Bad Berleburg. Rüdiger Nebelsieck hat schon den Airbus-Konzern und das Land Hamburg in die Knie gezwungen. Kann er einen Kompromiss für die Wisente erzielen?
Der Donnerstag, 22. September, ist eine entscheidender Tag. In einer Videokonferenz diskutiert die prominent besetzte Steuerungsgruppe des Artenschutzprojektes die Zukunft der frei im Rothaargebirge umherstreifenden Wisente. Wie wichtig und kompliziert die Lage ist, macht eines deutlich. „Alle Vertragsparteien haben sich zu Stillschweigen verpflichtet“, berichtet Rüdiger Nebelsieck. Der Hamburger Staranwalt vertritt die Interessen des Trägervereins des Artenschutzprojektes.
Experte spricht von „sehr schwieriger Phase“ für das Projekt
Nebelsieck gilt als Experte für Verwaltungsrecht und Naturschutzfragen. Sein Name hat Gewicht in der Juristenszene. Und er ist Experte für schwierige Fälle: Er hat Naturschutzverbände erfolgreich bei der Klage gegen die Elbvertiefung 2012 oder 220 Bürger gegen die Verlängerung der Landebahn am Airbuswerk in Hamburg vertreten 2004. Da passt der Rechtsstreit um die 2013 im Rothaargebirge freigelassenen Wildrinder hinein: „Es ist kein Geheimnis, dass das Projekt in einer sehr schwierigen Phase ist“, sagt Rüdiger Nebelsieck. Seit Wochen laufen die Vorbereitungen für eine Konferenz, die den gordischen Knoten durchschlagen und eine Lösung präsentieren soll, mit der die klagenden Waldbauern wie Hubertus Dohle und Georg Feldmann- Schütte aus Schmallenberg, aber auch der Trägerverein des Wisentprojektes mit seinem Vorsitzenden Bernd Fuhrmann leben können. „Ein Tag ohne Videokonferenz mit dem Trägerverein muss noch erfunden werden“, sagt Nebelsieck über den aktuellen Abstimmungsbedarf.
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Videokonferenz ist auch das Stichwort für das Treffen am 22. September. Das findet nicht in Präsenz statt, sondern als Videokonferenz. „Anders wären die Terminkalender aller Beteiligten auch nicht unter einen Hut zu bringen“, sagt der Hamburger, der gerne mit allen an einem Tisch gesessen hätte.
Im Internet sitzen sich dann die Landräte Andreas Müller (Siegen-Wittgenstein) und Dr. Karl Schneider (HSK), sowie Vertreter des NRW-Umweltministeriums der Kommunen Bad Berleburg und Schmallenberg und wohl auch Vertreter weiterer Behörden, der Wisentverein und die klagenden Waldbauern bzw. deren Anwälte gegenüber.
Wie kann das OLG.-Urteil umgesetzt werden?
Im Grunde geht es dann nur noch um eine Frage: Wie kann das Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm umgesetzt werden, dass dem Verein aufgibt die Tiere daran zu hindern auf die Ländereien der klagenden Waldbauern zu laufen und dort Buchen zu schälen. Im Grunde bleiben nur wenige Möglichkeiten übrig.
Auf der Seite der klagenden Waldbauern ist mit Hans-Jürgen Thies, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vizepräsident des Landesjagdverbandes, ein ebenfalls prominenter Rechtsbeistand seit Jahren mit dem Fall betraut. Thies bestätigt ebenfalls, dass sich die Steuerungsgruppe trifft – wie abgesprochen – nannte er aber keine Details. Eines aber wiederholt Thies im Gespräch mit dieser Zeitung: „Wir wollen, dass der Trägerverein uns noch im September einen Zeitplan und einen Maßnahmenkatalog unterbreitet, wie sie die Auflagen aus dem OLG-Urteil umsetzen wollen“.
Thies macht auch deutlich, dass die Kläger wissen, dass Maßnahmen wie das Gattern oder Fangen der Tiere nicht einfach seien und man gegebenenfalls bis zum Winter warten müsse, um die Wisente dann mit Futter locken und lenken zu können. Auf einen konkreten Zeitplan lege man aber wert, so Thies und nennt das Verhalten des Vereins immer wieder „Spiel auf Zeit“.
Tötung ist vom Tisch
Unabhängig davon, was die Steuerungsgruppe über die Zukunft der Wisente im Rothaargebirge entscheidet, hat Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck aber auch eine gute Nachricht im Vorfeld. So viel kann er aus den vertraulichen Verhandlungen durchblicken lassen: „Die letale Entnahme steht nicht zur Diskussion. Eine Tötung kommt für keine der beteiligten Parteien infrage“, sagt Nebelsieck.
Was bleibt dann noch übrig: Zu den prominenten denkbaren Kompromissen gehört ein Großgatter. Das müsste dann aber auf dem Gelände der Wittgenstein-Berleburg‘schen Rentkammer entstehen. Dagegen sprechen zwei Fakten: Schon als die die damalige NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser in Schmallenberg ein Gatter erstmals ins Spiel brachte, um Zeit für eine Lösung des Rechtsstreits zu gewinnen, war klar, dass dies sehr teuer werden würde und es hohe genehmigungsrechtliche Hürden für eine Zaun im Wald bzw. in Naturschutzbereichen/FFH-Gebieten gibt.
Wer will wilde Wisente übernehmen?
Eine weitere Möglichkeit ist, die Tiere im Winter mit Futter in ihr altes Auswilderungsgehege zu locken und dort festzuhalten, bis sich Abnehmer für die Wildrinder gefunden haben. Eine Fanganlage existiert dort ebenfalls bereits. Zoos, Wildgehege oder auch andere Artenschutzprojekte wie in Rumänen könnten dann Abnehmer der Tiere sein. Offen bliebt dann noch die Frage, was mit dem Wisentschaugehege in Wingeshausen passiert.