Oberndorf. Update: In Oberndorf wurde ein Reichsbürger festgenommen. Er bedrohte einen Politiker und eine Richterin massiv. Bis zuletzt war er online aktiv.

Die Staatsanwaltschaft in Wuppertal hat einen sogenannten Reichsbürger festnehmen lassen. Der 52-jährige Mann ist in Oberndorf, einem Stadteil von Bad Laasphe, aufgegriffen und am Vormittag nach Wuppertal gebracht worden – das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wuppertal, Christina Laibold, auf Nachfrage. Die Festnahme erfolgte aufgrund eines aktuell bestehenden Haftbefehls.

Nach Informationen unserer Redaktion hat der Zugriff in den frühen Morgenstunden zwischen 6 und 7 Uhr in einem Oberndorfer Einfamilienhaus stattgefunden. Der gesuchte Mann hatte sich offenbar in dem Haus eines 57-Jährigen Bekannten in Bad Laasphe aufgehalten.

„Der Mann war nicht flüchtig“, so Staatsanwältin Laibold. Warum er sich in Oberndorf aufgehalten habe, wisse man aber noch nicht. Seinen Aufenthaltsort habe man aber „in sehr kurzer Zeit ermittelt“. Der in Mettmann geborene und zuletzt in Wuppertal lebende Tatverdächtige hatte zuletzt keine amtliche Meldeadresse mehr.

Ortsvorsteher überrascht

In dem 430-Seelen-Ort Oberndorf ist man erstaunt und schockiert zugleich. Ortsvorsteher Sebastian Stiller macht aber deutlich: „Hier im Dorf kennt eigentlich jeder jeden. Aber dieser Mann ist mir bislang völlig unbekannt. Er ist auch nicht aus Oberndorf, sondern zugezogen.“ Stiller kann sich vorstellen, welche Ängste und Sorgen so ein Einsatz und die Anwesenheit eines Rechtsradikalen in seinem Dorf auslösen können.

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Aber der CDU-Kommunalpolitiker macht vor dem Hintergrund der Diskussion um öffentliche Sicherheit auch deutlich: „Wir müssen die Polizei und die Ermittlungsbehörden für den Zugriff loben.“ Als Ratsmitglied und Ortsvorsteher beobachtet Sebastian Stiller die „Verrohung der Gesellschaft“ ebenfalls und betont, dass die Gesellschaft wachsam gegenüber solchen Strömungen sein müsse.

Politiker massiv bedroht

Hintergrund der Festnahme ist, dass der Mann unter anderem den Wuppertaler Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD), eine Richterin am Landgericht sowie Personen aus seinem Umfeld massiv bedroht habe, heißt es in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft.

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Da die Drohungen teilweise sehr konkret gewesen sein sollen und der Verdächtige als ehemaliger Sportschütze über eine gewisse Sachkunde im Umgang mit Schusswaffen verfüge, erfolgte der polizeiliche Zugriff durch Spezialeinheiten. Dies sei ein Standardverfahren, „um die Gefährdung möglichst gering zu halten“, erläutert Staatsanwältin Laibold.

Bei der Festnahme habe man bei dem Tatverdächtigen ein Kleinkalibergewehr, ein Kampfmesser und Tarnkleidung sichergestellt. Ob das Gewehr ihm gehört, müsse noch geklärt werden. Er sollte noch am Freitag einem Haftrichter vorgestellt werden und dann in Untersuchungshaft gehen. Außerdem werde dem 52-Jährigen ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt und er bekomme Akteneinsicht, so die Pressesprecherin der Ermittlungsbehörde weiter.

Hintergrund der Drohungen

In Sozialen Medien wie Facebook und Youtube hat sich der 52-Jährige immer wieder einschlägig als Reichsbürger geäußert.

Keine Szene im Kreis

„Wir können bestätigen, dass es Reichsbürger in Siegen-Wittgenstein gibt“, schreibt der polizeiliche Staatsschutz aus Hagen auf Anfrage dieser Zeitung.

„Hierbei handelt es sich um einzelne Personen und keine verfestigte Struktur. Die Anzahl der Personen von denen wir ausgehen, dass sie zu den Reichsbürgern gehören, liegt in einem niedrigen zweistelligen Bereich.“

Aktuell haben wir keine Anhaltspunkte dafür, dass von den Personen eine Gefahr ausgeht.

Folgt man seinem Facebook-Profil, findet man schnell Verschwörungstheorien aus der Reichsbürger-Szene sowie fremdenfeindliche Äußerungen. Er stilisiert sich dabei auch als Justizopfer. So soll ihm das Familiengericht den Umgang mit seinem Sohn und seiner Tochter verboten haben. Der Tatverdächtige behauptet, dass diese Restriktionen auf „Falschaussagen“ des Jugendamtes beruhten und hat selbst mehrfach Anzeige gegen die Behörde erstattet.

Außerdem erhebt der Mann schwere Vorwürfe gegen den Lebensgefährten der Mutter seiner Kinder. Das geht aus einer Dokumenten-Sammlung bei Facebook hervor, in der zahlreiche Schreiben des Beschuldigten an Behörden zu finden sind.

Dokumente bis kurz vor Festnahme hochgeladen

Vom 3. August 2018 bis wenige Stunden vor seiner Festnahme am 14. Februar 2020 hat der 52-Jährige immer wieder Dateien und Fotokopien von Dokumenten hochgeladen. Zuletzt am Donnerstag, 13. Februar, um 20.10 Uhr eine „Warnung an jede Polizeidienststelle“. Darin heißt es: „Es dürfte der Polizei nicht verborgen geblieben sein, das die Alliierten im Rahmen einer Militärischen Aktion, damit begonnen haben, Richter Mitarbeiter von Jugendämtern und von der Krankenkasse zu Verhaften.

Diese Verhaftungen werden aktuell von der Russischen Militär Administration SMAD in Berlin, von Russischen Beamten ausgeführt. Die Bundespolizei wurde bereits zur Zusammenarbeit mit den Alliierten verpflichtet.“ Fast zeitgleich hatte es am Freitag in mehreren Bundesländern Razzien gegen eine mögliche rechtsterroristische Vereinigung gegeben. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gab am Freitagvormittag im Düsseldorfer Landtag erste Details bekannt.

Kein Bezug zur zeitgleichen Razzia gegen Terrorgruppe

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Ein Bezug der Festnahme in Bad Laasphe zu der Terrorgruppe sei laut Innenministerium aber nicht erkennbar. Sogenannte Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide.

Ende Oktober 2019 war der NRW-Verfassungsschutz von insgesamt rund 3200 Reichsbürgern und sogenannten Selbstverwaltern in ganz Nordrhein-Westfalen ausgegangen. Knapp drei Viertel waren demnach Männer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren.