Wittgenstein. Ein neues Haus kostet. Verbraucherberater Christoph Hommel erklärt, wie sich eine Immobilie so finanzieren lässt, dass sie nicht zur Last wird.

Was sollte man beim Hauskauf oder Hausbau auf jeden Fall beachten? Christoph Hommel, im Team der Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle Siegen, für die Immobilien-Finanzierung zuständig, erklärt im Interview mit unserer Redaktion, warum ausreichend Eigenkapital wichtig ist – und Klarheit darüber, ob sich die Immobilien-Finanzierung langfristig überhaupt stemmen lässt.

Nehmen wir an, ich möchte als Privatperson ein Haus kaufen oder bauen. Wie kann die Verbraucherzentrale Siegen, die ja von Ratsuchenden aus dem Altkreis Wittgenstein in Anspruch genommen werden kann, mir da mit Rat und Tat zur Seite stehen?

Christoph Hommel Zum einen bieten wir natürlich relativ viele Ratgeber mit Checklisten an: Worauf sollte ich achten, wenn ich ein altes Haus kaufe? Aber auch: Wie verkaufe ich ein Haus? Und dann unsere persönliche Beratung zur Immobilien-Finanzierung: Sie geht über 90 Minuten und kostet 190 Euro. Aktuell bieten wir wegen Corona allerdings nur eine einstündige telefonische Beratung für 127 Euro an, die Kompakt-Version quasi. Ganz wichtig: Ratsuchende sollten uns ihre Unterlagen im Vorfeld schicken – über unser gesichertes Portal.

Welche wichtigen Fragen gilt es zu beantworten, ehe ich als Käufer oder Bauherr aktiv werde?

Also, man sollte sich schon sehr sicher sein, dass man eine gewisse Zeit an einem neuen Standort wohnen möchte. Denn an den ist man dann ja auch gebunden, da gibt man ein Stück Flexibilität auf. Oft werden Immobilien nach ein paar Jahren wieder verkauft – etwa wegen einer Scheidung oder möglichem Jobwechsel. Das führt dann häufig zu einem großem finanziellen Verlust, da Kaufnebenkosten wie Grunderwerbsteuer und Maklergebühren natürlich nicht erstattet werden. Hinzu kommen oft hohe Vorfälligkeitsentschädigungen, die für die vorzeitige Ablösung des Kredits bezahlt werden müssen.

Können auch soziale Gründe zum Interesse am Hauskauf oder Hausbau führen?

Oft wollen Inhaber einer Mietwohnung einen Immobilie kaufen, weil sie zum Beispiel mit den anderen Mietern im Haus nicht klarkommen. Aber: Man sollte immer bedenken, dass ich als Eigentümer einer Wohnung ähnliche Probleme mit anderen Bewohnerinnen oder Bewohnern haben kann und nicht die Möglichkeit, die ich als Mieter habe, mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten die Wohnung zu verlassen und mir etwas Neues zu suchen.

Was ist also die Kernfrage?

Die Kernfrage ist: Bin ich bereit, Flexibilität aufzugeben? Darüber sollte man sich Gedanken machen. Was, wenn ein Kind kommt – und der Kredit weiterbedient werden muss? Schließlich begeben Sie sich als Familie in die finanzielle Abhängigkeit einer Bank. 1600 Euro Kreditrate statt 800 Euro Miete – schaffe ich das? Eine Immobilie zu erwerben – das bedeutet immer finanzielle Einschränkungen.

Gibt es eine Faustregel bei der Immobilien-Finanzierung?

Christoph Hommel, im Team der Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle Siegen, für die Immobilien-Finanzierung zuständig, über Hausbau oder Hauskauf: „Man sollte sich schon sehr sicher sein, dass man eine gewisse Zeit an einem neuen Standort wohnen möchte. Denn an den ist man dann ja auch gebunden, da gibt man ein Stück Flexibilität auf.“
Christoph Hommel, im Team der Verbraucherzentrale NRW, Beratungsstelle Siegen, für die Immobilien-Finanzierung zuständig, über Hausbau oder Hauskauf: „Man sollte sich schon sehr sicher sein, dass man eine gewisse Zeit an einem neuen Standort wohnen möchte. Denn an den ist man dann ja auch gebunden, da gibt man ein Stück Flexibilität auf.“ © Unbekannt | Verbraucherzentrale NRW

Man sollte maximal 35 bis 40 Prozent des – bei Familien gemeinsamen – Netto-Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Beispiel: 4000 Euro Einkommen und davon 35 Prozent macht 1400 Euro. Zieht man dann noch 350 Euro für Nebenkosten und Instandhaltung ab, sollte die Kreditrate bei maximal 1050 Euro liegen. Ich rate dazu, die Rate eher niedrig anzusetzen und mit zusätzlich zur Verfügung stehendem Kapital Sondertilgungen zu leisten. Die Möglichkeit zur Sondertilgung muss natürlich bei Kreditabschluss vertraglich vereinbart werden.

Konkret bieten Sie Ratsuchenden zum Thema ein 90-minütiges Beratungsgespräch für 190 Euro an. Wie kommt das bei den Verbrauchern an, beispielsweise aus Wittgenstein – zumal letztere sich ja derzeit auch gut per E-Mail oder Telefon melden können? Geht es dabei eigentlich nur um den Hauskauf oder auch um den Hausbau? Reicht so ein Gespräch für die Beratung überhaupt aus?

Ich berate sowohl zum Hausbau als auch zum Hauskauf – das macht in der Finanzierung keinen großen Unterschied. Ein Pluspunkt: Es ist eine unabhängige Beratung der Verbraucherzentrale. Die Leute haben also nicht das Gefühl, dass ich ihnen etwas aufschwatzen möchte, sondern dass meine Meinung eine unabhängige ist. Oft ist es tatsächlich nicht mit einer Beratung getan und ich begleite die Leute noch länger. Sie kommen vielleicht noch einmal mit dem konkreten Kreditvertrag, bevor sie ihn unterschreiben. Dann können wir gemeinsam prüfen: Ist Besprochenes auch im Vertrag umgesetzt?

Persönliche Angaben, Budget-Betrachtung, Belastbarkeitsermittlung, Eigenkapital, Objektvolumen: Warum macht es Sinn, vor dem Gespräch so einen Beratungsbogen zu diesen Stichworten auszufüllen?

Budgetbetrachtung, Belastbarkeitsermittlung, verfügbares Eigenkapital - damit setzen sich Ratsuchende im Beratungsbogen auseinander, ehe er ins Gespräch mit dem Experten der Verbraucherzentrale geht.
Budgetbetrachtung, Belastbarkeitsermittlung, verfügbares Eigenkapital - damit setzen sich Ratsuchende im Beratungsbogen auseinander, ehe er ins Gespräch mit dem Experten der Verbraucherzentrale geht. © Unbekannt | Eberhard Demtröder

Sicher: Der Beratungsbogen ist relativ umfassend. Aber man erkennt dabei eventuell: Da sind vier Kinder im Haushalt, wäre da nicht Wohn-Riester sinnvoll? Oder: Was sind die Schritte, die man bis zum Wohneigentum noch tun muss? Gibt’s da noch Versicherungen, die man vielleicht gar nicht weiterführen muss und kündigen kann? Was lässt sich als Eigenkapital einbringen? Vielleicht ein Aktien-Depot? Man muss in Beratungsbogen auch einmal seine monatlichen Ausgaben aufschreiben. Und dann kommen die Leute oft und sagen: Es war spannend zu sehen, wo das alles herkommt mit den Ausgaben. Und vielleicht erkennen sie dann auch: Ich kann mir eine eigene Immobilie eigentlich gar nicht leisten, ohne dass ich in anderen Bereichen extrem verzichten muss.

Wann hat das notwendige Eigenkapital eine vernünftige Höhe?

Das Eigenkapital für die Finanzierung steht auf gesunden Beinen, wenn man die Maklergebühren, die Grunderwerbssteuer und die Notarkosten finanzieren kann. Das sind in Summe etwa zwölf Prozent. Des Weiteren wäre es gut, 20 Prozent des Kaufpreises mit Eigenkapital abdecken zu können. Beispiel: Das Haus kostet 300.000 Euro – dann wären rund 96.000 Euro Eigenkapital eine solide Grundlage. Aber das haben die allerwenigsten Leute. Bei mehr als 50 Prozent der Beratungen, sage ich den Leuten als Fazit: Ich würde Ihnen vom Kauf oder Hausbau abraten. Das ist ganz oft auch altersabhängig.

Wie oft führt das Beratungsgespräch dazu, dass ich als Ratsuchender plötzlich zu der Erkenntnis komme: So ein Bauprojekt zu schultern ist zu schwer für mich?

Das ist tatsächlich ganz oft so. Ich rate oft vom Kauf ab, weil zu wenig Eigenkapital oder ein zu geringes Einkommen vorhanden ist. Wir als Verbraucherzentrale gehen da ein Stückweit konservativer dran als die Bank. Die macht ja auch nur dann ein Geschäft, wenn der Kauf zustande kommt. Wir dagegen äußern gegenüber den Ratsuchenden Bedenken und sind vorsichtig. Die Wahrheit liegt dann vielleicht irgendwo in der Mitte. Klar ist aber: Banken haben den Auftrag als Unternehmen, Gewinn zu maximieren. Man sollte also nicht blauäugig in ein Gespräch mit dem Bankberater gehen.

Bank oder freier Immobilienmakler – über wen sollte ich Hausbau oder Hauskauf am besten abwickeln? Oder gibt es da noch empfehlenswerte Alternativen?

Was ich immer sehr empfehle, ist, möglichst viele Kreditangebote einzuholen. Ansprechpartner können zum Beispiel Kreditvermittler, aber auch die Hausbank vor Ort sein. Ein Vergleichsportal dafür im Internet ist www.fmh.de. Und auch das muss Hauskäufern oder Häuslebauern klar sein: So einen Immobilien-Finanzierung ist Arbeit, damit muss ich mich auseinandersetzen. Mein Rat in jedem Fall: verschiedene Anbieter checken und vergleichen.

Christoph Bald: Klassisches Bausparen bleibt ein guter Tipp

Christoph Bald, Spezialist für Baufinanzierungen und öffentliche Förderprogramme bei der LBS Südwestfalen in Bad Berleburg: „Gerade im Bereich der energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau hervorragende Rahmenbedingungen.“
Christoph Bald, Spezialist für Baufinanzierungen und öffentliche Förderprogramme bei der LBS Südwestfalen in Bad Berleburg: „Gerade im Bereich der energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau hervorragende Rahmenbedingungen.“ © Unbekannt | LBS Südwestfalen

Bausparen – macht das noch Sinn, wenn ich ein Haus kaufen oder bauen möchte? Durchaus, sagt Christoph Bald, Spezialist für Baufinanzierungen und öffentliche Förderprogramme bei der LBS Südwestfalen in Bad Berleburg. Aber auch Gewinne aus Geschäften mit Krypto-Währungen ließen sich durchaus zur Immobilien-Finanzierung einsetzen.

Bausparen

„Bausparen ist nach wie vor das klassische Instrument, um sich das aktuelle Zinsniveau langfristig zu sichern“, argumentiert Bald. Und diese Zinssicherung bis zur letzten Rate sei „angesichts historisch niedriger Zinsen so wertvoll wie nie zuvor“. Für Haushalte, die ihre Finanzierung bei deutlichem Zinsanstieg nicht mehr tragen könnten, sei eine langfristige Zinssicherung „sogar von existenzieller Bedeutung“. Aber auch wer erst in einigen Jahren eine Immobilien-Finanzierung plane, so Bald, könne sich mit einem Bausparvertrag jetzt schon niedrige Zinsen für die Zukunft sichern. Ferner profitierten Bausparer von attraktiver staatlicher Förderung – Bald: „Dazu zählen die Wohnungsbauprämie, vermögenswirksame Leistungen mit Arbeitnehmer-Sparzulage und der Wohn-Riester.“

Fördergelder

Beim Hauskauf interessant: Geld von der KfW. „Gerade im Bereich der energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau hervorragende Rahmenbedingungen“, weiß der Baufinanzierer mit Blick auf „eine Vielzahl unterschiedlichster Förderprogramme“. Jedoch bedürfe es hier „einer umfassenden und bedarfsgerechten Beratung, um alle Fördermöglichkeiten auszuschöpfen“. Letzteres gelte im Übrigen auch für Mittel der öffentlichen Hand wie etwa der Kreisverwaltung, dem Bundesamt für Umweltschutz und Ausfuhrkontrolle (BAFA) oder der NRW-Bank.

Kryptowährung

Mit der Kryptowährung „Bitcoin“ zur Immobilie – gibt‘s da auch hier bei uns in Wittgenstein ein Interesse, vor allem bei jungen Häuslebauern oder -käufern? Erfahrungen damit „gibt es derzeit, zumindest in unserem Geschäftsbereich, nicht“, so Christoph Bald. „Festzuhalten bleibt, dass der Markt an Spekulationsgeschäften mit Bitcoins deutlich zunimmt. Wer damit nebenbei Geld verdient, kann den Gewinn durchaus für eine Sondertilgung seines Immobilien-Darlehens nutzen. Mittlerweile lassen sich aber tatsächlich Immobilienkauf und Immobilien-Finanzierung mit Kryptowährungen realisieren.“ Wahr sei aber auch: „Bei selbst genutztem Wohneigentum dürfte die Finanzierung mit Bitcoin und Co. nur in den wenigsten Fällen passen.“

Nachfrage

Ganz nebenbei: Trotz Corona-Pandemie habe sich die Nachfrage bei Immobilien und Finanzierungen „auch im Jahr 2021 angesichts niedriger Zinsen und mangelnder Anlage-Alternativen auf stabilem Niveau gehalten“, stellt Christoph Bald fest. Überhaupt seien private Wohn-Immobilien auch in der Pandemie ein krisenfestes Investment.