Bad Berleburg. Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg spricht über Klimawandel, die Veränderungen der Forstwirtschaft und Neuerungen an Schloss und Park.
Viel ist in den vergangenen drei Jahren auf Schloss Berleburg passiert. Nach dem Erbstreit und jüngst der Hochzeit von Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg mit Carina Axelsson kommt in und um den größten Forstbetrieb in NRW aber auch das Museum und den Park viel in Bewegung. Im Interview gibt sich der Schlossherr offen, spricht über Klimawandel, den Wald von morgen, Windkraft mit Bürgerbeteiligung und die Ideen des Paares für das Schloss.
Die Borkenkäferplage und der Klimawandel verändern die Forstwirtschaft nachhaltig. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg: Wir stehen nicht vor einem Klimawandel, wir sind mittendrin und dem müssen wir uns stellen. Auch dieses Jahr war so trocken und heiß wie noch nie. Das Bild unserer Wälder verändert sich. Man schaut auf einen Berg mit tollen Fichten und am nächsten Tag stehen da keine mehr, weil wir sie schlagen mussten und im Moment auch noch gutes Geld dafür bekommen. Und wir können sie nicht stehen lassen, weil sie sonst irgendwann umfallen und wir die Verkehrssicherungspflicht haben. Außerdem können wir jetzt auch einen Wandel herbeiführen, wobei man nicht vergessen darf, dass die Fichte in Wittgenstein bleiben wird.
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Die steckt als Samen im Boden und kommt über die Naturverjüngung nach...
Die Rentkammer arbeitet seit zwei Jahrzehnten mit der Naturverjüngung. Wir haben bis vor einigen Jahren noch die Fichte gepflanzt. Das machen wir längst nicht mehr, arbeiten mit Naturverjüngung und haben jetzt die Möglichkeit, andere Baumarten zu Pflanzen. Damit haben wir in den vorletzten Wochen begonnen und sind dabei, im Herbst 150.000 Pflanzen zu setzen. Das ist aber nur der Anfang und wird über Jahre gehen. Kosten pro Jahr: mindestens 1,2 bis 1,5 Millionen Euro.
Welche Baumarten sind das?
Douglasie, europäische Lärche, Küstentanne sind die Nadelholzarten. Bei den Laubholzarten arbeiten wir mit Bergahorn und Roteiche, weil die dem Klima standhalten können, der Bergahorn vor allem in den tiefen, engen Tälern. Und die Fichte nehmen wir einfach mit. Die wird sich dem Klimawandel stellen und anpassen. Übrigens gibt auch die Industrie etwas vor. Wir brauchen die 120-jährige Fichte nicht mehr. Wir sind ein Forstunternehmen und produzieren Holz. Holz ist ein nachhaltiger Werkstoff, aus dem Häuser gebaut werden, die dem Klimawandel und anderen Ereignissen wie Erdbeben standhalten können. Schauen wir auf die alten Häuser, die seit Jahrhunderten stehen. Die sind aus Holz gebaut. Da müssen wir wieder hin. Ich finde es beispielsweise klasse, dass die Stadt Bad Berleburg ein Parkhaus aus Holz bauen möchte. Das ist eine tolle Idee.
Industrie und Bauwirtschaft setzen auf Nadelhölzer. Was macht man aus Roteiche und Bergahorn?
Das ist für die Möbelindustrie. Mit Eiche kann man aber zum Beispiel auch Pfähle für Fundamente herstellen. Schwere Eichenbalken zu nehmen kann ein Haus aber zu schwer machen. Deswegen kam man auf die Fichte, die in der Industrie inzwischen mit Leimbindern sehr effizient verarbeitet wird. Wir stellen uns dem, was verlangt wird.
Ein großes Thema in Wittgenstein ist die Windkraft. Ihr Vater war ein vehementer Gegner von Windkraft im Wald. Für Sie ist das kein Widerspruch. Sie projektieren Windkraft auf Ihren Flächen. Was sagen Sie den Kritikern, die Windräder mit Umweltzerstörung gleichsetzen?
Mein Vater war kein vehementer Gegner. Er war gegen Windkraft, solange wir sie nicht brauchten. Die Dinge haben sich geändert, im Betrieb wie gesellschaftlich. Mit Forst und Holz allein können wir unser Einkommen und die notwendigen Investitionen in den Forst nicht decken. Auch die Stadt Bad Berleburg ist schon sehr früh auf uns zugekommen und hat gefragt, wie wir zur Windkraft stehen. Mein Vater hat damals gesagt, wenn die Atomkraftwerke 2023 abgeschaltet werden und jede Kommune zusehen muss, wie sie ihren Strom bekommt, bin ich bereit, Flächen zur Verfügung zu stellen.
Was ist daraus geworden?
Die Stadt hat dann geplant. Meinem Vater und mir wurden die Pläne vorgestellt. Aber mein Vater hat damals klipp und klar gesagt, dass er Anlagen beispielsweise Richtung Paulsgrund nicht möchte. Eines aber war klar: Sollten wir in eine wirtschaftliche Schieflage kommen - er wusste genau, dass es irgendwann zu einer Kalamität oder Käferplage kommen könnte - dann bauen wir 100 Anlagen, so seine damalige Aussage.
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Und wie stehen Sie dazu?
Ich war nie ein Gegner von Windkraft und jetzt haben wir diesen Fall. Ich habe 61 Mitarbeiter, dazu gehören auch deren Familien. Wir sind ein Familienunternehmen, dem ich verpflichtet bin und ich möchte nicht mehr als die Hälfte meiner Mitarbeiter wegen eines Käfers entlassen, weil wir nur vom Wald leben. Wir haben jetzt die Möglichkeit mit Windkraft zu arbeiten und die gesamte Belegschaft zu halten. Die brauche ich auch, wenn ich die riesigen Kalamitätsflächen wieder aufforsten und pflegen will und zwar tagtäglich.
Windkraft wird immer auch als Zwischenerwerbslösung gesehen. Wie schätzen sie das ein?
Wir werden weiter Forstwirtschaft betreiben, aber wir werden eine Delle von mindestens zehn bis zwanzig Jahren bekommen. Und diese Delle möchte ich mit Windkraft kompensieren.
Sie haben einen Projektierer „Westfalenwind“ ins Boot geholt. Warum haben Sie sich für dieses Unternehmen entschieden?
Es ist ein regionaler Anbieter, der mir empfohlen worden ist. Als ich dann mit Westfalenwind gesprochen habe, war meine erste Frage: Wie geht ihr mit den Bürgern um? Und Westfalenwind hat geantwortet: Die ziehen wir mit. Und die haben dann verschiedene Beteiligungsmodelle in Form von Genossenschaftsmodellen, Bürgerstiftungen und Stromvergütungen vorgestellt. Dann habe ich gesagt: Ihr seid mein Partner. Das war 2020. Und dann habe ich sie gebeten, meinen gesamten Besitz zu projektieren. Und damit sind wir zur Stadt Bad Berleburg gegangen und Westfalenwind hat dort auch die verschiedenen Beteiligungsmodelle vorgestellt.
Trotzdem gibt es Gegenwind...
Ich weiß, der Gedanke kommt nicht überall an. Aber viele unserer Forstflächen sind geeignete Windkraftstandorte fern von Siedlungsbereichen. Zudem werden nicht nur die Stadt Bad Berleburg, sondern auch die Gemeinde Erndtebrück und deren Bürger und Gewerbebetriebe später davon profitieren
Kommen wir zum zweiten Teil. Inzwischen tut sich sehr viel um das Schloss herum. Sie gestalten den Schlosspark neu. Blumenbeete vor der Orangerie waren die ersten Vorboten. Welche gestalterischen Ideen haben Sie noch für den Schlosspark?
Der Park war über Jahrhunderte der große Garten der Familie. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg haben meine Großmutter mit meinem Vater den Park für die Öffentlichkeit geöffnet – bis heute. Mein Vater hat den Park dann weiter gestaltet und eine Lösung mit der Stadt gefunden, die einen Kurpark brauchte. Die Stadt und die WKA haben sich damals an der Pflege finanziell beteiligt.
Ihr Vater hat viel im Park gestaltet?
Ja, das hat er. Man findet viele Parallelen in Sofiero in Schweden. Er hat sich Ideen bei den Großeltern meiner Mutter, beim schwedischen König, geholt. Dort hatte meine Urgroßmutter aus England den Garten gestaltet. Da ist ein Küstenwald mit Rhododendren und Azaleen. Leider ist der Park hier in den letzten Jahren auch durch den Erbstreit vernachlässig worden. Dies ändert sich nun. Meine Frau Carina hat drei Jahre in England gelebt und einen Garten bei ihrem Haus umgestaltet und sich viele Ideen geholt. Sie hat viel über Gärten gelernt, hatte gute Lehrmeister und ist durch England gefahren, um sich Gärten und Parks anzuschauen. Dann hat sie zum mir gesagt, wenn ich nach Hause komme, dann machen wir das in Berleburg und ich habe gesagt: absolut!
Was haben Sie sich überlegt?
Unser Park gehört zu den wenigen in Deutschland, wo sie sich aus der Stadt in den Park und weiter in den Wald bewegen können. Das gibt es sonst nur noch in Bad Driburg. Eigentlich ist auch unser Park ein Wald. Ich möchte den Park, um dies deutlich zu formulieren, nicht umgestalten, sondern erhalten und verschönern. Carina und ich haben uns von unseren Hochzeitsgästen Bäume und Büsche gewünscht. Die werden in den nächsten zwei Jahren gepflanzt. Ich sehe den Park als einen Platz der Erholung und ich möchte verhindern, dass dort inoffizielle Musikveranstaltungen stattfinden und oder Hochzeiten gefeiert werden. Solche Feiern können im Rathauspark stattfinden. Ich möchte, dass die Menschen künftig nicht nur wegen des Schlosses nach Bad Berleburg kommen, sondern weil wir hier mit dem Park, den Bäumen, den Azaleen und Rhododendren sowie einer beeindruckenden Vogelwelt etwas Außergewöhnliches haben.
Auch das Schloss-Museum soll modernisiert werden. Es heißt, dass der Marstall und auch die Schlossschänke dabei eine Rolle spielen. Was haben Sie mit dem Museum vor?
Wir wollen das Schloss noch mehr nutzen. Meine Urgroßeltern haben das Schloss noch komplett genutzt. Wir haben viele Möbel gefunden und Carina hat mit alten Fotoalben meiner Urgroßmutter Nachforschungen betrieben und die Möbel wieder platziert. Und die Kutsche steht jetzt wieder im Marstall, wo sie hingehört. Den Marstall gestaltet Carina gerade so, dass er wieder in einer Außenführung gezeigt werden kann. Es ist doch so, dass bei Führungen über drei, vier Jahrzehnte immer das Gleiche gezeigt und erzählt worden ist. Künftig werden wir wechselnde Ausstellungen haben und ein jeweils interessiertes, ausgewähltes Publikum ansprechen. Wir wollen auch ein Textilarchiv aufbauen. Wir haben so viele Stoffe gefunden, Livreen und Uniformen. Wenn wir die nicht konservieren, sind die für immer verloren. Die Führungen werden dann aber auch nicht mehr für fünf Euro kosten, sondern wir orientieren uns an den anderen Museen und Ausstellungen, also zehn bis 20 Euro. Auch für die „Weihnachtszeitreise“ arbeiten wir an einem neuen Konzept, das im Park und Schlosshof im Advent 2023 hoffentlich viel begeistern wird.
Lassen Sie mich zum Abschluss eines sagen: Wir haben hier in Bad Berleburg rund ums Schloss viele Dinge stets miteinander geteilt. So ist der Große Zapfenstreich im Schlosshof zu Beginn des Schützenfestes auch für mich jedes Jahr ein echter Gänsehautmoment. Diese Traditionen und Verbundenheit werden Prinzessin Carina und ich pflegen und sind stolz darauf, Teil der Gemeinschaft in Bad Berleburg zu sein.