Wittgenstein. Die Beschaffung von zahlreichen Präparaten werde immer schwieriger, so die Apotheker. Wir zeigen wo genau es bei den Arzneien eng wird.

Fieber, Schnupfen, Husten – die Infektionswelle reißt nicht ab. Viele Kitas und Schulen in Wittgenstein vermelden zahlreiche Krankheitsfälle. Kinder und Jugendliche wie auch Erzieherinnen und Lehrer melden sich oft ab, weil sie heftige Erkältungen und Fieber plagen. Krankenkassen verzeichnen überdurchschnittlich viele Krankschreibungen. Und auch die Apotheken schlagen Alarm: Viele Medikamente sind derzeit kaum noch erhältlich.

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Der Mangel betrifft schon länger nicht mehr nur Nischenprodukte. „Es zieht sich mittlerweile durch den gesamten Arzneimittelschatz“, so Apotheker Matthias Köhler, Inhaber der Bad Laaspher Stadt-Apotheke. Aktuell stehen allein 313 Arzneimittel auf der Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm). Und das sind gerade einmal die rezeptpflichtigen Medikamente. Heißt also: Die tatsächliche Liste könnte um einiges länger sein.

Fiebersäfte ebenfalls schwer erhältlich

„Früher war es so, dass es zwei bis drei Firmen gab, die von den Lieferengpässen betroffen waren. Heute sind es zwei bis drei Firmen, die liefern können“, so der Bad Laaspher Apotheker. „Dennoch haben wir es bislang immer irgendwie geschafft, eine Lösung für den Patienten zu finden.“ Unter anderem, indem man auf Präparate anderer Firmen zurückgreift. „Für gewöhnlich haben die Krankenkassen spezielle Verträge mit den Firmen, so dass die Kunden in der Regel das Präparat der jeweiligen Firma erhalten.“ Doch im Fall eines Engpasses muss eine Ausweichlösung gefunden werden – mit Präparaten anderer Firmen oder eben anderen Stärken. „Dann schauen wir gemeinsam, ob es möglich ist, statt einer Tablette vielleicht eine halbe Tablette einer anderen Stärke zu nehmen.“

Matthias Köhler, Stadtapotheke in Bad Laasphe: „Früher war es so, dass es zwei bis drei Firmen gab, die von den Lieferengpässen betroffen waren. Heute sind es zwei bis drei Firmen, die liefern können.“
Matthias Köhler, Stadtapotheke in Bad Laasphe: „Früher war es so, dass es zwei bis drei Firmen gab, die von den Lieferengpässen betroffen waren. Heute sind es zwei bis drei Firmen, die liefern können.“ © Ramona Richter

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Dass es immer mal wieder zu Engpässen kommen kann, sei nichts ungewöhnliches. Aktuell aber spitze sich die Lage zu. „Es ist schon ein enormer Aufwand, die entsprechenden Präparate zu bekommen“, sagt Köhler. Viele Firmen können derzeit nicht liefern. Und was ist mehr betroffen – Medikamente für Erwachsene oder für Kinder? „Das ist schwer zu sagen, da es für kleinere Kinder gar nicht so viele Arzneimittel gibt“, erklärt Köhler. Doch auch hier zeigt sich: Fiebersäfte und Antibiotikasäfte sind ebenfalls nur schwer erhältlich. „Wenn ich beispielsweise bei Penicillin alle Größen und Stärken aus dem Filter rausnehme, könnte ich heute bei vier Anbietern, die alle zu einer Firma gehören, bestellen – von vielleicht rund 30 Firmen“, macht Köhler den Engpass deutlich.

Vorrat für eine Woche – wie soll das gehen?

Und auch in der Hof-Apotheke in Bad Berleburg ist der Medikamentenmangel deutlich zu spüren. „Aktuell ist es wirklich schlimm – die Liste reicht von Paracetamolsaft für Kinder, Fieberzäpfchen für Kinder, sämtliche Bluthochdruckmittel, Ibuprofen bis hin zu Antibiotika für Erwachsene“, so eine Mitarbeiterin auf Nachfrage der Redaktion. Und: Paracetamolsaft etwa ist schon seit gut einem Quartal kaum noch zu bekommen. Dieser wird mittlerweile in der Apotheke selbst hergestellt.

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Eine Besserung ist kaum in Sicht. „Ich habe in einem pharmazeutischen Magazin einen Artikel gelesen, in dem hieß es: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) appelliert an Apotheken, sich maximal mit einem Wochenbedarf zu bevorraten. Wir schaffen es gerade mal für ein bis zwei Tage. Wie sollen wir uns für eine ganze Woche bevorraten?“ Doch sie weiß: Der Mangel betrifft nahezu alle Apotheken. „Uns haben auch schon Apotheken angerufen und gefragt, ob wir noch etwas von den betroffenen Arzneimitteln vorrätig haben, weil sie selbst betroffen sind.“ Problem: „Viele Apotheken werden von einem Großhändler beliefert. Wenn es einen Engpass gibt, sind die anderen meist auch betroffen“, so Köhler.

Erndtebrücker Apotheke hat Quelle für den Notfall

Und wie ist die aktuelle Lage in Erndtebrück? „Medikamentenmangel und Engpässe hat es immer wieder mal gegeben, aber aktuell spitzt sich die Lage immer weiter zu. Fiebersäfte und Antibiotikasäfte für Kinder sind kaum noch da – ähnlich bei Fieberzäpfchen. Die sind so gut wie gar nicht mehr da“, so eine Mitarbeiterin von Wohlerts Arkaden-Apotheke in Erndtebrück. Warum, könne man derzeit nicht genau sagen. „Es ist manchmal gar nicht ersichtlich, woran es gerade liegt. Manchmal sind es Lieferengpässe, manchmal haben die Firmen keine Flaschen oder Verpackungen mehr.“

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Dennoch: Aktuell sei es sehr schwer, überhaupt noch an Medikamente für die kleineren Kinder zu kommen. „Und wenn, ist vieles kontingentiert. Dann bekommt man vielleicht noch eine Packung.“ Die aktuelle Situation? „Wir könnten einen Mitarbeiter abstellen, der die ganze Zeit versucht, noch an Präparate zu kommen.“ Der Vorteil der Arkaden-Apotheke? „Wir haben noch eine Hauptapotheke, die uns im Notfall aushelfen kann.“ Doch auch dort sei es knapp, was die Medikamente für die Kleinen betrifft. „Und die müssen es ausbaden.“

Kinderärzte fordern stärkeres Eingreifen des Staates

Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes Kinder- und Jugendärzte: „Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach fiebersenkenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol, weil derzeit ex­trem viele Kinder erkrankt sind.“
Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes Kinder- und Jugendärzte: „Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach fiebersenkenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol, weil derzeit ex­trem viele Kinder erkrankt sind.“ © Karsten Lindemann

Wie dpa berichtet, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weitere schnelle Unterstützung wegen der akuten Engpässe in der Kindermedizin zugesichert. Unter anderem sollen Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei manchen Medikamenten kommen. Und auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte fordert stärkeres staatliches Eingreifen. „Wir brauchen jetzt eine von der Politik angeschobene Beschaffungsaktion, um wie zu Beginn der Corona-Pandemie in einer Notlage schnell an Fiebersaft, bestimmte Antibiotika und andere selten gewordene Präparate für kleine Kinder zu kommen“, sagte Präsident Thomas Fischbach der Rheinischen Post. „Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach fiebersenkenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol, weil derzeit ex­trem viele Kinder erkrankt sind.“

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Laut dpa arbeitet das BfArM „seit Wochen daran, die Lage zu kontrollieren – und darüber zu informieren, welche nicht lieferbaren Präparate durch andere ersetzt werden könnten. Nicht alle Lieferengpässe bedeuteten Versorgungsengpässe“. Etwa bei Paracetamol für Kinder gebe es gerade Probleme wegen Streiks in Frankreich.