Wittgenstein. Im Corona-Check ist Schule und Kita das bestimmende Thema in Wittgenstein. Wir sprechen mit einer Lehrerin, Erzieherin und einer Abiturientin.
„Schule und Kita“ ist eines der bestimmenden Themen in der Pandemie – das hat unser Corona-Check gezeigt. Das Hin und Her zwischen Wechsel- und Distanzunterricht, zu wenig Unterstützung für Eltern, fehlende Hygienekonzepte an den Schulen, mangelnde Digitalisierung, die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen – es gibt viele Themen im Bereich von Schule und Kita, an denen die Menschen aus Wittgenstein harte Kritik üben.
Wir haben mit Menschen gesprochen, die von den politischen Beschlüssen direkt betroffen waren und die in den letzten Monaten über sich hinauswachsen mussten. Eine Lehrerin an einer weiterführenden Schule, die sich neben der Koordinierung ihres Wechselunterrichts auch noch um ihre zwei Kinder im Grundschulalter kümmern muss. Eine Erzieherin, die genau zu Pandemie-Beginn die Leitung einer Kindertagesstätte übernommen hat. Und eine Schülerin, die ihr Abitur während Corona gemacht hat – mit Lernen vor dem Computer.
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Das sagt die Lehrerin
„Eine wirkliche Unterstützung haben wir nicht bekommen. Es kamen immer nur neue Vorgaben. Das ist schon sehr enttäuschend.“ Die Lehrerin aus Wittgenstein möchte aus Rücksicht auf ihre Kollegen und ihre Privatsphäre lieber anonym bleiben. Über die Herausforderungen und Probleme der letzten Monate möchte sie trotzdem mit uns sprechen.
Wie es denn laufe nach so vielen Monaten Homeschooling – man sei doch bestimmt mittlerweile sehr eingespielt. „Ganz ehrlich, ich muss sagen, dass mittlerweile die Luft raus ist. Am Anfang war das ganze noch neu und ein Stück weit auch motivierend. Jetzt wünschen sich alle nur die Gemeinschaft wieder“, sagt die Englisch-Lehrerin, die an einer weiterführenden Schule in Wittgenstein unterrichtet. Sie versuche, mit Videos und Hörspielen ihren Unterricht so abwechslungsreich wie es nur geht zu gestalten. Das funktioniere aber nicht in allen Jahrgangsstufen. Mit dem anstehenden Präsenzunterricht ab dem 31. Mai kehrt zumindest ein bisschen normaler Schulalltag zurück.
Mit den politschen Beschlüssen im Bereich Schule war sie in den vergangenen Monaten nicht immer glücklich. „Wir haben bei uns an der Schule das Glück gehabt, dass wir digital bereits ganz gut aufgestellt waren. Wofür ich sehr wenig Verständnis habe, ist die späte Kommunikation. Das ist völlig unschön.“ Oft kam die Schulmail mit neuen Vorgaben erst am Freitag, die Maßnahmen sollten aber bereits am Montag umgesetzt werden.
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Zusätzlich zu der monatelangen Koordination des Wechselunterrichts mit verschiedenen Klassen muss die Englisch-Lehrerin sich um die Betreuung ihrer beiden Kinder im Grundschulalter kümmern. Auch die befinden sich noch im Wechselunterricht. Und für die Tage, an denen sie zuhause sind, muss eine Betreuung organisiert werden – da ist die alleinerziehende Mutter sehr gefordert. „Die beiden wachsen an ihren Aufgaben und machen das super. Aber es ist eben schon eine Herausforderung.“
Das sagt die Erzieherin
Kathrin Hofmann-Weyand hat die Leitung der AWO-Kita im Familienzentrum Bad Laasphe zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt angenommen: zu Beginn der Corona-Krise. „Seitdem war das schon echtes Krisen-Management, das wir erlebt haben“, sagt die Erzieherin. Auch zu Corona-Hochzeiten, in denen sich die Kita im Notbetrieb befunden hat, war es trotzdem nie leer. „Zwischen 70 und 90 Prozent Belegung hatten wir eigentlich fast immer. Wir haben das alles natürlich auch für die Kinder gemacht. Denn Kinder brauchen Kinder.“
Für Kathrin Hofmann-Weyand war von Anfang an klar: „Wir müssen einen klaren Kopf bewahren, denn natürlich waren gerade zu Beginn alle verunsichert. Wir haben immer möglichst schnell versucht, Klarheit zu schaffen.“
Gleich zweimal musste die Kita „Auf der Pfingstweide“ in Quarantäne. „Das ging schon an die Substanz“, erinnert sich die Einrichtungsleiterin. „Aber ich bin froh und stolz, dass wir das bisher alle gemeinsam gut gemeistert haben als Team. Meine Kolleginnen sind Heldinnen, das muss ich schon sagen.“ Der Optimismus ist Kathrin Hofmann-Weyand anzuhören. „Wir sind auf einem guten Stand und auch an einem optimistischen Punkt angekommen.“ Der Wichtigkeit ihrer Arbeit für die Kinder ist sich die Erzieherin bewusst: „Ohne die Kitas wären die Kinder sicherlich nicht so gut durch die Krise gekommen.“
Das sagt die Abiturientin
Carlotta Dickel hat gerade ihr Abitur am Johannes-Althusius-Gymnasium in Bad Berleburg gemacht. Lernen für die Abschlussprüfung in Corona-Zeiten – keine leichte Aufgabe. Bis einen Tag vor der ersten Abiturprüfung musste die Abiturientin noch zum Wechselunterricht in die Schule kommen – das heißt, es gab weniger Zeit zuhause zum Lernen und zur Vorbereitung. „Das war für mich ein bisschen blöd“, sagt Carlotta Dickel.
Homeschooling und Distanzunterricht gehörten in den letzten Monaten zum normalen Schulalltag der 19-Jährigen: „Am Anfang war das noch ganz cool, weil man zuhause bleiben konnte und man sich die Aufgaben selbst einteilen konnte, wie man will.“ Doch dann die ersten Klausuren. „Man hat sich unvorbereitet gefühlt – auch wenn die Lehrer ihr Bestes gegeben haben. Man konnte ja nichts daran ändern, aber es war schon schwer. Man musste sich halt viel selbst darauf vorbereiten und vieles selber beibringen.“ Auch der Wechselunterricht habe vieles nicht leichter gemacht, berichtet die Abiturientin: „Wir mussten uns dann ja immer in der Schule testen lassen. Dafür ging dann auch Zeit drauf – ich würde sagen, etwa eine halbe Stunde. Außerdem gab es manchmal Internet-Probleme, wenn man zum Unterricht vor Ort zugeschaltet wurde.“
Die Abitur-Prüfungen hat Carlotta Dickel hinter sich. Und wie war’s? „Ich habe ja keinen Vergleich. Daher kann ich nicht sagen, ob es jetzt schwerer war als ohne Corona“, sagt die 19-Jährige.
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Kommentar: Hut ab vor den Schülerinnen und Schülern
Erinnern Sie sich noch an Ihre Abschlussfeier von der Schule? Ich mich auch. Die Mottowoche, der große Abiball, die Abschlussfeier – das alles sind Momente, an die wir alle gerne zurückdenken. Noch einmal anstoßen auf die Schulzeit, bevor sich die Mitschüler überall in der Welt verteilen, um zu arbeiten, zu studieren, zu reisen...
Für die Schülerinnen und Schüler, die jetzt ihren Abschluss machen, ist die Realität eine andere. Vieles, was die Schulzeit so besonders macht, fällt aus. Sie konnten kein Austauschprogramm machen, für viele fielen Praktika aus – Erfahrungen, die die Entwicklung prägen. Ich verstehe die Sorge einiger, die sich fragen, was das „Corona-Abi“ eigentlich wert ist. Viel Lernstoff mussten sie sich selbst beibringen. Das stimmt – dafür haben sie aber viele neue Fähigkeiten stärken ausbauen können: Selbstständigkeit, Flexibilität und eine große Online-Affinität.
Man muss den Hut ziehen vor den jungen Menschen, die ihren Abschluss unter widrigen Umständen machen mussten. Sie haben Großes geleistet – und das, obwohl ihre Sorgen und Ängste in der Pandemie wenig Gehör gefunden haben. Trotzdem dürfen sie ihren Abschluss nicht richtig feiern – und das, obwohl sie es mehr als verdient hätten.