Wittgenstein. Wittgensteins Bäckermeister kritisieren die Politik. Aber sie fürchten weniger die Energiekrise als andere Faktoren, die auch Kunden Geld kosten.

Der Frühstückstisch ist gedeckt, Kaffeeduft liegt schon in der Luft, jetzt noch schnell zum Bäcker um die Ecke ein paar frische Brötchen holen und man kann entspannt in den Tag starten. Doch werden die Brötchen von nebenan demnächst zum Luxusgut? Die Preiserhöhungen machen auch vor unseren Backstuben keinen Halt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sorgte kürzlich mit seinen Aussagen zu einem möglichen Produktionsstopp aufgrund der steigenden Energiekosten in Bäckereien und weiteren Branchen für Aufruhr. Die unausweichliche Folge wäre eine drohende Insolvenzwelle. Wie steht es um die Bäckereien in Wittgenstein? Wie teuer werden Brot und Brötchen werden? Wir haben nachgefragt.

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Eins ist klar: Die Situation ist definitiv angespannt. Über die Aussagen von Vizekanzler Habeck ärgern sich die örtlichen Bäckereien aber dennoch. Pauschal zu sagen, dass Bäckereien aufhören müssten zu produzieren, so einfach sei das nicht, sind sich die Bäckereien einig. Ein Produktionsstopp bedeutet auch immer einen Einnahmestopp und damit sei niemandem geholfen. Die laufenden Kosten fallen trotzdem an und müssen erwirtschaftet werden.

Marco Frank von der Bäckerei Schwan in Diedenshausen bezeichnet Habecks Aussagen als „bodenlose Frechheit! Das zeugt von wenig Kompetenz“, ärgerte sich der Bäcker, der auch schon mit Kunden über das Thema diskutierte. Auch Hans-Dieter Birkelbach, Geschäftsführer der Bäckerei Birkelbach versteht Habeck nicht: „Die Aussagen sind sehr unpassend. Die ganze Wirtschaft hat zu kämpfen. Das zeigt, dass die Front keine Ahnung hat“.

Größter Sorgenfaktor

In Wittgenstein sind zumindest nicht die Energiepreise der größte Sorgenfaktor. Setzen die Bäckereien Birkelbach und Schwan noch auf Öl und nicht auf Gas. Die Inflation und die grundsätzlich ansteigenden Kosten für Rohstoffe, Verpackungen und Personal bereiten größeres Kopfzerbrechen. Laut Statistischem Bundesamt stieg der Preis für Brot und Getreideerzeugnisse um 17,2 Prozent zum August im Vorjahr. Das ist mehr als doppelt so hoch wie die Inflationsrate insgesamt, die aktuell bei +7,9 Prozent liegt.

Die Inflation macht auch vor den Backstuben nicht Halt: Brot und Getreideprodukte sind im Vergleich zum vergangenen Jahr mehr als 17% teurer geworden. Ein Ende des Preisanstiegs ist noch nicht in Sicht.
Die Inflation macht auch vor den Backstuben nicht Halt: Brot und Getreideprodukte sind im Vergleich zum vergangenen Jahr mehr als 17% teurer geworden. Ein Ende des Preisanstiegs ist noch nicht in Sicht. © Annelie Manche

„Vor allem die Preise für Milchprodukte sind durch die Decke gegangen. Und Preiserhöhungen sind besonders für die kleinen Handwerksbetriebe viel Arbeit, alles muss neu durchgerechnet werden“, erklärte Marko Frank. Zu den gestiegenen Rohstoffpreisen wie Mehl und Milchprodukten kommt aber noch ein weiterer entscheidender Faktor: Der Mindestlohn steigt ab Oktober auf zwölf Euro. Auch wenn die meisten Mitarbeiter bereits mehr als den Mindestlohn verdienen, stellt die erneute Erhöhung Schwierigkeiten dar. Langjährige Mitarbeitet möchten gerne besser honoriert werden, als diejenigen, die gerade erst einsteigen. Das zieht zwangsläufig weiterer Lohnsteigerungen mit sich. „Mindestlohn und Lohnerhöhung sind Kosten die zu den teureren Rohstoffen noch oben drauf kommen. Die IG Metall will acht Prozent mehr Lohn, da werden weitere Branchen schnell folgen“, ist sich Marco Frank sicher. Zusätzliches Personal wäre außerdem hilfreich, doch möchten die Betriebe niemanden einstellen, dem sie langfristig keinen sicheren Arbeitsplatz bieten können.

Preiserhöhungen

Um Preiserhöhungen kommt man da wohl nicht herum. „Man muss die Preise erhöhen, aber der Kunde hat auch kein Geld mehr in der Tasche. Auch das Kaufverhalten verändert sich: Wer sonst täglich einkaufen war, kommt jetzt nur noch zwei- bis dreimal die Woche“, so Hans-Dieter Birkelbach.

„Man macht sich mittlerweile nur noch Gedanken über die Zukunft“, sagte Marco Frank. Ein Lösungsansatz wäre kostengünstiger zu produzieren. Wie kann das aussehen? „Man könnte zum Beispiel das Nussbrot vom Markt nehmen. Nüsse sind generell sehr teuer und rechnen sich oft nur durch eine Mischkalkulation. So lassen sich Kosten sparen“, erklärte der Diedenshäuser weiter.

Sorgen um die Zukunft

Mit sieben Filialen in Wittgenstein ist die Bäckerei Birkelbach breit aufgestellt, Sorgen um die Zukunft macht man sich trotzdem. „Eventuell muss man sich auf die großen Filialen fokussieren und die Öffnungszeiten anpassen“, erklärte Hans-Dieter Birkelbach und zeigte sich kämpferisch: „Wir sind seit 150 Jahre im Familienbetrieb und die nächste Generation steht in den Startlöchern. Schließen möchten wir auf keinen Fall, wir versuchen durchzukommen“.

Erst die Corona-Pandemie, jetzt die Inflation durch den Ukraine-Krieg. Ein Ende der Preissteigerungen ist bisher nicht in Sicht. Hilfen oder Entlastungen durch die Politik wünschen sich die Wittgensteiner Bäckereien, nicht nur plakative Aussagen zur Situation, denn die Anspannung ist bei allen spürbar.

„Wir träumen von Zahlen wie vor Corona!“ Hans-Dieter Birkelbach, Bäckerei Birkelbach

Wie sich die Situation entwickelt, werden wir sehen. Hoffen wir, dass wir auch in Zukunft noch die Möglichkeit haben schnell frische Frühstücksbrötchen beim Bäcker um die Ecke zu bekommen.