Wittgenstein. Wittgenstein erlebt einen der größte Bevölkerungsrückgänge in ganz NRW. Nur eine der drei Kommunen schwimmt gegen den Strom

Der Rückgang der Bevölkerungszahlen ist vor allem für kleinere Kommunen ein Problem. Während die Großstädte leicht zulegen, rechnen Statistiker in den kleinen und mittleren Gemeinden wie auch Städten Nordrhein-Westfalens in den nächsten Jahren mit einem Bevölkerungsabbau. Für den Kreis Siegen-Wittgenstein erwartet das Statistische Landesamt einen der höchsten Rückgange mit 8,5 Prozent bis 2050. Aber wie gehen die Kommunen mit dieser Prognose um und was tun sie, um dem Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken. Unsere Redaktion hat bei den Verwaltungen nachgefragt.

Maßnahmen Wittgensteiner Kommune Erndtebrück

Die Verwaltung der Gemeinde hält die Prognose vom Statistischen Landesamt für ernstzunehmend. Es sei ein zusätzlicher Grund, die eigene Kommune attraktiv und zukunftsfähig zu gestalten. Dennoch: „Aus Sicht der Verwaltung ist die Prognose kein unausweichliches Szenario.“ Im Jahr 2020 sei Erndtebrück in Südwestfalen die Gemeinde mit dem größten Bevölkerungswachstum, in Relation zur Einwohnerzahl gewesen. „Es konnten mehr als 300 Neubürger begrüßt werden. Was ein klares Indiz dafür ist, dass Vorhersagen nicht eintreten müssen“, so das Rathaus. Die Einwohnerstatistik zeige in den vergangenen Jahren eine stabile Entwicklung. „Die Gemeinde hat gute Arbeitgeber und daraus resultierend eine hohe Zahl an Berufspendlern. Das Angebot auf dem Immobilienmarkt und die Nachfrage im Bereich des Mitwohnraumes ist groß, was zeigt, dass Erndtebrück ein sehr beliebter Wohnort ist.“

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Die Infrastruktur, nicht nur im Bildungssektor, lasse sich aber nur dauerhaft erhalten, wenn sie ausreichend genutzt wird. Aktuell sieht die Verwaltung da keine Probleme: Erst vor kurzem sei mit der Klima-KiTa eine weitere Kindertagesstätte in Betrieb genommen worden, weil die Kinderanzahl dies erforderte. Auch die Schulen in der Edergemeinde verzeichnen stabile Schülerzahlen. Laut dem Schulentwicklungsplan steigt die Schülerzahl bis 2034 weiter an.

Darüber hinaus gäbe es eine starken Nachfrage bei Bestandsimmobilien und der Ausweisung von Neubauflächen. „Das letzte Baugebiet war unmittelbar nach Rechtskraft des Bebauungsplanes ausvermarktet.“ Letztlich gehe es darum, ein attraktives Angebot für möglichst viele Bevölkerungsschichten zu schaffen. Die Verwaltung sei bestrebt, Erndtebrück in all diesen Teilbereichen stetig weiter zu entwickeln und zukunftssicher zu gestalten.

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Maßnahmen Wittgensteiner Kommune Bad Berleburg

„Uns war und ist bewusst, dass die Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs und die zunehmende Alterung, Ortschaften in ihrem Charakter und ihrer Struktur nachhaltig verändern“, so Timo Karl, Pressesprecher der Stadt Bad Berleburg. Die Verwaltung begegne dem Trend: „Wir orientieren uns an der Bewältigung der demografischen Herausforderungen – mit dem Ziel, Bürgern, aber auch Unternehmen ein Wohnen und Wirtschaften in den Ortschaften zu ermöglichen.“

Durch ein attraktives Kinderbetreuungs-, Schul- und Ausbildungsangebot wolle die Verwaltung Familien in der Stadt halten und neu gewinnen. Mit dem Standortpaten-Netzwerk, das die Stadt gemeinsam mit dem Jugendförderverein initiiert und mit zahlreichen Unternehmen permanent weiterentwickelt habe, gelinge es Fachkräfte und damit einhergehend junge Familien zu einer Rückkehr oder einem Umzug nach Bad Berleburg zu gewinnen, so Karl weiter. Zusätzlich will sich die Stadt Bad Berleburg als moderne Kurstadt sowie als Gesundheits- und Tourismusstandort etablieren.

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Außerdem wichtig, um dem Trend gegenzusteuern, sei eine aktive Willkommenskultur. „Diese soll allen Menschen, insbesondere Schutzsuchenden, ermöglichen, dauerhaft ein menschenwürdiges Leben in Bad Berleburg zu führen“, betont Karl. „Weitere Faktoren, um den Trend dauerhaft umzukehren, sind die Stärkung der wirtschaftlichen Basis der Stadt und die permanente Verbesserung der Grund- und Nahversorgung in den Ortschaften“, erzählt Karl. Im Zuge einer Grund- und Nahversorgungsoffensive fördert die Stadt derzeit die Gestaltung des kulturellen Lebens und der Freizeitgestaltung für alle Generationen.

Maßnahmen der Wittgensteiner Kommune Bad Laasphe

Bereits aus dem Demografiebericht des Kreises Siegen-Wittgenstein (Stand 2021) geht deutlich hervor, dass sich die Bevölkerung in Bad Laasphe bis 2039 um 13 Prozent verringern wird. „Dies zeigt einmal mehr den Handlungs- und Steuerungsbedarf im ländlich strukturierten Wittgenstein“, sagt Ann Kathrin Müsse, Pressesprecherin der Stadt Bad Laasphe. Dabei seien die Ausweisung von weiteren Flächen für Gewerbe und Wohnen wesentliche Handlungsfelder. Allerdings bleibe abzuwarten, ob die Prognose in diesem Maße tatsächlich eintreten wird. Gründe für den Rückgang sieht Müsse zum einen in dem relativ hohe Anteil älterer Altersgruppen in Wittgenstein. Die kreisweit niedrige Kinderzahl verstärke diesen Effekt. Aber auch die mangelhafte fachärztliche Versorgungsstruktur, fehlende Verkehrsanbindungen sowie die ausbaufähigen Freizeit- und Kulturangebote beeinflussen den Bevölkerungsrückgang.

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Generell seie die kommunale Infrastruktur in der Daseinsvorsorge für Kindergärten, Schulen, öffentliche Anlagen (Straßen, Plätze, Entwässerung) und Schwimmbäder auch bei sinkenden Bevölkerungszahlen weiterhin vorzuhalten, so Müsse. „Im Ergebnis bedeutet das, dass der Kostenblock langfristig von immer weniger Bürgern getragen werden muss.“ Damit eine nachhaltige Korrektur der Bevölkerungsentwicklung eintrete, seien mehrere Generationen und Zeit erforderlich, erläutert Müsse weiter. „Neben dem Erhalt der Bestandsunternehmen ist die Ausweisung neuer Gewerbeflächen ein wichtiges Struktur- und Steuerungselement, um Betriebserweiterungen oder Neuansiedlungen zu ermöglichen“, betont Müsse. Sie geht davon aus, dass sich durch eine verbesserte Breitbandversorgung auch der digitale Standortnachteil nach und nach verringert.

„Die Stadt Bad Berleburg hat eine umfassende Digitalisierungsstrategie für alle Bereiche entwickelt, die das Leben im Stadtgebiet nachhaltig optimieren soll – privat und beruflich, für alle Generationen“, sagt Karl. Aktuell betreibe man einen flächendeckenden Glasfaserausbau des sogenannten BLB-Netzes. Auch für Erndtebrück ist der Ausbau der technischen Infrastruktur und Breitbandversorgung ein wesentlicher Faktor. Von dem erweiterten Home-Office-Angebot habe die Gemeinde im Zuge der „Suburbanisierung“ profitiert. „In der Edergemeinde ist gerade im Vergleich zu den Großstädten finanzierbarer Wohnraum zu finden und Neubürger können mit Ihren Familien in direkter Nähe zur Natur leben“, erklärt das Rathaus.

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Zusammenarbeit der Wittgensteiner Kommunen

Alle drei Kommunen stärken nicht nur die Arbeits- und Bildungsstandorte, Freizeit- und Kulturangebote, sondern fördern als weiche Faktoren das Gemeinschaftsgefühl und den Zusammenhalt in den Ortschaften. „Die Region muss sich als touristisch und wirtschaftlich attraktiver Standort präsentieren. In diesen Bereichen arbeiten die drei Kommunen im Rahmen des Zweckverbands Region Wittgenstein bereits eng zusammen“, erklärt Müsse. Diese Zusammenarbeit müsse aber weiter ausgebaut und gefördert werden.

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Mit dem Industriepark Wittgenstein hätten die drei Kommunen bereits erfolgreich ein strategisches Gewerbeflächenmanagement umgesetzt. Aber auch die Verkehrsinfrastruktur von Straße, Bus und Bahn müsse deutlich attraktiver werden. „Die geplante Direktverbindung zwischen den Universitätsstädten Marburg und Siegen, oder auch die Route 57 können dafür einen positiven Beitrag leisten“, hofft Müsse.