Bad Berleburg. 49. Internationale Musikwoche: Cellist Jan Vogler und Pianist Martin Stadtfeld zeigen auf ihre eigene Art ein musikalisches Meisterwerk.
„Komm mir nicht mit diesem Namen!“ Recht brüsk soll Robert Schumann seiner Frau Clara einmal entgegnet haben, bloß nicht von Beethoven zu reden. Obschon der Nachgeborene von ihm gelernt, ihn verehrt hat. Begegnet sind die beiden Komponisten – der ältere, Jahrgang 1770, in Bonn geboren, der jüngere, Jahrgang 1810, nahe Bonn gestorben – einander nicht; und doch darf, kann, sollte ihr Werk aufeinander bezogen werden. Genau das unternehmen der Cellist Jan Vogler und der Pianist Martin Stadtfeld mit ihrem Programm „Fantasiestücke“, das Werke für Cello und Klavier von Robert Schumann und von Ludwig van Beethoven (im Konzertverlauf jeweils in genau dieser Reihenfolge!) zueinander stellt. So hallt das oder auch der eine im anderen nach: die vergleichsweise späten kleinen Formen Schumanns und zwei der fünf Beethoven’schen Sonaten für Cello und Klavier.
Mit diesem Konzept begeisterten Jan Vogler und Martin Stadtfeld am Donnerstag beim dritten Konzert der 49. Internationalen Musikfestwoche auf Schloss Berleburg. Die beiden Musiker schufen dabei ein Ganzes, das sich potenzierte aus dem, was sie jeweils für sich mitbrachten: einen enormen musikalischen Gestaltungswillen, die Kunst, sowohl technisch als auch interpretatorisch etwas auszusagen und damit das Publikum regelrecht zu packen, dazu das Vermögen, mit wenigen Worten den Zusammenhang von Schumann und Beethoven zu beleuchten.
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Im angekündigten „interessanten musikalischen Mix“ des diesjährigen Festivals bot dieser Abend den Freundinnen und Freunden der klassischen Musik ein ganz großes Vergnügen – und für manche von ihnen die Gelegenheit eines Wiedersehens. Denn der im Westerwald aufgewachsene Pianist Stadtfeld war vor zehn Jahren schon einmal auf Schloss Berleburg umjubelter Gast: damals, 2012 beim 40-Jährigen der Musikfestwoche (noch unter der Ägide von Luz Leskowitz), mit „Bach total“ und mit Mendelssohn.
Schumann und dessen Fünf Stücke im Volkston
Nun also zunächst Schumann und dessen Fünf Stücke im Volkston für Violoncello und Klavier, op. 102, fünf Charakterstudien, in denen sich das kompositorische Vermögen des oft so hin- und hergerissenen Romantikers verdichtet und mit denen Jan Vogler gleich zum Auftakt des Berleburger Konzert zeigen kann, welche klangliche Variabilität sein Cellospiel hat: vom fast spröden Ton des ersten Stücks („Mit Humor“) über den runden, warmen „Gesang“ in den drei eher langsameren Miniaturen bis zum fast wüsten, zupackenden Klang im fünften Stück („Stark und markiert“). Martin Stadtfeld unterstreicht am Flügel die enorme Dynamik, die sich im Verlauf dieser pointierten musikalischen Geschichtchen entfaltet.
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Ähnliches gilt für Schumanns Fantasiestücke, op. 73, gleichfalls in jenem so für Schumann produktiven Jahr 1849 entstanden. Auch hier wird klar, dass mit Jan Vogler und Martin Stadtfeld zwei Musiker das Podium bespielen, die einander ebenbürtig sind, zwei Könner, die miteinander können.
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Künstlerisch wird ihr fast blindes Verständnis noch offenbarer in den Cello-Klavier-Sonaten von Ludwig van Beethoven, zunächst jener in g-Moll. Hin und her wechseln die Motive, hin und her auch die Rolle des Führens und Begleitens, es entwickelt sich ein vorwärtsdrängender „Drive“, umso wirkungsvoller, als auch die Pausen mit enormer Spannung gefüllt sind, es ist eine emotionale Bewegtheit im Raum, ein Ganz-oder-gar-Nicht, das beim Zuhören beinahe von den Sitzen reißt. Mehr geht nicht, oder doch?
Beethovens Meisterwerk für Cello und Klavier
Aber ja, denn die A-Dur-Sonate, womöglich Beethovens Meisterwerk für Cello und Klavier, sollte tatsächlich einen noch intensiveren Sog entfachen. Regelrecht orchestral wirkt diese Musik im Duett, wunderschön sind die traumseligen Klavierpassagen, wie hingetupft, nichts, aber auch gar nichts geschieht zufällig oder beiläufig. Stadtfeld/Vogler treiben einander an und voran, sprechen die gleiche Sprache und wissen genau auch um den Effekt. Sie zelebrieren dieses Werk aus Beethovens erfolgreichster und unabhängigster Zeit, sie feiern das Genie und das kongenial.
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Am Ende verharrt der letzte Ton in der Luft. Es folgen Stille … und Applaus! Weil Beethoven in seiner A-Dur-Sonate Bach zitiert, geben Jan Vogler und Martin Stadtfeld Bach zu: den langsamen Satz aus der Sonate G-Dur. Wer das gesamte Werk hören möchte: 2009 haben der Cellist und der Pianist die Gambensonaten des barocken Meisters für Sony Classical herausgebracht. Mehr Bach gibt es am Sonntag im Schloss – mit „Bach & Sons“.
Am Samstag gastiert das Figura Ensemble Kopenhagen bei der Musikfestwoche in Bad Berleburg. Ab 19.30 Uhr ist dessen musikalische Reise in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts im Bürgerhaus Bad Berleburg zu erleben. Beim Festivalfinale am Sonntag (18 Uhr, Schloss Berleburg) ist der künstlerische Leiter der Musikfestwoche wieder mit von der Partie: Sebastian Knauer (Klavier) spielt gemeinsam mit Massimo Mercelli (Flöte) und Gabriel Adorján (Violine) sowie dem Ensemble Berlin Soloists Werke von Johann Sebastian Bach und dessen Söhnen. Für die beiden letzten Konzerte der Musikfestwoche gibt es noch Karten – an der Tourist-Info und der Abendkasse. Und weil nach der Musikfestwoche vor der Musikfestwoche ist: Das 50-Jährige soll in der ersten Juli-Woche 2023 gefeiert werden.