Wittgenstein. Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker sollen Hausärzte demnächst im Kampf gegen Corona unterstützen. Wie, das zeigen Nachfragen unserer Redaktion.

30 Millionen Corona-Impfungen bundesweit bis Weihnachten – um das zu schaffen, sollen künftig auch Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker vorübergehend Impfungen gegen das Corona-Virus verabreichen dürfen. Eine entsprechende Änderung des Infektionsschutzgesetzes hatten am Freitag der Bundestag und der Bundesrat als Länderkammer beschlossen. Dazu gibt es auch in Wittgenstein zumindest eine Bereitschaft, zeigen Nachfragen unserer Redaktion. Ein Bad Berleburger Hausarzt warnt unterdessen vor gefährlichen Zwischenfällen beim Impfen.

Der Hausarzt

„Der Zusammenhang zwischen Impf-Risiko und eventuellen Vorerkrankungen muss verstanden werden“, mahnt der Berleburger Allgemeinmediziner Dr. Holger Finkernagel in einer „Stellungnahme zur Impfbereitschaft von Apothekern, Tier- und Zahnärzten“.

Sicher: „Die mRNA-Impfstoffe verstehen Apotheker meist genauso gut wie der Arzt“, räumt der Mediziner ein. Aber: Den Zusammenhang zwischen einer hohen Menge an neutralisierenden Antikörpern und einem Zytokin-Sturm, also einer Immun-Reaktion mit tödlichen Folgen oder die Definition der Herzmuskel-Entzündung (Myocarditis), die beim Impfen auch auftreten können, „sollte besser der Mediziner erklären“, findet Finkernagel – „denn der Apotheker könnte eh nichts machen“. Ob er dann den Hausarzt informieren wolle, „der die Kohlen dann aus dem Feuer holt“?

Lesen Sie auch: Bad Berleburg: Corona-Massentest in Vamed-Akutkrankenhaus

Dr. Holger Finkernagel, Allgemeinmediziner aus Bad Berleburg: „Der Zusammenhang zwischen Impf-Risiko und eventuellen Vorerkrankungen muss verstanden werden.“
Dr. Holger Finkernagel, Allgemeinmediziner aus Bad Berleburg: „Der Zusammenhang zwischen Impf-Risiko und eventuellen Vorerkrankungen muss verstanden werden.“ © Unbekannt | Eberhard Demtröder

Finkernagel verweist auf das Dispensierrecht, die „ gesetzliche Erlaubnis, Arzneimittel herzustellen, zu lagern, abzufüllen und zu verkaufen“. Dieses Recht hätten „in Deutschland neben den Apothekern zur Versorgung von erkrankten Menschen auch praktizierende Tierärzte für die Behandlung eigener Patienten“. Und „was würden Apotheker sagen, wenn wir ihnen ihre Kompetenz absprechen würden und selbst Medikamente herstellten und verkaufen würden?“, fragt Finkernagel als Arzt. „Vielleicht würden dann alsbald auch Kosmetika unsere Anmeldungen schmücken.“

Die neue Regelung im Infektionsschutzgesetz zum Personenkreis der Impf-Anbieter hält der Berleburger Mediziner im Übrigen für eine Art Nebelkerze: „Die Bundesregierung schlägt solches nur vor, um von der Unfähigkeit abzulenken, die regelmäßige Versorgung der Hausärzte mit Impfstoff zu gewährleisten“, kritisiert Finkernagel. „Ein impfender Apotheker hat keine einzige Ampulle mehr zur Verfügung, die er verspritzen könnte.“

Die Tierärztin

„Wir sind bisher von offizieller Stelle noch gar nicht gefragt worden, ob wir das überhaupt machen“, sagt die Bad Berleburger Tierärztin Insa Biedermann. Grundsätzlich bereit dazu sei sie ja – aber sie wisse noch gar nicht, ob sie Kapazitäten bereitstelle, um den Hausärzten zu helfen. Eigentlich habe das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) ja schon zu Beginn der Pandemie für NRW entschieden, dass Tierärzte nicht wirklich wichtig seien bei den Impfungen – aber sie sollten die Stellung halten.

Lesen Sie auch: Wittgenstein: Polizei warnt vor gefälschten Impfpässen

Ohnehin habe sie derzeit „ein personelles Problem“, so Biedermann: „Wir sind nur anderthalb Tierärztinnen im Moment – ich und eine Teilzeit-Kollegin“. Und sie selbst sei oft noch zu den Großtieren in der Region unterwegs. Hier müsse sich erst in der Team-Besetzung etwas ändern. „Dass dann eine von uns für einige Stunden ins Impfzentrum geht – das wäre machbar, denke ich“, schätzt Biedermann. Allerdings müsse die Tierärztekammer Westfalen-Lippe ja auch erst einmal die Freigabe erteilen, „dass wir uns den Menschen überhaupt nähern dürfen“.

Der Zahnarzt

Impfen in der Zahnarzt-Praxis? Der Bad Laaspher Zahnarzt Dr. Henning Schwarz glaubt nicht, dass das so bald kommt. Sicher: Die Möglichkeit tauche im geänderten Infektionsschutzgesetz auf, und die Zahnärztekammer werbe bei ihren Mitgliedern dafür, die Impfaktionen zu unterstützen, doch gebe es dafür bei weitem noch keine verbindlichen Rahmenbedingungen.

Jetzt solle den Zahnärzten laut Kammer erst einmal ein zertifiziertes Schulungsangebot gemacht werden, berichtet Schwarz – schließlich sei Impfen ja eigentlich eine ärztliche und keine zahnärztliche Leistung. Dann dürften auch sie sich zunächst an Impfaktionen beteiligen, etwa in Impfzentren oder in mobilen Einheiten. Perspektivisch seien ebenso das Impfen in eigenen Praxen vorgesehen, so Schwarz weiter. Doch bis das alles klar geregelt sei, werde es sicherlich Januar.

Lesen Sie auch: Wittgenstein: Ärztenetzwerk hat 33.000 Impfungen verabreicht

Grundsätzlich stünden die Zahnärzte fürs Impfen bereit, betont der Laaspher. Aber ob der Pieks demnächst auch direkt in den Zahnarzt-Praxen möglich sei, das werde sich am Ende wohl nach dem tatsächlichen Bedarf richten. Das Impfen in der Praxis sei „generell kein Problem“, so Schwarz, sei „im Prinzip im Behandlungszimmer möglich“. Und „das Material wird fertig von der Apotheke geliefert“.

Hinzu komme allerdings noch die Technik, um Beratungsunterlagen bereitstellen und Impfzertifikate generieren zu können sowie die statistischen Impf-Daten an das Robert-Koch-Institut (RKI) zu melden. Und wenn beim Impfen etwas passiere? Sei im Zweifel der Notarzt zu alarmieren, sagt Schwarz.

Die Apothekerin

Andrea Wohlert, Arkaden-Apotheke Erndtebrück, über die anstehende Schulung im kommenden Januar: „Damit wir vorbereitet sind, wir das schon mal geübt haben.“
Andrea Wohlert, Arkaden-Apotheke Erndtebrück, über die anstehende Schulung im kommenden Januar: „Damit wir vorbereitet sind, wir das schon mal geübt haben.“ © Unbekannt | Arkaden Apotheke

In der Erndtebrücker „Arkaden-Apotheke“ von Andrea Wohlert gehört die Impfberatung schon zum Standard. Aber selbst impfen? „Ich würde das unterstützen“, so die Apothekerin, „um die Pandemie schnellstmöglich in den Griff zu kriegen“. Es hätten sie auch Kundinnen und Kunden schon darauf angesprochen.

Für Wohlert steht bereits Mitte Januar eine entsprechende Fortbildung im Terminkalender: ein Seminar der „Guten-Tag-Apotheken“ – also jenes Zusammenschlusses, zu dem auch die Arkaden-Apotheke in Erndtebrück und die Center-Apotheke in Bad Laasphe gehören. Da ließen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann von erfahrenen Ärztinnen und Ärzten erklären, wie die eigentliche Impf-Prozedur funktioniert – „damit wir vorbereitet sind, damit wir das schon mal geübt haben“. Im Grunde sei das Prozedere in ihrer Branche ja schon bekannt, so Wohlert – etwa durch Grippe-Impfungen, die etwa testweise in Apotheken im Rheinland laufen. Und in Großbritannien verimpften Apotheker schon länger alle möglichen Vakzine.

Lesen Sie auch: Bad Berleburg: 400.000 Euro Corona-Hilfen für zwei Kliniken

Das theoretische Hintergrundwissen zum Impfen hätten die Apotheker ja ohnehin schon, so Wohlert – im Seminar werde aber noch einmal durchgesprochen: Was darf ein Apotheker beim Impfen? Wo sind die Grenzen? Und: Was tun bei Vorerkrankungen? Die Fragen danach sind der Wohlert besonders wichtig, denn: „Ich möchte keinen anaphylaktischen Schock in meiner Apotheke haben.“ Der könnte bei einer allergischen Reaktion entstehen. Sobald bei einem Impfling Risiken erkennbar seien, würde sie ihn an einen Arzt verweisen.

Den rechtlichen Rahmen vorausgesetzt, könnte das Impfen in ihren beiden Apotheken schon Ende Januar, Anfang Februar starten, schätzt Andrea Wohlert im Gespräch mit unserer Redaktion. Ihre drei angestellten Apothekerinnen würden dann später auch geschult, um das Impf-Angebot an beiden Standorten zu verstärken.

Lesen Sie auch: Selbstversuch: So läuft Boostern im Impfzentrum Wittgenstein

Corona-Bürgertests sind dort bereits möglich. Gedanken macht sich Wohlert darüber, inwiefern sie das neue Impf-Angebot vom Test-Prozedere räumlich und zeitlich trennen muss – und hofft dabei auch auf Hinweise im Seminar. Jedenfalls würde sie gerne jedem ungeimpften Kunden, der sich bei ihr testen lässt, auch gleich das Impfen anbieten – bis hin zur Booster-Impfung mit Blick auf die neue Omikron-Variante des Virus.

Wohlert glaubt, dass es für das Impfen in der Apotheke einen Bedarf in Wittgenstein gibt. So sei es für einige Patienten ein Hemmnis, damit zum Arzt zu gehen – auch weil es dort terminlich oft eng sei. In ihren Apotheken sei der kleine Pieks zur Immunisierung beispielsweise auch samstags möglich, sagt Wohlert. Was die Termin-Korridore ähnlich wie beim Testen angehe, „werden wir uns mit den Ärzten vor Ort sicherlich absprechen“.