Ein Plädoyer für den Straßenbau und die verbesserte Anbindung, weil wir nicht die gleichen Fehler machen sollten wie bei der Bahn.
Als junger Mensch war ich gegen die Pläne einer Autobahn 4 durchs Rothaargebirge. Inzwischen weiß ich, dass eine leistungsfähige Straßenverbindung von Hessen durch Wittgenstein bis ins Siegerland erforderlich ist.
Rohstoffe zu Unternehmen in Wittgenstein zu transportieren oder deren Produkte aus dem Ländchen zum Kunden, ist nur ein Aspekt. Wichtiger ist aus meiner Sicht der Faktor „Attraktivität“: Die Verkehrsferne steht Wittgenstein beim Thema Fachkräftemangel oder auch Zuzug im Weg – und das beschäftigt Unternehmen und Kommunen, deren demografische Bilanz negativ ist.
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Eisenbahn: Zug ist abgefahren
Die Zukunft hängt an dieser Verkehrsverbindung. Schiene und ÖPNV sind keine Alternative mehr. Dazu hätte etwa die Rothaarbahn im vergangenen Jahrhundert bereits zweigleisig und elektrifiziert ausgebaut werden müssen. Pläne für eine Verbindung von Bad Berleburg weiter ins Sauerland fielen schon 1914 dem 1. Weltkrieg zum Opfer. Und die Gleise nach Frankenberg wurden ab den 1980er Jahren abgebaut.
Wir sollten nicht den gleichen Fehler mit dem Straßenausbau machen
Ein Blick nach Hessen zeigt: Dort sind Ortsumgehungsketten bei Biedenkopf bis an die Wittgensteiner Grenze fertiggestellt und die Ortsumgehungskette als Bundesstraße 252n zwischen Diemelstadt und Marburg ist zum Teil bereits befahrbar.
Und allen Gegner des Straßenausbaus sei gesagt, dass auch Busverbindungen im ÖPNV attraktiv werden, wenn sie schneller werden. Auf der Trasse der B62 von Schameder nach Siegen braucht die Bahn deutlich länger als der Bus und der wiederum ist viel langsamer als das Auto. Also entscheiden sich die Menschen für den Pkw.
Homeoffice ist kein Argument
Das Argument, es gebe wegen der Möglichkeit zum „Homeoffice“ immer weniger Verkehr und deshalb keine neuen Straßen, zieht übrigens auch nur bedingt: Denn im Büro werden keine Werte geschaffen, sondern nur verwaltet. Der Kern unserer Wirtschaft liegt nach wie vor in der Produktion. Und der Schweißer im Erndtebrücker Eisenwerk kann sich seine 14 Meter langen Rohre nicht im Garten zurechtlegen. Und wenn er jeden Tag aus dem Siegerland über die Lützel nach Erndtebrück fährt, verbringt er viel Lebenszeit hinterm Steuer. Die Viertelstunde, die er durch eine schnellere Route 57 mit dem Auto bei einer Tour sparen könnte, summieren sich zu einer halben Stunde am Tag, zu fünf Stunden in der Woche, 20 im Monat… Und es ist egal, ob vier Menschen in einer Fahrgemeinschaft in diesem Wagen sitzen, oder nur einer am Steuer: Wir reden über Lebenszeit. Zeit, die man mit der Familie verbringen will und nicht als Pendler.
Viele profitieren von der Straße
Von einer besseren Straße profitieren aber nicht nur die Arbeiter der Unternehmen oder die Firmen selbst – auch Gastronomie, Hotellerie und Geschäfte hätten etwas davon, dass Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück zeitlich näher an den Rest der Welt heranrücken und wir das Image von „Schneewittchenstein hinter den sieben Bergen“ hinter uns lassen können.
Wenn wir schon bei der Schiene Chancen versäumt haben, die nicht wieder rückgängig zu machen sind, sollten wir nicht die gleichen Fehler bei der Straße machen.