus.

Auch der Waldbauernverband NRW hatte kürzlich die große Bedeutung des Projekts und die Verantwortung aller Beteiligten hervorgehoben. Die Entwicklung werde international beobachtet, mahnte Vorstandsmitglied Theo Josef Nagel.

Wisente-Artenschutzprojekt vor dem Aus- Wie geht es weiter?

Wisente stehen in der Wildnis im Sauerland auf einer Wiese.
Wisente stehen in der Wildnis im Sauerland auf einer Wiese. © Oliver Berg/dpa
Die Wisente-Herde richtet auch Schäden an Bäumen an.
Die Wisente-Herde richtet auch Schäden an Bäumen an. © Oliver Berg/dpa
Vor zehn Jahren war eine achtköpfige Wisent-Herde im Wittgensteiner Land im Rothaargebirge freigesetzt worden. Inzwischen ist die Herde deutlich angewachsen und hat sich geteilt.
Vor zehn Jahren war eine achtköpfige Wisent-Herde im Wittgensteiner Land im Rothaargebirge freigesetzt worden. Inzwischen ist die Herde deutlich angewachsen und hat sich geteilt. © Oliver Berg/dpa
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„Die Wisente standen kurz vor dem Aussterben. Ihre Rückkehr ist eine Erfolgsgeschichte“, schilderte Moritz Klose. Für ein Fortbestehen der Wisente - auch Europäischer Bison genannt - seien sowohl Tiere in Gefangenschaft als auch in Freiheit wichtig. Die Art habe sich zwar gut erholt, weniger als 10 000 in Freiheit lebende Tieren seien aber „noch nicht ausreichend viele“. Bei dem Projekt habe es mehrere Versäumnisse gegeben. So sei anfangs nicht bedacht worden, dass die Herde auch auf privates Areal von Waldbauern gelangen und dort Schäden anrichten könne. „Es fehlte auch an Professionalität im Management des Artenschutzprojekts.“

Sollte das Land sich weigern, die Verantwortung für das Projekt zu übernehmen, kommen nach WWF-Angaben nur zwei weitere Optionen in Betracht: „Die Tiere werden entnommen, das Land lässt sie also einfangen und versucht sie in anderen europäischen Ländern in dortigen Projekten unterzubringen, die aber wohl kaum „Juhu“ schreien werden“, meinte Klose. Oder aber - das sei unwahrscheinlich - die Wisente würden erschossen. Nach Angaben des Waldbauernverbands von Ende Juni handelt es sich um rund 40 Tiere, die sich inzwischen in zwei Herden bewegen. Der WWF geht von 30 bis 35 Tieren aus.