Bad Berleburg/Bad Laasphe. Eine Nord-Süd-Verbindung für vier Gigawatt Strom soll durchs Rothaargebirge führen. Das sind die Details des Milliarden-Projektes.
Der Ausbau von Windkraft, Photovoltaik oder Wasserkraft allein reicht für die Energiewende nicht aus. Um beispielsweise Strom von den Offshore-Windparks in der Nordsee in die besondere dicht bevölkerte und stromhungrige Rhein-Main-Region zu bekommen, sollen Amprion neue, gigantische Fernleitungen bauen. Auf direkten Weg können die mitten durch das Sauerland und Wittgenstein verlaufen. Das geht aus dem gerade veröffentlichten Netzentwicklungsplan 2037/2045 hervor.
Noch sind die Planungen nur als gestrichelte Linie zu erkennen, aber eine dieser zwei großen Leitungen ist mit der laufenden Nummer 82 bereits im Bundesbedarfsplan eingetragen und wird kommen. „Wir haben den gesetzlichen Auftrag diese Leitung zu bauen“, erläutert Jonas Knoop. Er ist beim Stromnetzbetreiber Amprion für das Großprojekt „Rhein-Main-Link“ zuständig, in das laut Knoop ein mittlerer einstelligen Milliardenbetrag investiert wird.
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Das ist geplant
Die erste, bereits als notwendig eingestufte Leitung, heißt im Netzausbauplan aber noch nicht „Rhein-Main-Link“, sondern ganz schlicht DC 34. Dahinter verbirgt sich eine Verbindung von Ovelgönne im Landkreis Wesermarsch bis nach Bürstadt im südhessischen Landkreis Bergstraße, die eine Kapazität von zwei Gigawatt haben soll. Die zweite Leitung, in gleicher Leitungskapazität, führt ebenfalls von Ovelgönne aus nach Marxheim im Taunus. Im Planerjargon heißt diese aktuell DC 35. DC, das steht für Gleichstrom. Der muss dann am Anfang und Ende der Fernleitung mit technischen Einrichtungen jeweils von gleich zu Wechselstrom oder umgekehrt transformiert werden.
Auch wenn für DC34 die Planungen bereits laufen, wartet Amprion noch eine Grundsatzentscheidung über die zweite Leitung DC35. „Wir würden beide Leitungen gerne in einem Energiekorridor bündeln“, erläutert Jonas Knoop. Dazu muss es DC35 aber bis Mitte nächsten Jahres aus dem Netzentwicklungsplan in den Bundesbedarfsplan schaffen.
Erdkabel hat Vorrang
Knoop erläutert auf Nachfrage der Redaktion auch wie man sich eine solche Leitung vorstellen muss: „Rhein-Main-Link“ werde wohl nicht als Freileitung gebaut. „Wir haben einen Erdkabelvorrang. Das heißt, wir müssen, wenn möglich, eine Erdkabelleitung bauen“, erläutert Knoop gesetzliche Vorgaben. Dazu werden Leerrohre zwei Meter tief im Boden verlegt. In diese Leerrohre werden dann drei Kabel mit einem Durchmesser von rund 25 Zentimetern eingezogen. Das ist sehr aufwendig. „Auf einer Rolle sind etwa 1000 bis 1200 Meter Kabel, mehr passen da nicht drauf, weil das schon rund 80 Tonnen Gewicht sind“, erläutert Knoop die Dimensionen. Alle 1000 Meter werden die Kabel dann mit Muffen verbunden.
Überirdisch erkenne man eine solche Kabeltrasse dann an einem 25 Meter breiten Schutzstreifen ohne tiefwurzelnden Bewuchs. Wenn auch die zweite Fernleitung mit verbaut werden könnte, verliefen dann auf dieser Trasse eben sechs statt drei Kabelsträngen verlegt, die man sich im Grunde wie die Stromkabel zuhause mit Plus, Minus und Erde vorstellen könne. Mit einer Nennstärke von 525 Kilovolt sollen so eben die bis zu vier Gigawatt Leistung von Norden nach Süden transportiert werden.
So verläuft die Trasse
Wie genau diese Stromtrassen verlaufen werden, sie aber noch unklar. „Wir haben da auch mit Raumwiderständen zu rechnen“, erläutert Knopp und meint damit nicht die Proteste aus der Bevölkerung, sondern schlicht due Topografie. Berge, Flüsse, Naturschutzgebiete und nicht zuletzt Siedlungsgebiete müssen bei der Planung berücksichtigt werden. „Bitte lösen Sie sich von der Luftlinie. Eventuell müssen wir das Rothaargebirge sogar umgehen“, beschwichtig Knoop Befürchtungen, dass zu den vielen geplanten Windkraftanlagen in Wittgenstein noch eine Hochspannungsleitung dazu komme. Auf den Papier würde die kürzeste Verbindung durch Bad Berleburg und Bad Laasphe verlaufen.
Aktuell wartet Amprion auf den Start des Planfeststellungsverfahrens, dass die genaue Linienführung zeigen wird. In dem Verfahren hätten dann auch die betroffene Kommunen und der Kreis Gelegenheit Bedenken zu äußern. Amprion aber setzt auf Transparenz, so Knoop. „Wir wollen das jeder Zeit mit Informationen und Dialogveranstaltungen begleiten.“ Der ehrgeizige Plan ist, dass zumindest DC34 bis ins Jahr 2033 fertiggestellt und ans Netz gegangen ist.
Die betroffenen Kommunen wissen noch sehr wenig
In Siegen-Wittgenstein haben die beiden betroffenen Kommunen und die Kreisverwaltung bislang nur wenig Informationen über die Planungen dieser Fernleitungstrasse.
Das berichtet der Kreis Siegen-Wittgenstein
Dezernent Arno Wied bleibt gelassen und verweist darauf, dass der Leitungsverlauf noch gar nicht in Stein gemeißelt sei: „Derzeit sind für beide Vorhaben nur die Anfangs- und Endpunkte – jeweils Ovelgönne und Bürstadt bzw. Marxheim – bekannt, die in den Plänen mit einer geraden, gestrichelten Linie verbunden sind. Es wird in den Plänen von den Netzbetreibern ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Linien keine konkreten Trassenverläufe darstellen, weil diese natürlich erst in den noch anstehenden Planungsarbeiten, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen werden, ausgearbeitet und konkretisiert werden können. Der Verlauf der Linien durch Südwestfalen und das Kreisgebiet im Bereich der Städte Bad Berleburg und Bad Laasphe hat deswegen keine weitergehende Bedeutung bzw. Festlegung. Es bleibt abzuwarten, ob das Kreisgebiet tatsächlich konkret tangiert wird. Nach derzeitiger Einschätzung der Kreisverwaltung dürfte ein Trassenverlauf durch die topographisch anspruchsvollen Gebiete des Hochsauerlandkreises und des Kreises Siegen-Wittgenstein mit hohen Anforderungen und Kosten verbunden sein. Aber das kann erst zu einem späteren Zeitpunkt bewertet werden.“
Das sagen die Kommunen
„Es liegt derzeit der 1. Entwurf des Netzentwicklungsplanes 2037/2045 vor. Über diese frei verfügbaren und jedermann zugänglichen Unterlagen im Internet hinaus hat die Stadt Bad Laasphe bislang keine weiteren oder zusätzlichen Informationen. Der Übertragungsnetzbetreiber ist hierzu auch nicht explizit auf die Stadt Bad Laasphe zugekommen“, erläutert die Sprecherin der Stadt Bad Laasphe Ann Kathrin Müsse und fährt entsprechend fort: „Die Stadt Bad Laasphe hat derzeit keine Stellungnahme abgegeben.“ Im notwendigen weiteren Verfahren sei im Rahmen der Bundesfachplanung/Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren aber eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange durchzuführen, in welchem dann auch konkretere Angaben zur Ausgestaltung getätigt werden müssen.
Ähnlich äußert sich auch der bei der Stadt Bad Berleburg zuständige Abteilungsleiter Wohnen, Stadt- und Dorfentwicklung, Tobias Feige: „Bislang ist auch uns lediglich der erwähnte und öffentlich frei zugängliche Netzentwicklungsplan bekannt. Der Übertragungsnetzbetreiber hat uns zu seinen Plänen bislang nicht kontaktiert. Wir gehen davon aus, dass wir im Laufe dieses Prozesses aber entsprechend beteiligt werden.“
Weitere Informationen zu den Planungen gibt es hier: www.netzentwicklungsplan.de/nep-aktuell/netzentwicklungsplan.-20272045-2023)