Wittgenstein. Ein Testanbieter aus Berleburg und eine Apothekerin aus Erndtebrück erklären, warum sie bis Oktober auf ihre Gelder warten müssen

Mehr Aufwand, viel Bürokratie – aber kein Geld. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) schlägt Alarm – und auch die Apotheken und Teststellen in Wittgenstein werden für ihre Arbeit aktuell nicht vergütet. Woran das liegt und ob die Testangebote trotzdem wie gewohnt erhalten bleiben? Unsere Redaktion hat bei zwei lokalen Anbietern nachgefragt.

Die Betreiber sind bei der Anrechnung abhängig von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KV), die die Abrechnungen in Rücksprache mit der Politik auch weiterhin betreuen wird. Das sei zu Beginn der neuen Testverordnung noch unklar gewesen. Nun aber haben sich das Bundesgesundheitsministerium und die Verneinung darauf einigen können. Der Inhaber des Testzentrums „Am Nordkoten“ in Bad Berleburg, Thomas Decker, berichtet, dass der Juni noch ganz normal von der KV abgerechnet wurde. Da sich aber aufgrund der neuen Testverordnung die Vergütung zum 1. Juli geändert hatte, sei eine Abrechnung der seitdem getätigten Leistungen nicht mehr möglich.

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Die Begründung: „Da das Bundesgesundheitsministerium noch nicht die vereinbarten Veränderungen in der Testverordnung umgesetzt hat und es somit auch keine gültigen Vorgaben zum Abrechnungsverfahren ab dem 1. Juli gibt, ist es nicht möglich die Abrechnungen und die erbrachten Leistungen zu vergüten“, heißt es in einem Schreiben, das Decker von der KV vorliegt. „Das aktuelle Chaos liegt an der Abrechnung über die KV Westfalen-Lippe, denn die können im Moment die Abrechnungen noch nicht vornehmen. Das wird sich ein paar Wochen stauen, bis wir da das Geld für unsere Leistungen erhalten“, erklärt Andrea Wohlert, Apothekerin und Inhaberin der „Arkaden Apotheke“ in Erndtebrück und der „Center Apotheke“ in Bad Laasphe, die Lage. Das Problem: Derzeit gibt es keine politische Grundlage für das neue Abrechnungsverfahren und die Vergütung.

Wittgenstein: Nachfrage ist eingebrochen

Allerdings stünde laut Decker in der neuen Testverordnung ganz klar drin, dass die Teststellen ab sofort weniger Geld bekommen „Das sind ungefähr 20 Prozent weniger.“ Dazu käme noch, dass seine Teststelle circa 20 Prozent weniger Tests in der letzten Zeit durchgeführt habe, da die Nachfrage im Juli wegen der Zuzahlungen weiter eingebrochen sei. Viele würden sich wegen den Gebühren nicht mehr mal eben so freiwillig vor Arbeitsbeginn testen. „Da kann sich dann jeder ausrechnen, wie wirtschaftlich das Betreiben eines Testzentrums aktuell ist“, sagt Decker. „Das ist für uns mal wieder eine schwierige Situation. Wir finanzieren im Moment die Löhne für unsere Mitarbeiter, die Raummiete und die Tests, die nicht kostengünstig sind, vor.“

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Aber wann ist denn mit einer Erstattung zu rechnen?„Normalerweise hätten wir Anfang August die Abrechnung für Juli einreichen können, das ging aber noch nicht, weil die Eigenbeteiligungen für die Bürger noch nicht abgerechnet werden können“, erklärt Wohlert. Die Abrechnungssoftware der KV müsse dahingehend noch programmiert werden. „Wenn wir jetzt Glück haben, wird es ab dem 1. oder 2. September wieder möglich sein, Abrechnungen für die Monate davor zu übermitteln“, schildert Decker. Das bestätigt auch Andrea Wohlert. „Ich denke, dass sich das bis spätestens Oktober geregelt hat. Wir warten aktuell auf eine Mitteilung, wie und wann wir unsere Daten übermitteln können.“

Es gäbe auch immer nur die Möglichkeit, an den ersten beiden Tagen des Folgemonats die Abrechnungen einzureichen. Wenn die Betreiber das nicht machen, erhalten sie für den Monat kein Geld, so Decker. Die Erstattung erhalten die Betreiber aber immer erst am Ende des Monats. „Wir rechnen damit, dass es frühstens Ende September zu den ersten Erstattungen kommen wird. Bis dahin haben wir dann den Testbetrieb für Juli, August und den ganzen September erstmal aus unseren Rücklagen finanziert“, erklärt der Teststellen-Betreiber weiter. Diesen Zeitraum könne die Teststelle ohne Erstattungen grade so überbrücken. „Anschließend hoffen wir, dass wieder ein bisschen Geld kommt, denn wenn wir noch bis in den Oktober warten müssen, könnte es irgendwann eng werden“, erzählt Decker. Die Teststelle „Am Nordknoten“ soll aber erstmal mit den gewohnten Öffnungszeiten in Betrieb bleiben.

Wittgenstein: Der Herbst kommt wieder näher

Wie lange Apothekerin Andrea Wohlert die Zeit ohne Erstattung überbrücken kann, hänge von der Nachfrage ab. Während der Sommerferien sei die Nachfrage nicht sehr hoch gewesen. „Das wird sich aber je näher wir auf die Erkältungszeit im Herbst zugehen wieder ändern. Wir haben ja bereits im letzten Jahr gesehen, dass die Corona-Zahlen im Herbst wieder hochgegangen sind“, sagt die Apothekerin. Wenn man sich wieder mehr in Innenräumen aufhalte, werde das Virus eben schneller übertragen.

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Wenn bis dahin die anfallenden Kosten nicht erstattet werden, könne das dann irgendwann zum Problem werden, aber bei der momentan niedrigen Nachfrage sei das Testen für Wohlert erstmal noch machbar. Die Teststellen ihrer Apotheken in Erndtebrück und Bad Laasphe bleiben daher auch weiterhin geöffnet: „Da wird sich nichts daran ändern.“ Im Gesundheitswesen auf Geld warten zu müssen, sei auch nichts Neues für die Apothekerin: „Das ist nichts Ungewöhnliches. Bei anderen Dingen wie Nadeln oder Thrombosestrümpfen muss ich auf die Erstattungen auch länger warten.“

Wittgenstein: Die Forderungen der Teststellen-Betreiber

Decker verlangt mehr Klarheit von der Politik: „Wir würden uns wünschen, dass endlich mal jemand Farbe bekennt und sich dementsprechend dafür verantwortlich fühlt. Wir mussten über Nacht eine neue, sehr komplizierte Verordnung interpretieren und umsetzten (wir berichteten). Aber die KV habe Monate Zeit, sich umzustellen. Es sind bereits sechs Wochen vergangen und es konnte noch immer nicht geklärt werden, wie das künftig mit den Abrechnungen funktionieren soll“, ärgert sich der Teststellen-Betreiber.

Es sei wie so oft während der Pandemie für die Teststellenbetreiber: „Zuerst werden Entscheidungen gefällt, bevor diejenigen, die diese dann umsetzen müssen, gefragt werden, ob das so überhaupt machbar und sinnvoll ist“, sagt Wohlert. „Klar muss man manchmal schnell handeln, aber es kommt mir so vor, dass oft auch einfach überstürzt von heute auf morgen gehandelt wird und wir, die das umsetzten müssen, mit den neuen Regelungen erstmal im Regen stehen gelassen werden.“ Natürlich pendele sich das ein, man probiert aus und es fänden sich Lösungen, aber eine gute Absprache sehe anders aus.

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Apothekerverband fordert die Überarbeitung der „wenig gelungen“ Testverordnung

Die Teststellen müssen derzeit für Material-, Personal- und Raumkosten in Vorlage gehen – ohne zu wissen, wann sie dies erstattet bekommen“, so Dr. Christof Werner, Vorsitzender der Bezirksgruppe Siegen-Wittgenstein des Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). „Die Apotheken sind sich ihrer Verantwortung bewusst und halten ihre Teststellen geöffnet, um weiter ihren Beitrag zum Schutz der Bürger und zur Eindämmung der Pandemie zu leisten.“

Klar sei aber auch, dass sie einen Auszahlungsstopp höchstens kurzfristig überbrücken könnten. Mit Blick auf eine Herbstwelle und einen weiteren Corona-Winter dürfe man jedoch kein Risiko eingehen, dass weitere Teststellen geschlossen werden müssen. Zumal die Politik neue Corona-Regeln plane – etwa für den Restaurantbesuch – die die Nachfrage nach den Tests absehbar wieder steigen lasse. „Die Bundesregierung muss hier umgehend handeln und Klarheit schaffen“, fordert Thomas Rochell, AVWL-Vorstandsvorsitzender.

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„Noch besser wäre allerdings, sie würde die gesamte, wenig gelungene Testverordnung noch einmal überarbeiten.“ Denn es bedeute einen enormen Aufwand, die Nachweise zu kontrollieren, ob ein Bürger Anspruch auf einen kostenfreien oder subventionierten Test habe. „Fragt ein Bürger nach einem Test mit der Begründung, dass er noch am gleichen Tag Kontakt zu einer Person über 60 Jahre habe, ist die letztlich gar nicht zweifelsfrei zu prüfen. Das ist eine Farce“, bemängelt Thomas Rochell.