Horta/Bad Berleburg. Über den wild peitschenden Atlantik segeln – Kilian Hof ist seit Wochen auf dieser abenteuerlichen Tour. So actiongeladen war die letzte Etappe.

Das Schiff reitet souverän jede noch so große Welle auf und ab. Diesmal geht es für den Bad Berleburger Kilian Hof und die Crew des Segelschiffes zurück nach Europa – genauer gesagt nach Horta auf den Azoren. Was er auf der Überfahrt erlebt hat, berichtet er im Folgenden.

„Wir starten unsere zweite Überquerung des Atlantiks, dieses mal von West nach Ost, am 30. April und das kurzfristige Ziel lautet, den Golf von Mexiko zu durchqueren. Nicht die leichteste Aufgabe, da die vorherrschenden Winde zumeist aus nordöstlicher Richtung kommen. Wir kämpften also zunächst mühsam gegen den Wind, werden aber schon bald von Ausläufern des Golfstroms gepackt und in die richtige Richtung gezogen. In einer Schleife über Norden bringt uns der Strom schließlich in die Florida Strait.

Auf dem Segler ist immer etwas zu tun.
Auf dem Segler ist immer etwas zu tun. © WP | Kilian Hof

Die USA im Norden und Kuba im Süden, beides zum Greifen nah, verlassen wir den Golf von Mexiko und segeln Nordkurs. Der Golfstrom soll uns noch ein paar Tage Gratisknoten liefern und so folgen wir diesem an der US-Ostküste. Dort bekommen wir eine Mondfinsternis sowie einen nächtlichen Raketenstart (oder ähnliches) in der Nähe des Cape Canaveral geboten. Beides beeindruckende Erlebnisse.

08. Mai

Die Sonne geht auf. Woher kommt der Wind? Aufwachen und anziehen. An Deck werden alle Funktionen kontrolliert. Die körpereigenen - aber auch die des Schiffes. Sind alle Leinen an Deck? Flattern die Segel? Woher kommt dieser oder jener Muskelkater? Stehen Manöver an? Nein? Schade! Der Wind kommt von Norden, das ist nicht gut für unseren Kurs. Egal, das wird sich schon geben. Außerdem muss ich jetzt die Nagelbank abschleifen. Die Maserung des Holzes sieht aus wie eine Wetterkarte mit Hochdruckgebieten und Isobaren. Man hat Zeit zum Nachdenken. Schleifen. Schleifen. Schlafen. Chris, danke für die Pizza, schmeckt fantastisch! Eine Regenzelle entwickelt sich rasend schnell und kommt auf uns zu. Raus mit vollem Mund.

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All Hands! Die Fock muss runter. Regen peitscht ins Gesicht. Es dauert nur fünf Minuten, ist aber total anstrengend. Kommandos werden gerufen. Ease Halyard slowly. Haul away Tackline. Die Crew ist eingespielt und funktioniert gut. Sail on Deck! Gut, besser als im Wasser. Windstille. Delfine wiehern wie Pferde und Plankton leuchten wie Sterne auf der Wasseroberfläche. Blitzendes Fotogewitter von fluoreszierenden Quallen. Woher kommt der Wind?

Wir segeln nur zwei Knoten! Kann das sein oder bremse ich mit Ruderlage 20 Grad Backbord? Sonntags können alle Faulenzen, da es keine Decksarbeit gibt. Wir müssen nur Steuern und Putzen. Abends wird ein Quiz mit der ganzen Besatzung gespielt. Die Stimmung ist locker und leicht, die Fragen sind schwer. Und woher kommt eigentlich der Wind? Immer wieder Wind, Wind, Wind und die Sonne geht unter.

20. Mai

Kleinere Flauten bremsen uns immer wieder aus. Dabei könnten wir mit dem richtigen Wind jetzt im Golfstrom richtig Fahrt aufnehmen. Das Ziel ist es, soweit Richtung Norden zu segeln bis wir mit den W

Kilian Hof segelt über den Atlantik.
Kilian Hof segelt über den Atlantik. © WP | Kilian Hof

arten können. In den letzten zwei Tagen hat uns der Wind dann richtig in die Karten gespielt und wir konnten innerhalb von 24 Stunden 180 Seemeilen segeln.

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Der Strom ermöglichte uns Spitzengeschwindigkeiten von über 12 Knoten. Stündlich messen wir die Wassertemperatur, um festzustellen, ob wir noch im Strom sind. Neben dem Wind einer der wichtigsten Faktoren für unsere Reiseplanung.

26. Mai

Erneute Flaute und dann erneuter Wind. Diesmal bis zu 9 Windstärken und wir müssen die Segel reffen. Trotzdem bekommen wir ordentliche Schräglage und das Wasser spült über die Reling. Da das Wasser ein paar Sekunden zum Ablaufen benötigt, bietet uns das die Gelegenheit für eine Wildwasserbadewanne. Ein großer Spaß für alle. Neben solchem unerwarteten Wellness ist der Alltag mit 40 Grad Krängung eher beschwerlich. Teller rutschen auf dem Tisch herum und wenn man nicht aufpasst rutscht auch noch die Suppe von den Tellern. Kleidung wird einseitig unter unsere Matratzen gelegt, damit wir halbwegs ruhig schlafen können und der Gang auf die Toilette erfordert ebenfalls deutlich mehr Zeit als sonst.

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Das Segeln hingegen ist ein wahres Erlebnis. Das Schiff reitet souverän jede noch so große Welle auf und ab, der Wind fegt in die Segel, der Nordatlantik glitzert und die Wolken bilden ein wunderbares Schauspiel in der Abendsonne. Auf der hohen Seite des Schiffes ist der Atlantik drei Meter entfernt und auf der flachen Seite könnte ich mir darin die Hände waschen. Ab und zu neigen sich die Wanten des Schiffs ins Wasser und manche Welle bricht leicht übers Deck. Dem Schiff macht das nichts aus, aber wir müssen aufpassen, nicht weggespült zu werden.

Kilian Hof auf dem Segelschiff.
Kilian Hof auf dem Segelschiff. © WP | Kilian Hof

So manche Rettungsweste wird ausgelöst, wenn man kurzzeitig unter den hereinbrechenden Wellen abtaucht. Für mich eine der intensivsten Zeiten und sehr aufregend, der Natur und ihren so direkt ausgesetzt zu sein. Sobald ich keine Wache habe, versuche ich ein paar Stunden zu schlafen, um für die nächste Wache wieder fit zu sein. Heute wurde ich allerdings durch Rufe an Deck frühzeitig aufgeweckt. Der Wind wurde zu stark, die Vorsegel müssen runter. Beim Einholen reißt der Jäger und gleich darauf wird auch noch der Außenklüver in zwei geteilt. Die kommenden Tage steht daher wieder Segel nähen auf dem Programm. Beide Segel geben dem Schiff Stabilität und Geschwindigkeit, beides brauchen wir. Nur noch gut einer Woche bis Horta. Die letzte Woche ist ein Geschwindigkeitsrausch.

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Mit durchschnittlich 7,5 Knoten mit achterlichem Wind segeln wir direkten Ostkurs auf Horta zu. Nach den turbulenten Winden und den mittlerweile über 30 Tagen auf See bricht unter uns eine regelrechte Euphorie aus. Wir freuen uns alle auf den Landgang und sind uns einig, dass wir den guten Wind dieser Tage verdient haben Zur Begrüßung schwimmen seit Tagen portugiesische Galeeren an uns vorbei und auch die Delfine sind wieder da. Im Dunkeln legt der Kapitän sicher am Pier an und die ganze Mannschaft freut sich, die Überquerung zusammen geschafft zu haben. Nach ein paar Tagen an Land werden wir ein letztes mal Segel setzen. Das Ziel heißt diesmal Hamburg.“