Wittgenstein. Den Wittgensteiner Apotheken geht der Fieber-Saft für Kinder aus. Was das für Eltern und ihre erkrankten Kinder bedeutet.
Fiebersäfte für Kinder, die den Wirkstoff Paracetamol beinhalten, sind aktuell nicht lieferbar und können daher in den Apotheken zeitweise knapp werden. Das erklärt der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) in einer Pressemitteilung. Aber was bedeutet das für die Apotheken in Wittengestein? Wie das Problem für die kleinen Patienten lösen und woher der Mangel rührt. Unsere Redaktion hat bei drei regionalen Apotheken nachgefragt.
Wittgenstein: Die regionalen Apotheken
In der Berleburger Hof-Apotheke sehe es aktuell gerade mal wieder ganz gut bei den Vorräten der Paracetamol-Fiebersäften für Kinder aus, so Mitarbeiterin Laura Knebel. „Wir haben zwischendurch, als das Präparat kurzzeitig wieder lieferbar war, eine größere Menge bestellt.“ Momentan sei das Arzneimittel für Kinder aber auch schon wieder nicht mehr lieferbar. „Wenn der jetzige Vorrat weg ist, dann kommen wir nach jetzigem Stand auch erstmal an nichts mehr dran.“
Die Stadt-Apotheke in Bad Laasphe habe den Paracetamol-Saft aktuell noch von verschiedenen Firmen vorrätig, aber bei der Beschaffung habe es in letzter Zeit immer mal wieder kurzzeitig Probleme gegeben, so Inhaber Matthias Köhler. Leider komme es bei den Paracetamol-Präparaten grundsätzlich häufiger zu Lieferschwierigkeiten – und es könne dauern, bis die Fiebersäfte wieder im größeren Umfang lieferbar seien. Köhler beruhigt aber: „Bis jetzt konnte wir alle unsere Patientinnen und Patienten immer noch gut versorgen.“
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Für den Apotheker Steffen Busch von der Brücken-Apotheke Erndtebrück ist der aktuelle Mangel bei den Paracetamol-Fiebersäften für Kinder nicht wirklich ein Problem: Der Saft wäre momentan zwar nicht zu kriegen, sagt er – bei Ibuprofen hingegen gebe es zum Glück gerade keinen Mangel. „In den Apotheken vor Ort finden wir in aller Regel für die Patienten individuelle Lösungen im Falle solcher Engpässe“, sagt Dr. Christof Werner, Vorsitzender des AVWL. Zum Beispiel könne nach Rücksprache mit dem Arzt ein anderer Stoff oder eine andere Darreichungsform verordnet werden.
„Ibuprofen ist als Wirkstoff eine gute Alternative zum Paracetamol-Präparat“, erklärt Busch. Auch Matthias Köhler sieht in den Ibuprofen-Säften eine Möglichkeit, um auf den Engpass bei den Paracetamol-Präparaten zu reagieren. Laura Knebel verweist aber darauf, dass es sich dabei um einen anderen Wirkstoff handle. „Es gibt kein anderes Präparat mit dem gleichen Wirkstoff – außer eben in einer anderen Darreichungsform wie Paracetamol-Zäpfchen für Kinder.“ Busch hält es für unsinnig, die Bevölkerung wegen des momentanen Engpasses verrückt zu machen. Denn bei der Beschaffung von Arzneien mit Paracetamol gebe es schon länger immer mal wieder Probleme. „Für die Apotheken ist das mit der Knappheit daher kein neues Thema.“
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Wittgenstein: Gründe für den Mangel an Fieber-Saft
Eine Ursache für den generellen Mangel momentan sieht Busch darin, dass die Apotheken das Präparat alle von den gleichen großen Herstellern beziehen. „Das Problem der Produzenten ist wohl, dass für den Paracetamol-Saft im Moment zu wenig bezahlt wird und es sich daher für die Hersteller einfach nicht mehr lohne, das Präparat weiter zu produzieren.“ Thomas Rochell, AVWL-Vorstandsvorsitzender, bestätigt: „Ein Grund für den momentanen Engpass ist der zunehmende Kostendruck im Gesundheitswesen.“ Häufig gebe es aufgrund des Preisdrucks weltweit nur noch wenige Produzenten für Arzneimittelwirkstoffe. Wenn dann bei einem der Wirkstoffhersteller Produktionsprobleme entstünden, könnten die wenigen verbleibenden Produzenten die weltweite Nachfrage nicht decken.
Laut Matthias Köhler hat sich dieses Problem in Deutschland wegen der Regelungen der Krankenkassen in den letzten Jahren weiter verschärft. Die Kassen schließen mit bestimmten Hauptlieferanten Verträge ab, von denen sie profitieren – aber wenn einer dieser Lieferanten ausfalle, hätten anderen Firmen gar nicht mehr so einen großen Vorrat, um die Nachfrage ausreichend zu bedienen. „Das löst dann eine Kettenreaktion aus – und die Folge sind Engpässe bei bestimmten Medikamenten“, erklärt Köhler. Da die Wirkstoffe meist kostengünstig im asiatischen Raum produziert werden, können darüber hinaus auch Probleme in den Lieferketten zu Engpässen führen, so AVWL-Vorsitzender Rochell. Um Engpässen künftig entgegenzuwirken, versuche man wieder vermehrt Standorte von Wirkstoff-Produktionen in Europa zu schaffen, berichtet Köhler.
Wittgenstein: Versorgung weiter gewährleistet
„Wir sind in den Apotheken vor Ort zwar gut bevorratet, Nachbestellungen von Paracetamol-Säften sind zuletzt allerdings schwierig gewesen“, fasst Dr. Werner die aktuelle Lage zusammen. Solche Lieferengpässe zu bewältigen, gehöre für die Apotheken vor Ort aber längst zum Arbeitsalltag. Matthias Köhler berichtet, dass es bei einer Vielzahl von Arzneimitteln immer mal wieder zu Engpässen komme. Die Apotheken wüssten aber mittlerweile, wie sie mit so einem Mangel umzugehen haben. „Wir versuchen unser Bestmögliches, damit jeder auch das richtige Präparat bekommt und entsprechend mit dem benötigten Wirkstoff versorgt wird“, betont Köhler. Er selbst und alle seine Kolleginnen und Kollegen seien bemüht, gute Alternativen für bestimmte Wirkstoff bereit zu stellen.
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Laura Knebel ist froh, dass die meisten Eltern Verständnis für den aktuellen Engpass zeigten: „Die Eltern setzen dann eben auf den Ibuprofen-Saft oder geben dann doch das Zäpfchen.“ Denn die Apotheken geben den momentanen Mangel so weiter, wie die Lage eben ist. Trotzdem sei das ärgerlich für alle. Man könne der Knappheit bei den Paracetamol-Säften aber mit anderen Wirkstoffen oder einer anderen Darreichungsform gut entgegenwirken, betont Knebel.
Weitere Risiken für die Versorgung
Ein weiteren Engpass aufgrund des Kostendrucks gab es zuletzt bei dem Krebs-Medikament Tamoxifen. Einige Wirkstoff-Zulieferer hatten die Produktion eingestellt, weil diese für sie nicht mehr wirtschaftlich war, so der AVWL. „Das war schon sehr dramatisch. Die Apotheken mussten das Präparat aus anderen Ländern Europas beziehen, um die Versorgung zu gewährleisten, berichtet der Bad Laaspher Apotheker Matthias Köhler.
Für eine ausreichende Versorgung sei die Bevölkerung auf ein flächendeckendes Netz von Apotheken vor Ort angewiesen, so Thomas Rochell. Deshalb dürfe dieses Sicherheitsnetz keinem weiteren Risiko ausgesetzt werden. Pläne der Politik, auf Kosten der Apotheken das Milliardendefizit der Krankenkassen auszugleichen, die jüngst kursierten, seien deshalb riskant. „Weitere Apothekenschließungen wären die Folge. Wenn es aber keine wohnortnahen Apotheken mehr gibt, die Lösungen finden, drohen solche Sparmaßnahmen letztlich, die Auswirkungen der alltäglichen Lieferengpässe für die Patienten zu verschärfen“, warnt Rochell.
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Die Apotheken in Westfalen-Lippe versorgen die Bevölkerung mit lebenswichtigen Arzneimitteln, sie beraten die Menschen und erbringen wohnortnah pharmazeutische Dienstleistungen. Der AVWL vertritt die Interessen von mehr als 1.300 Apothekeninhabern mit annähernd 1800 Haupt- und Filialapotheken.