Wittgenstein. Wie sehr sich Wittgensteiner in der Pandemie um ihre Eltern sorgen, haben wir in unserem Corona-Check ausgewertet und dazu Seniorenheime besucht.

Nähe – für viele Menschen etwas sehr wichtiges. Sei es eine Hand, die einen berührt. Eine Umarmung. Oder einfach ein Besuch. Doch das war nicht immer möglich: Während des ersten Lockdowns im März 2020 waren Besuche in Krankenhäusern und Altenheimen für eine gewisse Zeit nicht gestattet. Im Mai 2020 gab es den ersten Besuch wieder auf Distanz. Für viele Menschen eine ungewohnte und schwere Situation – vor allem für die Angehörigen. Bei unserem Corona-Check wollten wir daher von unseren Lesern wissen: Wie sehr sorgen Sie sich um Ihre Eltern und Großeltern?

Herausgekommen ist in allen drei Kommunen meist ein Mittelwert um die 3 bis 3,57 (1 = gar nicht; 5 = extrem) – zumindest bei den Altersgruppen bis 40 Jahre und 41 bis 60 Jahre. Am wenigsten sorgen sich demnach die über 60-Jährigen um ihre Eltern. In Bad Berleburg ergab die Auswertungen hier einen Wert von 2,28, in Bad Laasphe 2,47 und in Erndtebrück 2,36. Wir haben uns daraufhin auf den Weg in die Seniorenheime gemacht, wo seit Monaten wieder Besuch erlaubt ist.

Und noch was: Seit Samstag, 22. Mai, gibt es weitere Lockerungen für die Besucher im Altenheim. Weder

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Besucher noch Bewohner müssen laut NRW-Gesundheitsministerium bei den Treffen Masken tragen, wenn sie vollständig geimpft oder nach einer Corona-Infektion genesen sind. Dann ist auch die Anzahl der Personen nicht beschränkt. Gleichzeitig gilt, dass maximal zwei nicht-geimpfte beziehungsweise nicht-genesene Besucher anwesend sein dürfen.

Zudem dürfen in den Einrichtungen wieder interne Veranstaltungen stattfinden, wenn nur Bewohner und Beschäftigte sowie direkte Angehörige teilnehmen. Beschäftigte in den Einrichtungen müssen weiter Maske tragen – selbst dann, wenn sie geimpft sind. Doch: Wie geht es den Bewohnern vor Ort? Wie haben sie das vergangene Jahr erlebt?

AWO Seniorenzentrum

Im AWO Seniorenzentrum in Erndtebrück sitzen derweil Sascha Setz, Gerhard Hippenstiel und Christel Rosemann gemeinsam mit Leiterin Petra Thomä-Steiner und drei Pflegerinnen im Besprechungszimmer. Dort fand soeben die Beiratssitzung statt. „Das vergangene Jahr ist mit gemischten Gefühlen verbunden“, so Thomä-Steiner. „Auf der einen Seite war es traurig während des ersten Lockdowns, dass man seine Angehörigen nicht sehen konnte, auf der anderen Seite aber haben wir den Bewohnern Sicherheit geben können.“ Und wie haben die Bewohner es erlebt?

„Das ist ja ganz individuell. Für mich hat sich hier im Prinzip nicht viel verändert“, sagt Sascha Setz. „Ich habe vorher auch nicht so viel Besuch bekommen. Aber mir fehlt das Unbeschwerte. Dass man einfach mal

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wieder raus kann, einkaufen, reisen – ohne die ganzen Auflagen. Die ersten Wochen im ersten Lockdown war wie Monopoly spielen: Gehen Sie ins Gefängnis. Gehen sie nicht über Los. Man könnte sich ja einen Virus kaufen“, sagt er und lacht.

„Zum Glück ist das heute nicht mehr so.“ Und noch etwas war in Coronazeiten anders. „Mein 50. Geburtstag – das war das erste Jahr, in dem ich meinen Geburtstag nicht in Norwegen verbracht habe“, sagt Sascha Setz. „Sonst aber machen wir das Beste aus der Situation. Wir Bewohner sind hier ja nicht allein. Wenn wir Gesellschaft haben möchten, sind noch die anderen Bewohner da und auch die Pflegekräfte.“

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Auch Aktivitäten in Kleingruppen sind seit Wochen wieder erlaubt. Was aber vielen Bewohnern fehlt, ist unter anderem das gemeinsame Singen. „Aber das wird auch bald wieder möglich sein“, zeigen sich alle optimistisch. Und trotz Corona gab es im vergangenen Jahr auch einige Highlights. „Vier Musiker der Philharmonie Südwestfalen gaben am Pfingstsonntag ein Konzert im Garten. Das war schon ein besonderer Tag“, so Thomä-Steiner.

Haus am Sähling

Ein paar Kilometer weiter sitzt Lotte Sophie Helene in ihrem Sessel und schaut aus dem Fenster. „Heute habe ich dort ein Reh entlang laufen sehen“, sagt sie. Die 91-Jährige wohnt im Haus am Sähling in Bad Berleburg. „Ich habe ein offenes Bein, daher bin ich nicht so gut zu Fuß“, sagt sie. „Dadurch bin ich auf die Hilfe anderer angewiesen.“

Als junge Frau wurde Lotte aus ihrer Heimat in Mecklenburg-Vorpommern evakuiert. „Ich komme aus Fürstenhagen. Das ist ein kleines Dorf. Meine Eltern haben sich dort kennengelernt und geheiratet.“ Sie

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kam nach Bad Berleburg, wo sie als Masseurin im Krankenhaus arbeitete. „Ich hatte dort viele tolle Kollegen gehabt“, erinnert sie sich. „Mit denen aber habe ich nur noch per Telefon Kontakt.“ Ihre Neffen und Nichten besuchen sie alle drei Monate.

„Die haben ja auch eine lange Strecke zu fahren“, sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. „Das ist immer ganz schön, wenn sie kommen. Manchmal nehmen sie mich dann im Rollstuhl mit ins Grüne, da ist es immer schön ruhig.“ Vermissen tut sie derzeit nichts. „Aber ich habe ja auch alles hier, was ich brauche.“ Und wenn sie dann doch mal Gesellschaft möchte? „Dann habe ich ja immer noch meine Zimmernachbarn, die anderen Bewohner hier und die Pflegekräfte“, sagt sie. „Die sind alle ganz nett.

Ederhöhe

Auch im Seniorenheim Ederhöhe in Beddelhausen sind die Bewohner zufrieden. „Ich habe eigentlich keinen Wunsch“, sagt Frau Kaiser. Sie wohnt seit drei Jahren dort. „Nur, dass wir gesund bleiben. Das ist das Wichtigste.“ Mit einem negativen Testergebnis, Maske und Abstand sind auch hier seit langem wieder Besuche möglich.

Die Bewohner dürfen für sechs Stunden am Tag ihre Familien zuhause besuchen. „Danach brauchen sie einen negativen Test und nach drei Tagen werden sie erneut getestet“, sagt Ergotherapeutin Kerstin Dippel. Wie auch in den anderen Altenheimen sind Aktivitäten in Kleingruppen auch hier möglich. „Wir haben ein buntes Wochenprogramm“, so Dippel und Bewohner Herr Wilke ergänzt: „Wir haben hier immer viel Spaß. Für mich ist das hier wie ein Sechser im Lotto.“

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So auch, als wir drei der Bewohner am Nachmittag treffen. Und schnell wird klar – allein und einsam fühlt sich dort kaum jemand. „Wir sind ja nicht allein“, so Wilke. Doch: „Die erste Zeit während des ersten Lockdowns waren auch wir von der Außenwelt abgeschirmt. Da durfte auch kein Friseur hineinkommen“, sagt Dippel. „Die Angehörigen und auch die meisten Bewohner haben das akzeptiert. Aber wir haben auch einige Bewohner, die dement sind und es nicht immer verstanden haben.“

Und auch Frau Kaiser erinnert sich noch an den ersten Lockdown im März 2021. „Mein Sohn war damals zu Besuch auf Abstand. Er stand vor der Tür. Ihm habe ich dann etwas für meinen Enkel mitgegeben. Den habe ich noch nicht gesehen“, sagt sie. Aktuell aber fehle ihnen nichts. „Wir machen das Beste draus. Und: Wir bekommen viele Postkarten aus den Kindergärten und Schulen. Das freut uns sehr“, so Frau Womelsdorf.