Siegen. Ein WWF-Experte sieht für Deutschlands einzige freilebende Wisent-Herde wenig Chancen. Nur wenn Nordrhein-Westfalen die Verantwortung übernehme, sei das Projekt zu retten.

Für Deutschlands einzige freilebende Wisent-Herde und das europaweit beachtete Artenschutzprojekt sieht es nach Einschätzung der Umweltorganisation WWF nicht gut aus. „Es wäre wichtig, dass es eine Perspektive für diese Tiere in Freiheit gibt, aber ich habe da keine große Hoffnung“, sagte WWF-Wildtierexperte Moritz Klose der Deutschen Presse-Agentur. Die einzige Lösung sei, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Verantwortung übernehme und das Artenschutzprojekt mit veränderter Struktur und mehreren kompetenten Beteiligten neu aufstelle.

Das Projekt hängt zehn Jahre nach seinem gefeierten Start an einem seidenen Faden. Eine zunächst achtköpfige Herde war im Wittgensteiner Land im Rothaargebirge freigesetzt worden, auf Grundlage eines Vertrags zwischen dem Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein, dem Kreis Siegen-Wittgenstein und der Bezirksregierung Arnsberg. Die Herde wanderte, verursachte große Schäden an Bäumen. Streitigkeiten wurden teilweise auch vor Gericht ausgefochten. Im Herbst 2022 erklärte der Trägerverein die Tiere für „herrenlos“ - und sich selbst für nicht mehr zuständig. Kreis und Land NRW reagierten verärgert. Der Kreis verkündete die Abwicklung des Projekts.

Freilebende Tiere

„Deutschland hat eine Verantwortung für diese Art, die europaweit streng geschützt ist“, unterstrich Klose, WWF-Programmleiter Wildtiere in Deutschland und Europa. „Sollte das Projekt scheitern, könnte das auch eine fatale Signalwirkung haben“, warnte Klose mit Blick auf andere europäische Länder. Derzeit geht der WWF von einem Bestand von rund 7200 freilebenden Wisenten in Europa aus.

„Die Wisente standen kurz vor dem Aussterben. Ihre Rückkehr ist eine Erfolgsgeschichte“, schilderte Klose. Für ein Fortbestehen der Wisente - auch Europäischer Bison genannt - seien sowohl Tiere in Gefangenschaft als auch in Freiheit wichtig.

Sollte das Land sich weigern, die Verantwortung für das Projekt zu übernehmen, kommen nach WWF-Angaben nur zwei weitere Optionen in Betracht: „Die Tiere werden entnommen, das Land lässt sie also einfangen und versucht sie in anderen europäischen Ländern in dortigen Projekten unterzubringen, die aber wohl kaum "Juhu" schreien werden“, meinte Klose. Oder aber - das sei unwahrscheinlich - die Wisente würden erschossen.

Nach Angaben des Waldbauernverbands NRW von Ende Juni handelt es sich um rund 40 Tiere, die sich inzwischen in zwei Herden im Siegerland und im Hochsauerlandkreis aufhielten. Der WWF geht von 30 bis 35 Tieren aus.