Bad Berleburg/Bad Laasphe. Die Tatumstände in der Silvesternacht sind undurchsichtig. Das Schöffengericht verurteilte den Mann nun zu einer Bewährungsstrafe.

Vergewaltigung ist ein seltener Anklagepunkt im Amtsgericht Bad Berleburg. Doch am Freitagmorgen musste sich ein 36-jähriger Bad Laaspher genau wegen dieser Straftat vor dem Schöffengericht verantworten. Der Vorsitzende Richter Torsten Hoffmann wies dem Angeklagten eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit zu und verurteilte ihn nach vierstündiger Verhandlung zu einer anderthalbjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und 90 Sozialstunden. Zu Unrecht, findet Verteidiger Norbert Wickel, der für seinen Mandanten Freispruch beantragte.

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Spermaspuren sind eindeutig

Dem 36-jährigen Bad Laaspher wird vorgeworfen, sexuelle Handlungen an seiner 28-jährigen Noch-Schwägerin vorgenommen zu haben, während diese sich in einem alkoholbedingt unfähigem und wehrlosem Zustand befunden haben soll. Die Tat soll sich in den frühen Morgenstunden an Neujahr 2021 zugetragen haben. Der Beschuldigte soll das mutmaßliche Opfer entkleidet und versucht haben, mit diesem Geschlechtsverkehr zu haben. Anschließend soll der Angeklagte neben der 28-Jährigen masturbiert haben. Gutachter hatten sowohl DNA als auch Sperma des Angeklagten im Genitalbereich der mutmaßlichen Geschädigten feststellen können.

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Opfer war stark betrunken

Heute wird im Saal 1 des Amtsgerichts Bad Berleburg gegen eine 36-jährigen Mann aus Bad Laasphe verhandelt. Er soll seine Schwägerin vergewaltigt haben.
Heute wird im Saal 1 des Amtsgerichts Bad Berleburg gegen eine 36-jährigen Mann aus Bad Laasphe verhandelt. Er soll seine Schwägerin vergewaltigt haben. © Lars-Peter Dickel

Doch so einfach ist es nicht — die Umstände der Silvesternacht erweisen sich als undurchsichtig. Zum Tatzeitpunkt hatten der Angeklagte und das mutmaßliche Opfer mit zwei weiteren Freunden zusammen in einer Bad Laaspher Wohnung gelebt. In diesem Kreise hat auch die Silvesterparty stattgefunden. Nach Aussagen der vier Personen steht fest: Es wurden Unmengen an Alkohol konsumiert. Die mutmaßliche Geschädigte habe sich in einen Zustand getrunken, in dem sie weder koordinations- noch sprechfähig gewesen sei. Später soll nur noch der Angeklagte in ihrem Beisein gewesen sein — die anderen beiden Mitbewohner seien zu Bett gegangen.

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Zwei weitere Partygäste sagen aus

„Ich bin nach zehn Minuten in mein Zimmer gegangen und habe mich Schlafen gelegt. An etwas Anderes erinnere ich mich nicht“, sagt der 36-jährige Angeklagte. Er berichtet außerdem davon, dass seine Schwägerin in jener Party-Nacht geschrien und geweint und dabei erzählt habe, ihr Ex-Mann -der Bruder des Angeklagten – habe sie in Vergangenheit vergewaltigt. Außerdem sei die 28-Jährige sehr anhänglich gewesen. Rund sechs Monate vor dem Vorfall habe es einmal eine Liebelei zwischen Schwager und Schwägerin gegeben. Diese Aussagen des 36-jährigen Angeklagten deckten sich mit denen der Mitbewohner.

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Details aus der Tatnacht

Ein 28-jährige Mitbewohner erinnert sich außerdem noch an ein anderes Detail der Silvesternacht: „Die haben sich gegenseitig befummelt - am ganzen Körper.“ Daran können sich sowohl der Angeklagte als auch seine Schwägerin nicht erinnern. Beide können es aber nicht ausschließen. Die vermutlich Geschädigte sagt über sich selbst: „Ich bin immer sehr anhänglich, wenn ich getrunken habe.“ Am nächsten Morgen habe sie festgestellt, dass ihre Kleidung nicht an Ort und Stelle sitze. Daraufhin - und aufgrund eines „komischen Gefühls“ - habe sie sich im Krankenhaus untersuchen lassen. Später seien schließlich weitere Erinnerungen der angeklagten Vergewaltigung zurückgekommen. „Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht schreien, konnte mich nicht wehren“, so die 28-Jährige. Richter Hoffmann glaubte der Geschädigten und erläuterte zum Urteil: „Ich möchte betonen, dass dem Angeklagten nicht das Ausüben von Gewalt vorgeworfen wird — sondern vielmehr das Ausnutzen der Lage.“

Der Verteidiger ist gänzlich anderer Meinung

„Man hat angefangen, sich am ganzen Körper zu berühren und sich gegenseitig in den Schritt gefasst. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einem Versuch von Geschlechtsverkehr gekommen ist“, so Norbert Wickel. Das mutmaßliche Opfer erinnere sich außerdem „nur an bestimmte Bruchstücke und Fragmente“.

Seine Vermutung stärkt eine Äußerung einer weiteren Zeugin und gleichzeitig Freundin der vermutlich Geschädigten: „Sie schläft immer nackt. Ich könnte mir vorstellen, dass sie versucht hat, sich selbst auszuziehen.“

Der Rechtsanwalt wird sich wohl auf Rechtsmittel berufen.