Wittgenstein. Ein Frau wehrt sich bei einer Polizeikontrolle in Bad Berleburg. Die Auswertung der Statistik zeigt, das ist kein Einzelfall. Es gibt Tendenzen.
Mitte November leistet eine 52-jährige Frau aus Bad Berleburg bei einer Verkehrskontrolle Widerstand gegen zwei Polizeibeamte und beleidigte diese. Die Frau wehrte sich so heftig, dass sei zu Boden gebracht und gefesselt wurde. Ein Einzelfall? Nein. Immer wieder sind Vollstreckungsbeamte - zumeist Polizisten – mit aggressivem Verhalten konfrontiert. Das belegt eine Nachfrage bei den Behörden.
Trauriger Höhepunkt war der Freitag nach Himmelfahrt. In fünf Fällen gab es Widerstand gegen Polizeibeamte. Die Polizisten wurden beleidigt und bei den Einsätzen angegriffen. In einem Fall biss ein 25-jähriger Mann eine Beamtin und verletzte diese.
Weniger Widerstand, dafür mehr Gewalt
Nimmt das Phänomen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu, oder wird nur stärker darüber berichtet? Wir haben bei der Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein nachgefragt und machen eine interessante Feststellung: Von 2018 bis heute hat sich Zahl der Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte deutlich verringert, fast halbiert. Waren es im Jahr 2018 noch 118 Fälle im Kreis. Sind es in diesem Jahr (Stand Oktober) 64. Im gleichen Zeitraum aber hat sich die Zahl der Tätlichen Angriffe ebenfalls fast verdoppelt: Von 32 im Jahr 2018 auf 58 bis zum Oktober 2022. Unterm Strich sinkt zwar die Summe der Delikte von 144 im Jahr 2018 auf 122 im Oktober 2022. Dafür aber haben die schweren Straftaten massiv zugenommen. Allerdings muss man auch betonen, dass die Fallzahlen klein sind.
Lesen Sie auch:
- Video von Polizeieinsatz in Bad Berleburg geht viral
- Mutter tritt und schlägt Polizeibeamte in Bad Berleburg
- 18-Jähriger kassiert Urteil für Gewalt gegen Polizeibeamte in Bád Laasphe
Beim Blick auf die Jahreszahlen ist klar. Diese qualitative Veränderung der Straftaten fällt in die Corona-Pandemie. Es stellt sich die Frage, ob die Kritik an den Corona-Maßnahmen zu einer Radikalisierung geführt haben könnte. Damit geht es um mögliche politische Straftaten. Zuständig ist der Staatsschutz am Polizeipräsidium Hagen. Wir fragen nach, ob Corona ein Katalysator für diese Entwicklung bei Straftaten sein könne. Auch hier gibt es interessante Feststellungen.
Auswirkungen der Corona-Pandemie
„Nach hiesiger Einschätzung wurde das Thema „Corona“ über die Grenzen der Phänomenbereiche hinweg auch im Bereich der Kriminalhauptstelle Hagen kontrovers und hitzig diskutiert“, berichtet Ramona Arnhold. Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Hagen. Das Ergebnis den Zuständigkeitsbereich Südwestfalen fällt zweigeteilt. Fakt ist: „Es kam zu den typischen Straftaten wie Beleidigungen, Bedrohungen oder auch kleineren Sachbeschädigungen. Zudem wurde hier vor allem von Dezember 2021 bis März 2022 eine Vielzahl von Straftaten nach dem Versammlungsgesetz bearbeitet. Es handelte sich dabei insbesondere um die sogenannten „Corona-Spaziergänge“, die in der Mehrzahl gegen die Vorschriften des Versammlungsgesetzes nicht bei der zuständigen Versammlungsbehörde angemeldet wurden“, so Arnhold. Für Wittgenstein lässt sich diese Feststellung aber nicht belegen. Die Montags-Spaziergänge in Bad Berleburg war angemeldet und die Kundgebungen verliefen ohne Zwischenfälle.
Lesen Sie auch:
- 19-Jähriger aus Bad Laasphe wehrte sich gegen Festnahme in Berlin - verurteilt
- SEK nimmt Reichsbürger in Oberndorf fest
- Reichsbürger haut mit Axt auf Ausweis und schlägt Polizeibeamte in Bad Berleburg
Die Corona-Pandemie ist also nicht zwingend ein Katalysator für Widerstand und Gewaltbereitschaft: „Straftaten mit höherer Deliktsqualität wurden im Bereich der Kriminalhauptstelle der Polizei Hagen jedoch nicht bekannt. Die im Corona-Zusammenhang entstandene „Querdenker“-Szene besetzt derzeit zu dem Ursprungsthema „Corona“ weitere aktuelle Themen. Dazu gehören beispielsweise die Energieknappheit und Versorgungsengpässe in Folge des Ukraine-Krieges“, so Arnhold.
Politische Straftaten in Wittgenstein
Das Stichwort politisch motivierte Kriminalität fördert ebenfalls Zahlen zutage. So gab es in Siegen-Wittgenstein im Jahr 2020 insgesamt 145 Fälle. Mit 94 waren die meisten dem rechten Spektrum zuzuordnen, 22 waren linksextreme Taten, vier einer ausländischen Ideologie und 25 waren nicht zuzuordnen. In Wittgenstein gab es 13 Fälle. Für das Jahr 2021 ist die Gesamtzahl mit 149 stabil. Es waren 84 mit rechter Gewalt, 23 linksextrem, 1 Fall islamistischer Terrorismus, 40 nicht zugeordnet. In Wittgenstein stieg die Zahl insgesamt auf 18 Fälle. Die Zahlen für 2022 werden im neuen Jahr veröffentlicht.
Reichsbürger in Wittgenstein
„Für die Bereiche Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück werden bei der KI Staatsschutz der Polizei Hagen fünf Personen als Reichsbürger geführt. Besondere Auffälligkeiten im Vergleich zum restlichen Zuständigkeitsbereich der hiesigen Dienststelle können dabei nicht festgestellt werden“, so Ramona Arnhold.