Bad Berleburg. Geschälte Bäume und ein schwerer Unfall im Westerwald. Ein einzeln umherstreifender Bulle aus Bad Berleburg sorgt in Montabaur für Ärger.

Ein einzelner Wisentbulle sorgt für Ärger. Das Tier streift aktuell im Westerwald umher – 140 Kilometer von seiner ursprünglichen Herde im Rothaargebirge entfernt. In Rheinland-Pfalz verursacht der „Problembulle“ Schälschäden an Buchen, stößt sogar Hochsitze um und soll auch einen schweren Verkehrsunfall bei Montabaur verursacht haben. Das berichtet der Südwestrundfunk in seinen Fernseh-Regionalnachrichten am Dienstagabend.

Lesen Sie dazu auch:

Der SWR zitiert dabei Kurt Milad, den Kreisjagdmeister im Kreis Neuwied. Dieser beklagt im Fernsehen, dass die Jäger für die Schäden aufkommen müssen, weil es sich um Wildschäden handele. Allerdings dürften die Jäger im Westerwald den Bullen weder vertreiben noch abschießen, weil das Wisent streng geschützt sei. Milad schlägt vor, das Tier einzufangen und in einen Wildpark zu bringen, wo er mit Artgenossen leben könne. Milad kreidet dem Wisentverein als Träger des Auswilderungsprojektes an, die Verfolgung des „Problembullen“ aufgegeben zu haben, nachdem es nicht gelungen sei, diesen wieder einzufangen. „Die haben die Verfolgung offiziell aufgegeben und haften damit nicht mehr für die Schäden in Feld und Flur“, sagte Milad dem SWR.

Fangversuche scheitern

Das stimmt so nicht, macht Dr. Michael Emmrich, Pressesprecher des Wisentvereins, deutlich. Der Bulle habe sich im Herbst 2020 von der Herde abgesetzt. Seitdem hatte der Trägerverein Kontakt zum Umweltministerium Rheinland-Pfalz, den dortigen Regierungspräsidien und auch lokalen Bürgermeistern gehalten. „Wir haben versucht das Tier einzufangen. Das Problem ist aber an das Tier heranzukommen.“ Die Meldungen über Sichtungen seien immer in zeitlichen Versatz gekommen. Deshalb sei dies nicht gelungen.

Lesen Sie dazu auch:

Im Telefongespräch mit unserer Redaktion räumt Milad ein, dass ein Teil seiner Aussagen auf eine Fehlinformation beruhe. „Ich ziehe diese Aussagen zurück“, sagt er der Westfalenpost. Inzwischen habe er auch von Kollegen aus dem Bereich Bad Berleburg und NRW erfahren, dass es einen Trägerverein des Projektes und auch einen Entschädigungsfonds gibt. „Bislang haben wir aber noch keine Schäden gemeldet“, so Milad weiter. Der Kreisjägermeister beziffert die Schälschäden in einem jungen Buchen- und Ahornbestand auf 40 bis 50 Bäume – und er will betroffene Waldbesitzer nach dem Gespräch mit der Westfalenpost auf die Möglichkeit einer Entschädigung durch den Fonds hinweisen.

Wisent zerstört Jagdeinrichtung

Neben Milad erhebt auch Jagdpächter Carlo Rossbach aus Montabaur Vorwürfe gegen den Wisentverein. Er berichtet von Hochsitzen, an denen sich der Bulle das Fell gerieben hat und von denen nur noch ein Haufen Holztrümmer übrig sind. „Vor unserer Gemeinschaftsjagd am vergangenen Wochenende hat er uns fünf Stück davon kaputt gemacht“, wird Rossbach zitiert. Milad relativiert auch dies: „Es sind keine Hochsitze, sondern zwei Meter hohe Drückjagdböcke gewesen. Der Schaden ist nicht so hoch.“

Warten auf das Gutachten zum Wisentprojekt

Noch gibt es keinen Termin für die Vorstellung des finalen Gutachtens zur Zukunft des Wisentprojektes, dass die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo Hannover) erarbeitet hat.

„Die Beteiligten befinden sich in einer Terminabstimmung zur Vorstellung des Gutachtens. Da es viele Beteiligte sind und die Ministerin Ursula Heinen-Esser persönlich dabei sein möchte, versucht man jetzt einen Termin im Dezember hinzubekommen“, berichtet der Kreis Siegen-Wittgenstein auf Anfrage. Landrat Andreas Müller ist der Leiter der Koordinierungsgruppe des Wisentprojektes.

In der Vergangenheit waren Termine im Oktober und November verstrichen.

Das Gutachten bewertet vier Szenarien – von der Tötung über das Einzäunen oder Einfangen bis hin zur Herrenlosigkeit der Herde.

Die Hoffnung auf Entschädigung durch den Fonds nimmt den Betroffenen aber Dr. Michael Emmrich. Weil es dem Wisentverein nicht gelungen ist, den Bullen zu fangen, hat er sich zu einem weitreichenden Schritt entschieden: „Inzwischen hat der Verein das Eigentum an dem Tier aufgegeben.“ Damit sei das Tier Herrenlos und fällt somit auch nicht mehr unter die Entschädigungsregelungen des Öffentlich-rechtlichen Vertrages. Das hat massive Folgen für fast alle Beteiligten in Rheinland-Pfalz. Nur für eine nicht: Eine Autofahrerin hat Glück. Auch wenn es keine Entschädigung vom Trägerverein mehr geben kann, so ist der Unfall ein Wildunfall, für den laut rheinland-pfälzischem Recht die Teilkaskoversicherung zahlen muss, erläutert Michael Emmrich.

Ein Sprecher der Polizeidirektion Montabaur bestätigt auf Anfrage das Unfallgeschehen. „Wir haben dies als Wildunfall aufgenommen.“ Eine Frau war am 28. August um 6.30 Uhr von der Bundesstraße 8 auf die Kreisstraße 75 abgebogen und hatte kurz vor der Ortschaft Weidenhahn dann ein mitten auf der Straße laufendes, „großes, braunes Tier von der Gestalt eines Büffels“ gesehen und konnte diesem offenbar nicht mehr ausweichen. Der Wagen war auf der Fahrerseite stark beschädigt worden. Laut Polizei muss aber auch der Wisentbulle verletzt worden sein. Eine Nachsuche mit Schweißhunden in dem Bereich verlief jedoch ergebnislos. Darüber hinaus habe es keine Unfallanzeigen mit Wisenten gegeben.

Auf der Suche nach anderen Herden

Dass junge Bullen die freilebende Herde verlassen, ist indes nicht neu. Seit die Herde 2012 ausgewildert worden ist, haben sich immer wieder junge männliche Tiere auf die Suche nach einer anderen Herde gemacht, um dem Zweikampf mit dem Leitbullen zu entgehen. Zuletzt sorgte im Februar dieses Jahres ein Tier für Ärger, das bei Wenden durch den Kreis Olpe streifte. 2019 war es ein Tier in Kirchhundem.

Eine Wildkamera hat Ende vergangenen Jahres diese Aufnahme mit dem Wisentbullen im Jagdbezirk Hillmicke gemacht.
Eine Wildkamera hat Ende vergangenen Jahres diese Aufnahme mit dem Wisentbullen im Jagdbezirk Hillmicke gemacht. © WP | Privat

Der Wisentverein hat sich in diesem Jahr bereits von sechs jungen männlichen Tieren getrennt. Vier Bullen aus der freien Herde wurden getötet. Der Verein sieht das Schießen der Tiere als Ultima Ratio an. Intensive Versuche, die Tiere in andere Projekte zu vermitteln, hätten nicht zum Erfolg geführt, da junge Bullen für diese kaum von Interesse seien. Die Reduzierung der Herde wird von dafür rechtlich autorisierten Personen vorgenommen, um den Bestand der freien Herde auf die vereinbarte Obergrenze von 25 Tieren zu halten. Zwei weitere Tiere aus dem Schaugehege wurden an andere Wisentprojekte in Rumänien vermittelt.