Bad Berleburg. Musikfestwoche in Bad Berleburg startet mit ausverkauftem Haus. Ausnahmepianist Sebastian Knauer begleitet Lesung vor königlicher Schirmherrin.

Sie sind miteinander verwoben: die Lebensgeschichten der Sängerin und des Komponisten. In dieses Geflecht mischen sich weitere Farben: von anderen Musikern, Interpreten, Schriftstellern. Und so entsteht ein Bild, ein Gemälde fast, romantisch im besten Sinne, ein Porträt zweier verwandter Seelen vor dem Hintergrund eines mitten in Europa blühenden kulturellen Geschehens. Erzählt wird von Felix Mendelssohn Bartholdy, 1809 in Hamburg geboren, und von der Stockholmer Sopranistin Jenny Lind, elf Jahre jünger als der Maestro und diesem nach der ersten Begegnung völlig verfallen. Die Liaison zwischen der Sängerin und dem Komponisten/Dirigenten/Pianisten/Organisten ist eine, die nicht sein darf, denn Mendelssohn ist verheiratet, mehrfacher Vater, immer am Rande seiner Kräfte. Ob er ihre Liebe erwidert? Vielleicht. In jedem Falle hat Mendelssohn die Lind bewundert, die „schwedische Nachtigall“, gefeiert in Berlin, Leipzig, Wien, London oder Aachen.

Atmosphärisch dichtes Konzert

Erzählt wurde die Geschichte von Felix und Jenny am Montag beim Eröffnungsabend der 49. Internationalen Musikfestwoche auf Schloss Berleburg. Das atmosphärisch dichte Konzept verband O-Töne der Sopranistin und ihrer Zeitgenossen mit Klavierwerken des Tonsetzers. Dabei gab die Schauspielerin Hannelore Hoger (u.a. „Bella Block“) der Sängerin Jenny Lind eine Stimme; am Flügel unterstrich der Pianist Sebastian Knauer das Gesagte (und auch das Ungesagte!) mit Musik. Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ zogen sich konsequent durch das Programm, sie kommentierten und/oder erwiderten die mal sachlichen Beschreibungen der Lind, mal ihre mädchenhaften Schwärmereien, ihr Glück und ihre Trauer, ihr Fühlen, Sehnen, Sorgen. Manchmal nahm die Musik den Faden des Gesprochenen ganz unmittelbar auf, wie beim titelgebenden „Auf Flügeln des Gesanges“. Später wird es erneut ein Gedicht von Heinrich Heine sein, das diesen Zustand einer fernen Nähe ganz wunderbar beschreibt: „Leise zieht durch mein Gemüt liebliches Geläute; klinge, kleines Frühlingslied, kling hinaus ins Weite …“ Und auch das Lied der Lore-Ley ist zu hören, in Verbindung mit dem herrlich wiegenden Gondellied in A-Dur.

Das Publikum im Schloss (endlich wieder!) folgt der Darbietung aufmerksam, durchaus bewegt, manchmal auch ein wenig amüsiert, denn die gelegentlich lakonische Tonart des Erzählerinnen-Ichs hat, bei aller Tragik, mitunter auch etwas Heiteres. Mit leichter Hand, aber enormer Tiefe verbindet Texter Wolfgang Knauer das auf die Mitte des 19. Jahrhunderts konzentrierte innere und äußere Geschehen mit einem Was-sonst-noch-geschah: der Besuch des ganz jungen Mendelssohn bei Johann Wolfgang von Goethe, die Wiederentdeckung von Johann Sebastian Bach, das Ringen um eine eigene Oper, die Schöpfung des Oratoriums „Elias“, die Begeisterungsstürme in den Musikmetropolen jener Zeit – und: die Zugewandtheit des dänischen Komponisten Hans Christian Andersen, der sich nach Jenny Lind verzehrte, vergebens.

Hommage an die Gastgeberin

Nach drei Jahren zurück im Schloss

Nach drei Jahren ist die Internationale Musikfestwoche wieder zurück auf Schloss Berleburg. Andreas Wolf, Vorsitzender der veranstaltenden Kulturgemeinde, dankte in seiner Begrüßung für die „jahrzehntelange Gastfreundschaft“ der Familie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg und hier namentlich IKH Prinzessin Benedikte. Ein besonderes Willkommen galt Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, der Landtagsabgeordneten Anke Fuchs-Dreisbach und der Mäzenin Barbara Lambrecht-Schadeberg.

Wie sehr sich die Musikfestwoche auf eine „Zusammenführung der Genres“ zubewegt hat, zeigt das ausverkaufte Konzert am heutigen Mittwoch u.a. mit Johannes Strate von der Band Revolverheld.Am Donnerstag, 7. Juli, geht es ganz klassisch zu: Jan Vogler (Cello) und Martin Stadtfeld (Klavier) spielen ab 19.30 Uhr Werke von Schumann und Beethoven.

Ticket-Info unter Tel. 02751/9363-542

Mit seinem Märchen „Des Kaisers Nachtigall“ beginnt Hannelore Hoger ihre Rezitation und damit mit einem ganz zarten Stück schönster literarischer Kunst: „Da klang auf einmal vom Fenster her der herrlichste Gesang ….“ Solches wirkt auch wie eine Hommage an die im dänischen Königshaus beheimatete Schirmherrin der Musikfestwoche, IKH Prinzessin Benedikte. Auch wenn an diesem Abend in Bad Berleburg nicht gesungen wird, scheint es doch, als wäre die Schauspielerin, die da auf dem gut gepolsterten Stuhl am kleinen Tischchen liest, diese Sängerin, deren eigenes Märchen kein glückliches Ende nimmt. Als „ihr“ Felix am 4. November 1847 in Leipzig mehreren Schlaganfällen zum Opfer wird, ist für Jenny Lind „die Welt gestorben“. Noch einmal erklingt ein „Lied ohne Worte“, dann folgt Mendelssohns Klavierstück g-Moll, einem Abspann gleich, mit dem Sebastian Knauer das Publikum höchst virtuos zurückholt ins Hier und Jetzt.

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Dort ist es dem Pianisten nach dem lang anhaltenden Applaus des Publikums für sein so einnehmendes Musik-Text-Duett mit Hannelore Hoger wichtig, eine ganz persönliche Zäsur zu setzen: Mit zwei Werken von Johann Sebastian Bach – einer Sarabande und dem „Wohl mir, dass ich Jesum habe“ – gedachte er des im April plötzlich verstorbenen Weggefährten Johannes Röhl. Es sei für ihn eine Freude gewesen, bei seinem Antritt als künstlerischer Leiter der Musikfestwoche auf Schloss Berleburg „auf einen Röhl“ zu treffen. Seien doch sowohl sein Vater, Wolfgang Knauer, als auch des Forstdirektors Vater, Uwe Röhl, durch die gemeinsame Arbeit für den NDR eng miteinander verbunden gewesen. Dass nun er der Letzte dieses Quartetts sei, der noch lebe, mache ihn traurig, so Sebastian Knauer, zu Tränen gerührt. Er widmete seine Danke-Rose und seine Musik dem einstigen Leiter der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer. Kostbare Momente!