Wingeshausen. Bald schon in der Ausbildung, aber noch zu jung für den Auto-Führerschein. Doch die 16-Jährige hat eine Lösung für den Übergang gefunden.

Mini-Autos mit einer „45“ am Heck – entwickelt sich das auch auf Wittgensteins Straßen zum Trend? Erst seit kurzem ist es in ganz NRW erlaubt, dass schon 15-Jährige mit so einem Leicht-Kraftfahrzeug durch die Landschaft fahren können – nur mit einem AM-Führerschein für normale Mopeds und ganz offiziell mit maximal 45 km/h.

Das sagen die Besitzer

Madlen Sonneborn aus Aue ist 16. Die Realschülerin kurz vor ihrem Abschluss fährt seit kurzem einen Zweizylinder Diesel der Marke „Microcar“, um demnächst unabhängig von den Eltern ihren Ausbildungsplatz im Schmallenberger Ortsteil Felbecke zu erreichen. Dort beginnt sie bei Landmaschinen Vogt eine Lehre zur Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement. „Es gab dorthin keine richtige Busverbindung“, bedauert Madlen. Deshalb sei ihr das neue Mopedauto jetzt sehr wichtig, um mobil zu sein. Beide Elternteile sind berufstätig.

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Den „50er-Führerschein“ für Roller und Moped hat sie bereits gemacht. Doch ständig mit dem Moped durch Wind und Wetter? „Das geht im Winter gar nicht“, findet die Schülerin. Schon gar nicht tageweise zur Berufsschule in Meschede. Im Mopedauto dagegen bleibe man trocken.

„Auf der Kurzstrecke gibt es kaum Unterschied zum normalen Auto“, stellt Vater Marc Sonneborn mit Blick auf die Fahrzeit im Vergleich zwischen normalem Auto und Mopedauto fest. Allerdings würden Fahrzeuge mit einer „45“ am Heck oft „an blöden Stellen“ überholt, erzählt Tochter Madlen.
„Auf der Kurzstrecke gibt es kaum Unterschied zum normalen Auto“, stellt Vater Marc Sonneborn mit Blick auf die Fahrzeit im Vergleich zwischen normalem Auto und Mopedauto fest. Allerdings würden Fahrzeuge mit einer „45“ am Heck oft „an blöden Stellen“ überholt, erzählt Tochter Madlen. © Eberhard Demtröder

Fahrt nur fünf Minuten länger

In 20 bis 25 Minuten kann die 16-Jährige nun die zwölf Kilometer lange Strecke von Wingeshausen über Jagdhaus, Fleckenberg und Harbecke nach Felbecke schaffen. Sicher: Da gehe es zwar auch immer mal bergauf bei maximal 35 km/h, doch das nimmt die Schülerin in Kauf. So dauere beispielsweise die Fahrt mit dem Microcar zu ihrem Freund in Elsoff nur fünf Minuten länger als mit einem normalen Auto. Getestet hat Madlen das Auto auch schon auf dem Weg zu ihrer Schule in Bad Berleburg und zurück, als eines Tages ihr Schulbus ausfiel. „Auf der Kurzstrecke gibt es da kaum Unterschied“, stellt Vater Marc Sonneborn fest.

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Aber das 45-km/h-Maximum hat eben auch Nachteile: „Du wirst oft an blöden Stellen überholt“, hat Madlen erfahren – und in Kurven werde man ausgebremst. Und dann ist da noch die Frage nach der Knautschzone bei Unfällen. „Ich hoffe, wir werden es nie testen“, sagt Vater Marc Sonneborn. Aber in einem flotten Smart, auch so ein kleines, aber deutlich schnelleres Auto, fühle er sich schon gar nicht wohl.

Anschaffung nicht billig

„Mir war es wichtig, dass der Hund in den Kofferraum passt“, schmunzelt Madlens Mutter Carolin Sonneborn. Schließlich sei ihre Tochter mit Labrador Bruno oft unterwegs zu ihren Pferden auf dem Sonnenhof.

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Neues Fahrerlaubnis-Recht

Der Bundestag hat am 12. Juli 2021 das Fahrerlaubnis-Recht zu Gunsten Jugendlicher geändert. Das Gesetz ist am 27. Juli 2021 in Kraft getreten.

Seitdem dürfen leichte, vierrädrige Kraftfahrzeuge in Deutschland bereits ab 15 Jahren (vorher 16 Jahre) gefahren werden.

Zum Führen der Leicht-Kraftfahrzeuge ist eine AM-Lizenz erforderlich. Um diese nach einer praktischen Prüfung auf einem normalen Moped zu erwerben, ist mit Kosten von 500 bis 900 Euro zu rechnen.

Und wie kommt man darauf, so ein Mopedauto zu nutzen? In der Verwandtschaft habe auch jemand so eines gehabt, „also haben wir uns erkundigt“, erzählt Madlen. Ihr Auto hat der Vater geleast – um die Zeit zu überbrücken, bis die Tochter 18 ist und reif für den Auto-Führerschein. Allerdings: „Die Anschaffung ist nicht billig“, sagt Marc Sonneborn.

Das sagt der Händler

„Die Zielgruppe sind ganz klar Teenager von 15 bis 17 Jahren“, sagt der Autohändler Stephan Böhl, der Mopedautos unter anderem am Standort Netphen anbietet. Aber auch ältere Leute nur mit Moped-Führerschein fühlten sich angesprochen. Fünf oder sechs dieser Minis auf vier Rädern mit Dieselmotor hat Böhl bereits nach Wittgenstein verkauft – darunter der Wagen der Sonneborns. Und in Kürze seien die Zweisitzer auch als Elektro-Varianten verfügbar.

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Tatsächlich sind die Modelle etwa der Marken „Microcar“ und „Ligier“ nicht gerade günstig: Von 11.000 bis 16.000 Euro bewegen sich laut Böhl die aktuellen Endpreise. Dafür bekomme der Kunde mit Rückfahrkamera, Sportsitzen, Alufelgen oder Servolenkung auch viel Ausstattung, wie sie ein normales Auto habe – bei Bedarf samt Winterreifen. Die Reichweite bei einem 17-Liter-Tank und einem Verbrauch von etwa 3,6 Litern je 100 Kilometern: immerhin fast 500 Kilometer.

Böhl sieht deutlichen Trend

„Das kommt immer mehr“, sieht Böhl einen deutlichen Trend bei den Mopedautos. Sie seien praktisch gerade für ländliche Gebiete, wo es wenig Busverbindungen gebe. Aber eben auch viele Jugendliche, die unabhängig von ihren Eltern mobil sein wollen – und sich dabei mehr wünschen als ein Moped.

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„Eine siebenstündige Schulung vermittelt, wie diese neue Autonomie zu bewältigen ist.“ Mit diesem Satz wirbt Autohändler Böhl im Internet für den Einstieg ins Mopedauto-Fahren. Diese Schulungen, die zum Erwerb des AM-Führerscheins führten, biete jede Fahrschule an.

Wagen hält gut mit im Stadtverkehr

Gerade im Stadtverkehr könnten die Mopedautos „schon sehr gut mitschwimmen“, argumentiert Böhl – brächten sie es doch technisch durchaus auf Tempo 53. Auf Landstraßen mit maximal Tempo 100 dagegen könnte es schon mal eng werden, wenn hier ein Mopedauto unterwegs sei, räumt Böhl ein. Seinen Kunden rate er deshalb, bei Gelegenheit kurz rechts ranzufahren, um die Fahrzeug-Schlange hinter sich vorbeizulassen.

„Die Zielgruppe sind ganz klar Teenager von 15 bis 17 Jahren“, sagt der Autohändler Stephan Böhl, der Mopedautos unter anderem am Standort Netphen anbietet.
„Die Zielgruppe sind ganz klar Teenager von 15 bis 17 Jahren“, sagt der Autohändler Stephan Böhl, der Mopedautos unter anderem am Standort Netphen anbietet. © Eberhard Demtröder

Verkehrswacht sieht Gefahr

Bei Marciel Bartzik, Vorsitzender der Verkehrswacht Siegerland-Wittgenstein, ist der angebliche Trend bislang noch nicht angekommen. „Ich kenne das bisher nur als motorisierte Krankenfahrstühle“, sagt er. Jedenfalls scheine es Mopedautos bislang „noch nicht so häufig zu geben“ auf heimischen Straßen.

Ein passendes Trainingsprogramm könne die Verkehrswacht derzeit jedenfalls nicht bieten. Das könne sich aber schnell ändern, so Bartzik, wenn ein Bedarf erkennbar sei und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat ein solches Programm erarbeite.

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Dass eine große Gefahr für den Straßenverkehr von den Mopedautos ausgehe, kann sich Bartzik nicht vorstellen. Sicher: Das Überholen werde für normale Pkw schwieriger, weil ein Mopedauto eben breiter sei als ein normales Moped. Aber sonst? Gefährlicher sei es da schon eher, wenn so ein Mopedauto etwa in einen Unfall mit einem deutlich schwereren Fahrzeug verwickelt sei. Dann könne es wegen der geringeren Knautschzone schnell eng für die Insassen werden.