Siegen-Wittgenstein. Alle haben sich zusammengerauft. Im Kreis-Umweltausschuss wurde ein Kompromiss erarbeitet, der eine Fortführung des Projektes möglich macht.
Der Umweltausschuss des Kreises hat ein deutliches Zeichen für den Erhalt des Wisentprojektes gesetzt und zugleich auch klare Signale in Richtung Landesregierung in Düsseldorf gesendet. Die sehen Politik und Verwaltung in der Verantwortung, langfristig etwas für die Befriedung des Konfliktes mit den Waldbauern, aber auch für die massiv kritisierte Steuerung des Projektes, zu tun. Dieses Ergebnis war so nicht vorherzusehen.
Mehrheitsfähiger Vorschlag
In seltener Einmütigkeit hat der Umweltausschuss am Donnerstagabend im Siegener Lÿz einen wichtigen Beschluss über die Zukunft des Wisentprojekts in Bad Berleburg gefällt. Nach einer langen Diskussion haben sich Verwaltung und Parteien dabei auf eine gemeinsame Grundhaltung verständigt. Allerdings währte die Einigkeit nicht allzu lange. Grundlage für einen einstimmigen Beschluss war ein am Nachmittag vor der Sitzung eingebrachter Vorschlag der CDU-Fraktion, dem nach einigen wenigen Änderungen auch die Verwaltung um Landrat Müller und den zuständigen Dezernenten Arno Wied sowie die SPD-Fraktion folgen konnten. FDP, Grüne und andere politische Gruppierungen schlossen sich ebenfalls an. So kam ein einstimmiges Votum zustande.
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Beschlussvorschlag im Wortlaut
1. Der Kreistag fordert die Verwaltung auf, alle erforderlichen Schritte einzuleiten, um bis auf weiteres die Fortführung des einzigartigen und europaweit beachteten Wisent-Artenschutzprojekts zu sichern.
2. Zur weiteren politischen Begleitung dieses Projekts und mit dem Ziel einer transparenten sowie möglichst konsensorientierten Problemlösung soll umgehend ein „runder Tisch“ aller bisher am Projekt beteiligten Stellen (insbesondere das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein Westfalen und das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein Westfalen, Kreisverwaltung, Bezirksregierung, Wisentallianz, Trägerverein Wisent-WeltWittgenstein e.V., etc.) zuzüglich von Vertretern des Kreistags (Modell „baubegleitender Ausschuss“) einberufen werden. Die Moderation soll einer sachkundigen unabhängigen Persönlichkeit übertragen werden.
3. Anzustreben ist eine Klärung aller relevanten Fragen zur Fortführung oder evtl. Beendigung des Projekts möglichst innerhalb der nächsten 9 Monate (bis zum 30. September 2023). Bis zu diesem Zeitpunkt soll der Trägerverein gebeten werden, alle notwendigen Managementaufgaben bzgl. der Wisentherde sicherzustellen. fortzuführen, ggf. auf Grundlage eines befristeten Betreuungsvertrages.
4. Dies setzt voraus, dass
a) der Kreis Siegen-Wittgenstein ohne Anerkennung oder dem Widerruf bisheriger Rechtsstandpunkte bis auf weiteres den Trägerverein mit dem weiteren Management der Wisentherde beauftragt und insbesondere zur kurzfristig aufzunehmenden winterlichen Lenkungsfütterung die notwendigen Finanzmittel bereitstellt,
b) die Kreisverwaltung die für ein weiteres Management der Wisentherde erforderlichen Vereinbarungen mit der Bezirksregierung als Obere Naturschutzbehörde herbeiführt, und zwar losgelöst von den teils offenen Rechtsfragen,
c) die Kreisverwaltung vom Land Nordrhein-Westfalen bereit zu stellende Finanzmittel abruft und an den Trägerverein weiterleitet, die Kreisverwaltung an den Trägerverein appelliert, die vom Land NRW bereit gestellten Finanzmittel abzurufen,
d) der Kreis Siegen-Wittgenstein finanzielle Mittel, die noch für das Jahr 2022 bereitgestellt wurden, entsprechend kurzfristig auszahlt und damit die weitere (jedoch befristete (s. o.)) Betreuung der Wisentherde sicherstellt.
Zuvor hatte Landrat Andreas Müller, der in dieser Eigenschaft seit acht Jahren auch Vorsitzender der Steuerungsgruppe des Projektes ist, in einer Einführung noch einmal die Probleme mit Schälschäden, unklarer Finanzierung und unprofessioneller Trägerschaft deutlich gemacht und kam zu dem Schluss: „Eine Befriedung des Konfliktes ist nicht erreichbar.“ Vor diesem Hintergrund hatte der Kreis vorgeschlagen, die Tiere einzufangen, zu gattern und dann an andere Projekte abzugeben. Ein Tötung, wie sie der Trägerverein als letzte Variante vorgeschlagen hatte, stimmte der Landrat nicht zu.
Die gute Nachricht aber war auch: Die Fütterung und Lenkung der Tiere im Winter sind gesichert. Wie Arno Wied erläuterte, könne sich der Trägerverein auch durch seine einseitige Kündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrages nicht einfach aus der Verantwortung stehlen, denn es sei eine halbjährige Übergangsfrist fixiert, in der der Verein weiterhin die Verantwortung für die Tiere trage. Ungeachtet dessen ist die Verwaltung nach wie vor der Auffassung, dass der Verein den Vertrag gar nicht habe kündigen dürfen. Und sicherheitshalber habe man beim Verwaltungsgericht Arnsberg eine entsprechende Verfügung beantragt.
Inzwischen rund 40 Tiere am Rothaarsteig
Geld sei im Übrigen vorhanden, da der Trägerverein bislang die Mittel für das vierte Quartal 2022 beim Land nicht abgerufen habe.
Der Fakt, dass die Betreuung der inzwischen auf rund 40 Tiere angewachsenen Herde durch den Verein zumindest übergangsweise gemanagt werden könne und müsse, ebnete den Weg für die Einigkeit.
Julian Maletz (SPD) unterstrich: „Die Debatte lebt von der Emotionalität. Jeder verbindet etwas mit diesen Tieren. Aber diesen Punkt müssen wir einordnen“, warb Maletz für eine Diskussion darüber, dass das Land mehr in die Pflicht genommen werden müsse und man eigen geeigneteren Projektträger suchen müsse.
Auch Andreas Weigel (FDP) betonte, dass die Politik jetzt die Chance habe darüber zu sprechen“ und eine tragfähige Lösung zu suchen. Das unterstützte auch Lena Schmidt für die Grünen.
Und Herrmann-Josef Droege (CDU), der den Weg zum einstimmigen Vorgehens-Vorschlag unterbreitet hatte, lobte: „Durch die belebende Diskussion ist eine Menge Schwung hineingekommen, der so über Jahre nicht da war.“
Auch Landrat Andreas Müller macht deutlich, nicht gegen das Wisentprojekt zu sein und unterstützte den Kompromissvorschlag, der redaktionell noch nach den Hinweisen der Ausschussmitglieder und der Verwaltung überarbeitet wurde.
Resolution an die Landesregierung
So einstimmig wie im Falle dieses Beschlussvorschlags, über den der Kreistag noch final abstimmen muss, war das Abstimmungsverhalten bei der anschließenden Resolution der SPD-Fraktion nicht mehr, auch wenn Julian Maletz und auch Karl-Ludwig Völkel für ein zusätzliches deutliches Signal in Richtung Landesregierung geworben hatten und das Land auch bei der Erhaltung des Wisentprojektes in der Pflicht sehen. Für die Resolution gab es immerhin Zustimmung. Nur erfolgte diese bei sechs Ja-Stimmen, sieben Enthaltungen und fünf Gegenstimmen. Einig waren sich wiederum alle Ausschussmitglieder, dass man gerne auch den Trägerverein des Wisentprojektes zu Sitzung begrüßt und dessen Einschätzungen gehört hätte. Vom Trägerverein aber war aber niemand im Lÿz. Dass das Thema aber die Bevölkerung zu beschäftigten scheint, machten das gute Dutzend Zuhörer deutlich. Unter den Zuhörern waren neben Medienvertretern auch der Vorsitzende des Fördervereins des Wisentprojektes, aber auch Uwe Lindner und Achim Wickel, die sich gegen den Trägerverein, aber für die Wisente, positioniert haben.