Bad Berleburg. In Bad Berleburg hat eine Immobiliengesellschaft Hunderte Mieter im Kalten sitzen lassen. Recherchen zeigen das Ausmaß und Stadt greift ein.
So schnell wie erhofft, lief es dann doch nicht für die Menschen in zwei Mietskasernen im Berliner Viertel in Bad Berleburg. Anders als gedacht, konnte die ausgestellte Heizung nicht bereits am Wochenende wieder angefahren werden. Hunderte Mieter saßen deswegen seit zum Teil einem Monat ohne warmes Wasser und Heizung in ihren Wohnungen.
„Noch geht die Heizung nicht wieder“, hatte Mieterin Bettina Schneider am Montagmorgen auf Nachfrage der Redaktion mitgeteilt – und eine Rückfrage beim Heizungsbetreiber Getec brachte Klarheit: „Leider gibt es noch keinen Strom. Daher läuft auch die Heizungsanlage noch nicht. Sobald dieser vorhanden ist, wird die Wärmelieferung umgehend fortgesetzt“, sagte Pressesprecher Stefan Hofmeister.
Seit Jahrzehnten ein Problemviertel in Bad Berleburg
Die Stadt Bad Berleburg hatte mit Rücksicht auf die vielen betroffenen Mieter kurzfristig noch am Freitag die offenen Stromrechnungen des offenbar insolventen Immobilienbetreibers „Plan B Capital“ übernommen. Und der Beigeordnete Volker Sonneborn hatte noch gehofft, dass damit bereits am Wochenende das Problem beseitigt wäre.
Doch am Montag dann die Ernüchterung. Anschließend hatte die Stadtverwaltung nach eigenem Bekunden „alle Hebel in Bewegung gesetzt“, damit der Stromversorger die Heizung wieder anklemmt. Am späten Nachmittag meldet dann der Sprecher der Stadt, Timo Karl: „Der Energieversorger hat mitgeteilt, dass die entsprechende Stromversorgung für die Heizung ab sofort wieder freigegeben ist. Der zuständige Installateur ist darüber informiert und wird die Anlage nun noch einmal überprüfen, so dass die Anlage kurzfristig wieder funktioniert oder funktionieren soll.“
Die bisherige Berichterstattung
Die Mieter in vier Wohnblocks am Ende der Berliner Straße teilen sich aktuell in zwei Gruppen auf: Diejenigen mit und die ohne Heizung und warmes Wasser. Ein unhaltbarer Zustand, der seit Tagen andauert. Und es ist nicht der einzige. Aber nach einigen Telefonaten der Anwohner und der Heimatzeitung bahnt sich ein Happy End an.
„Seit einer Woche geht bei uns im Haus die Heizung nicht mehr und wir haben kein warmes Wasser, weil an der Heizung der Strom abgestellt ist“, sagt Bettina Schneider. Die 63-Jährige will sich dies nicht mehr länger gefallen lassen: Das gehe doch nicht, schließlich seien davon fast 100 Leute betroffen. „Jetzt ist es noch warm, aber der Winter kommt bestimmt“, sagt sie und weiß, dass ihre 80-jährige Nachbarin, die auch auf den Rollator angewiesen ist, friert. Überhaupt ist das Problem größer: Viele Mieter seien Ausländer, könnten kaum Deutsch und wüssten nicht, an wen sie sich wenden könnten.
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An säumigen Mietzahlungen kann es auch nicht liegen, sagt sie, weil eben für viele die Miete vom Jobcenter oder den Sozialämtern kommt. Die aktuell arbeitslose Einzelhandelskauffrau, die bereits seit 2009 im „Berliner Viertel“ wohnt, geht in die Offensive: „Wir haben jetzt eine Woche lang versucht, den Vermieter zu erreichen. Auf allen Nummern – zu unterschiedlichen Uhrzeiten. Es geht keiner ran. Wir haben aufs Band gesprochen, aber keiner meldet sich zurück“, ärgert sich Bettina Schneider.
Heizungsunternehmen bestätigt die schlechte Zahlungsmoral
Die Hoffnungen ruhten auf dem Heizungsbauer Ingo Weise aus Dotzlar, der seit Jahren die Wartung der Anlage übernimmt. Auf unsere Nachfrage bestätigt der Installateur Betrieb, dass die Heizungen intakt sind und laufen könnten, wenn der Heizungsstrom nicht abgestellt worden wäre. Die Heizungsanlagen gehören auch nicht zu den Immobilien selbst, sondern sind im Besitz der GETEC, einem Kontraktor mit Sitz in Magdeburg, der Heizungslösungen für Immobilien und Industrie anbietet.
Auf Nachfrage der Redaktion schreibt Stefan Hofmeister von der GETEC: „Aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände der Plan B Private Capital GmbH und des ausbleibenden Dialogs sehen wir uns gezwungen etwaige rechtliche Schritte zu prüfen, die in einer eingeschränkten oder ausbleibenden Wärmelieferung resultieren könnten.“
Wem gehört das Haus?
Die Immobilien gehörten laut den Mietern einer „Plan B Capital GmbH“ mit Sitz in Limburg an der Lahn. Verwaltet werden die Gebäude aber von einer X-Direct Management Verwaltung GmbH aus Frankfurt am Main. Das ist auch die Gesellschaft, die mit den Mietern schriftlich verkehrte. Zum Beispiel bei Mahnungen.
Diese X-Direct Management Verwaltung GmbH ist jetzt aber nicht mehr zu erreichen. Auch die Redaktion hat lediglich auf die Mailbox einer Handynummer sprechen können. Die Internetrecherche zeigt: Unter der gleichen Frankfurter Telefonnummer, nur mit anderer Durchwahl, sitzt aber auch die X-Direct Group GmbH, eine Dachgesellschaft für die Verwaltungs -GmbH, die den gleichen Geschäftsführer wie die „Plan B Capital GmbH“ hat.
Die X-Direct Group beschreibt als ihren Zweck „Erwerb und Übernahme von Beteiligungen an anderen Gesellschaften sowie An- und Verkauf sowie Verwaltung von Immobilien“. Und diese Gesellschaft soll seit August 2022 Zahlungsschwierigkeiten haben, wie mehrere Internetportale zu Firmenauskünften und Bonität berichten. Demnach hat es am 9. August 2022, am 9. September 2022 und auch am 12. April 2023 „Sicherungsmaßnahme“ wegen Insolvenz gegeben.
Lohn für Hausmeister nicht bezahlt
Dass aus Frankfurt kein Geld mehr kommt, hat auch Andrei Puscasu (33) gemerkt. Vier Jahre lang war er als Hausmeister für die vier Häuser in der Berliner Straße und zwei weitere in der Brandenburger Straße zuständig. „Ich hatte einen Arbeitsvertrag, aber seit vier Monaten habe ich kein Geld bekommen, deswegen mache ich jetzt gar nichts mehr“, berichtet er. Puscasu lebt selbst in einem der Mehrfamilienhäuser aus den 1970er Jahren. Er weiß, dass bislang nur in zwei der vier Häuserkomplexe die Heizung mangels Strom ausgefallen ist. „Bei einem ist es schon seit einem Monat. Aber bei den anderen kommt das sicher noch“, mutmaßt er.
Es gibt auch ein Müllproblem
Die Stadt Bad Berleburg war informiert, dass es Anfang des Jahres in einem Teil der Wohnungen kein warmes Wasser und keine Heizung gab: „Deswegen wurden dort wohnende Familien, die uns kontaktiert haben, kurzfristig anderweitig untergebracht. Wir haben uns dann umgehend mit dem Hausmeister in Verbindung gesetzt, der die Reparatur schnell in die Wege geleitet hat.
Die Familien sind nach wenigen Tagen wieder in ihre Wohnungen gezogen. Uns ist zudem bekannt, dass es immer wieder zu Problemen z. B. mit Vermüllung kommt oder auch, wenn in den Wohnungen etwas repariert werden musste. Aber bislang konnten die Probleme meist noch über den Hausmeister oder durch die Stadt Bad Berleburg (Entsorgung Müll) zumindest entschärft werden.
Dass erneut keine Heizung und damit verbunden auch kein warmes Wasser in einem Teil der Wohnungen zur Verfügung steht, wurde uns gestern seitens einer Betreuerin einer dort wohnenden Familie mitgeteilt. Zudem hat unser Bürgermeister Bernd Fuhrmann gestern Abend über Facebook eine Anfrage erhalten. Unsere Fachbereichsleitung Bürgerdienste, Regina Linde, hat bereits mehrfach alle uns bekannten Anschlüsse des Immobilienbesitzers abtelefoniert, leider ohne Erfolg. Wir haben darüber hinaus die ehemalig in Bad Berleburg zuständige Hausverwaltung und den Hausmeister kontaktiert, aber leider ohne bisher in der Sache wirklich weiterzukommen.“
Auf die Immobiliengesellschaft ist der 33-Jährige nicht gut zu sprechen – nicht nur, weil sie ihm Lohn schuldet: „Die haben in den letzten vier Jahren hier keinen Cent investiert. Und in all den Jahren habe ich alle Arbeiten mit meinen eigenen Geräten gemacht.“ Erst nach langem hin und her habe man ihm deswegen eine Lohnerhöhung um 500 Euro für den 1. Juni 2022 zugesagt. „Bis heute habe ich keine Lohnerhöhung bekommen“, sagt er ein Jahr später und auch Konsequenzen gezogen: „Ich habe alle meine Maschinen verkauft. Ich mache hier nichts mehr“, berichte Puscasu. Er hat inzwischen umgesattelt und betreibt ein Tattoo-Studio.
Gute Nachricht am Freitagnachmittag
Mieterin Bettina Schneider wird auch Konsequenzen ziehen: „Ich hätte mir wenigstens eine Information gewünscht. All die Jahre vorher hat es diese Probleme nicht gegeben“, erinnert sie sich. „Jetzt bereiten wir eine Mietminderung vor.“ Dafür habe sie sich einen Anwalt genommen. Aber auf den Ausgang des Verfahrens will sie nicht warten: „Ich möchte mir eine andere Wohnung suchen.“ Die Sache mit der Heizung war für sie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Aber am Freitagnachmittag kommt zumindest eine gute Nachricht, die die Firma GETEC berichtet und die Volker Sonneborn als Beigeordneter der Stadt Bad Berleburg bestätigt. Die Stadt wird die Kosten für den Stromabschlag der Heizung erst einmal übernehmen und GETEC wird die Anlage wieder anfahren. Damit ist die mutmaßlich insolvente Immobiliengesellschaft nicht aus der Verantwortung, aber „so ist den Menschen am schnellsten geholfen“, erklärt Sonneborn.