Wittgenstein. Tierärztinnen im Altkreis verraten Tipps, was Halter notfalls selbst bei ihrem Tier tun können – und wann ein Praxis-Besuch unvermeidbar ist.
Notfälle wünscht sich niemand, vor allem nicht bei geliebten Personen oder gar Haustieren. Umso wichtiger ist es jedoch, auf solche schwierigen Situationen vorbereitet zu sein. Aber wie genau sollte ich mich in einem Notfall verhalten? Und wie leiste ich Erste Hilfe bei einem Hund? Unsere Redaktion hat bei drei Wittgensteiner Tierärztinnen nachgefragt.
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Dr. Ulrike Jochims von der Tierarztpraxis in Arfeld hat schon mehrfach Erste-Hilfe-Kurse für Tierhalter angeboten. „Die Vorsorge ist wichtig“, sagt die Tierärztin. „Gibt es im Urlaub einen Tierarzt vor Ort? Wenn etwas im Urlaub passiert, geht viel Zeit verloren, wenn der Besitzer erst nach einem Tierarzt suchen muss“, so die Arfelderin. „Mein Wunsch ist, dass Tierhalter sich mehr Gedanken um solche Situationen machen. Wer mit dem Hund übt, kann viel selber zuhause machen.“ Und das fängt ganz einfach und bereits im Kleinen an. Etwa „mit Medical Training – also dem Training, dass der Hund sich überall anfassen lässt“, sagt Dr. Jochims. An empfindliche Körperteilen wie Augen, Ohren, Zähnen oder Pfoten lassen sich manche Vierbeiner nicht gerne berühren. Das ist aber wichtig, falls sich der Hund verletzt. „Oder wenn eine Zecke am Augenlid sitzt, die entfernt werden muss“, sagt Jochims. Denn solche Situationen sind keine Notfälle und müssen eigentlich nicht vom Tierarzt behandelt werden.
Leicht Verdauliches anfüttern
Beim Begriff Erste Hilfe denken viele direkt an Reanimation. „Das passiert aber nur sehr selten“, erklärt Jochims. Die meisten Notfälle beim Hund sind anderer Natur. Ganz entscheidend ist die Frage: Wann muss ich mit dem Vierbeiner zum Tierarzt und wann kann ich ihn erstmal zuhause versorgen.
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Einer der häufigsten Notfälle in den Wittgensteiner Tierarztpraxen sind Schnitt- oder Bisswunden und andere Verletzungen. „Es ist es sinnvoll, Desinfektionsmittel, Verbandsmaterial oder Jodsalbe zuhause zu haben“, sagt Tierärztin Julia Henk-Schulte von der Tierarztpraxis in Weidenhausen. Damit können oberflächliche Verletzungen gut versorgt werden. „Wenn die Wunde tiefer geht, länger blutet oder das Tier Schmerzempfinden zeigt, ist ein Tierarztbesuch ratsam“, sagt die Tierärztin weiter. Die Wunden sollten auf jeden Fall abgedeckt werden – entweder mit einem Verband oder auch einfach nur einem T-Shirt.
Sorge vor Vergiftung oft unbegründet
Erbrechen und Durchfall ist ein weiterer Notfall, den die Tierärzte oft auf dem Untersuchungstisch sehen. Viele Haustierbesitzer befürchten eine Vergiftung – das kann sein, muss es aber nicht. Faustregel für den Besuch beim Tierarztes: „So lange es den Tieren gut geht und es am nächsten Tag besser ist, muss man nicht zum Tierarzt. Wenn aber Durchfall und Erbrechen länger anhalten oder es den Hunden schlecht geht, sollte man zum Tierarzt“, sagt Julia Henk-Schulte. „Am besten leicht Verdauliches anfüttern“, rät Dr. Jochims. Das ist zum Beispiel gekochtes Hähnchenfleisch und gekochter Reis oder Kartoffeln. Dies kann dem Hund in mehreren kleinen Portionen angeboten werden.
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Magendrehung: „Alptraum jeden Hundehalters“
Bei der Magendrehung spielt die Hunderasse eine wichtige Rolle. „Große Hunde, die schmal und tiefbrüstig gebaut sind, sind häufiger betroffen. Kleinere Hunderassen und Welpen eher nicht“, erklärt Dr. Ulrike Jochims.
Eindeutiges Erkennungszeichen einer Magendrehung ist ein aufgeblähter Bauch. Tipp der Expertin: „Beim Hund an den Rippen fühlen. Kommt danach eine Taille, ist alles in Ordnung. Bläht sich der Bauch, ist es schwierig.“
Verweigert der Hund selbst Leckerli oder versucht sich erfolglos zu erbrechen, sollten die Besitzer schnellstmöglich zum Tierarzt. Eine Magendrehung kann innerhalb weniger Stunden tödlich für die Vierbeiner enden.
„Im Sommer gibt es viele Notfälle durch Hitzeschock“, sagt Tierärztin Dr. Kerstin Wagner-Klappert aus Bad Laasphe. Das passiert, wenn Hunde zu lange in der Sonne sind oder bei hohen Temperaturen im Auto gelassen werden. „Die Hunde in den Schatten bringen, kühle Umschläge machen und viel trinken lassen“, rät Dr. Wagner-Klappert. Bei Atemnot durch starkes Hecheln sei Sauerstoff oder ein Asthmaspray hilfreich. Vorsicht: „Die Hunde nicht zu schnell runterkühlen und nicht in einem Kühlraum bringen“, sagt Wagner-Klappert weiter, das sei gefährlich für den Kreislauf.
Bei Autofällen schnellstmöglich zum Tierarzt
Áuch Autounfälle kommen gelegentlich vor – was tun? „Den Hund ruhig lagern und nicht zu viel bewegen. Die Atemwege freilegen und die Zunge vorziehen. Dann so schnell wie möglich zum Tierarzt“, erklärt Dr. Wagner-Klappert. Falls der Ernstfall eintritt und der Hund ohnmächtig ist: die Zunge herausziehen und den Kopf überstrecken, damit die Atemwege wieder frei sind – am besten in Brustlage. Dann prüfen, ob das Herz schlägt und der Hund einen Puls hat. Wenn nicht, folgt die Herzmassage. Bei großen Hunden fest pumpen, wie beim Menschen; bei kleineren Rassen mit zwei Fingern drücken, ähnlich wie bei Kleinkindern. Zum Beatmen die Schnauze des Tieres zu halten und Luft in die Nase pusten.
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Auch epileptische Krampfanfälle oder Allergien können bei den Vierbeiner vorkommen. Hier ist es wichtig, seinen Hund zu kennen. „Jeder Hundehalter sollte sich individuell auf seinen Hund einstellen. Rasse, Grunderkrankungen und Alter spielen hier eine Rolle“, sagt Dr. Jochims. So kann man bestimmte Notsituation ganz einfach vermeiden. Und wenn doch mal was passiert? „Das wichtigste ist: Ruhe bewahren. Und: Die Telefonnummer des Tierarztes immer griffbereit haben“, sagt Dr. Wagner-Klappert.
Telefonische Beratung als erster Schritt
In vielen Situation ist eine telefonische Beratung durch den Tierarzt der erste Schritt, um dem Vierbeiner helfen zu können. Je nach Situation wird gemeinsam entschieden, ob ein Tierarztbesuch wirklich erforderlich ist. „Wenn sich etwas anbahnt, am besten vor dem Wochenende schon reagieren“, sagt Dr. Jochims. Denn dann sind die Tierarztpraxen definitiv besetzt.