Erndtebrück. Der Physiker Dr. Jörn Donges hat in 30 Jahren nacheinander ein gutes Dutzend Wohnungen angemietet. – Im Interview: die Wohnungsgenossenschaft.
Dr. Jörn Donges ist noch neu in Erndtebrück. Vor einigen Wochen erst ist der Diplom-Physiker von Hamburg in die Pulverwaldstraße gezogen. Zur Miete. Und die ist für ihn jetzt deutlich geringer als im hohen Norden.
Die Mietpreise
Steckbrief: Dr. Jörn Donges
Jörn Donges (48) wird im hessischen Herborn geboren. Im Alter von vier Jahren kommt er mit seiner Familie nach Bad Berleburg, wächst hier auf und macht sein Abitur am Johannes-Althusius-Gymnasium. Er studiert in Marburg und schließt 1999 als Diplom-Physiker ab. Es folgt die Promotion in Freiburg.
2013 beginnt Donges eine Zusatzausbildung „Technische Dokumentation“ in Karlsruhe. Als Technischer Redakteur arbeitet er für mehrere Dienstleister, zuletzt die „Datenlotsen“ in Hamburg. Als das Unternehmen seine Mitarbeiter dann im März 2020 wegen der beginnenden Corona-Pandemie ins Homeoffice schickt und im Haus seines früheren Schulkameraden Ingmar Belz eine Mietwohnung frei wird, entschließt sich Donges zum Umzug nach Erndtebrück. Seine Eltern und ein Bruder leben in Bad Berleburg.
Als freier Wissenschaftsjournalist schreibt der Diplom-Physiker unter anderem für das „Physik-Journal“, Mitgliederzeitschrift der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Seine Hobbys: Garten, Kochen, mehrtägige Trekking-Touren, Naturschutz.
Zum Vergleich: „Meine letzte Wohnung in Hamburg hat mit 40 Quadratmetern 700 Euro Warmmiete gekostet“, sagt Donges. „Hier in Erndtebrück sind es jetzt 500 Euro Warmmiete für 80 Quadratmeter.“ Donges schätzt, dass „mit jedem Umzug und damit einhergehender Neuvermietung der Quadratmeter-Preis um 10 bis 15 Prozent gestiegen“ sei. „Zuletzt habe ich für zwei Zimmer in Hamburg den Preis in Euro bezahlt, den ich vor 20 Jahren in D-Mark bezahlt habe.“
Nachdem er nun von der Großstadt aufs Land gezogen sei, so Donges, sei die Situation „deutlich entspannter. In Hamburg hätte ich mir eine Wohnung der jetzigen Größe nicht leisten können. Natürlich hatte dort die Höhe der Monatsmiete einen starken Einfluss auf Größe und Lage der Wohnungen, die für mich überhaupt in Frage kamen.“
Die Vorteile des Mietens
Immerhin ein gutes Dutzend Wohnungen hat Donges innerhalb von 30 Jahren nach und nach angemietet. „Ich habe fast mein ganzes Leben lang zur Miete gewohnt, weil ich durch Studium und Beruf oft kurzfristig innerhalb von Deutschland umziehen musste und eine Mietwohnung dabei natürlich flexibler ist.“ Der Vorteil: Man könne sie eben „einfach kündigen und anderenorts neu anmieten“.
Die Nachteile des Mietens
Und die Nachteile? „Wenn man Wohneigentum abbezahlt, spart man damit quasi auf die Zukunft an“, sagt Donges. „Die Miete ist aber jeden Monat einfach weg. Es gibt auch das Risiko, als Mieter gekündigt zu werden, zum Beispiel wegen Eigenbedarf.“
Die Anlässe zum Wechsel
Für Donges waren die Anlässe, in eine neue Stadt umzuziehen, „immer beruflich bedingte Wechsel. Und wenn ich innerhalb einer Stadt umgezogen bin, dann meist aufgrund einer unbefriedigenden Wohnsituation, entweder wegen zuviel Verkehrslärm oder zu wenig Platz. Der letzte Umzug hatte aber eher familiäre Gründe.“
Donges arbeitet als Technischer Redakteur. Für den Hamburger Dienstleister „Datenlotsen“ verfasst er Dokumentationen zu Campus-Management-Software. Aber während sein Arbeitgeber seinen Sitz weiterhin in Hamburg hat, sitzt der 48-Jährige nun im Wittgensteiner Land vor seinem Computer und erledigt seine Arbeit einfach von dort. Weil es geht.
Mieten für Singles
Letzte Frage: Wie ideal sind Mietwohnungen für Single-Haushalte? „Ich sehe da keinen Zusammenhang“, sagt Donges. „Man kann als Single natürlich auch in einer Eigentumswohnung wohnen. Ich denke, es geht eher um die Flexibiliät – und wie stark man sich an einen bestimmten Ort binden will.“
Wohnen im Tiny House
Sehr interessant findet der Physiker „die Tiny House-Bewegung. Es bedeutet, Naturnähe, Wohneigentum und Minimalismus miteinander zu verbinden. Ein solches Tiny House irgendwann zu kaufen – das könnte ich mir tatsächlich vorstellen“.
Wohnen im Eigentum
„Ich hatte sogar mal eine Eigentumswohnung in einem Hochhaus in Hamburg“, erzählt Dauer-Mieter Dr. Jörn Donges über seinen Ausflug in das etwas andere Wohnen.
„Man ist dann aber Teil einer Eigentümergemeinschaft und daher ebenfalls nicht frei in den Entscheidungen“, so seine Erfahrung. „Als im gesamten Haus die Wasserleitungen saniert wurden und die Arbeiten sich wegen falscher Planung verzögerten, hatte ich drei Monate lang kein Badezimmer. Während die Mieter im Haus in dieser Zeit die Miete aufgrund dieser Situation teilweise sogar auf Null minderten, musste ich als Eigentümer sogar noch für die Kosten mit aufkommen.“
Und: „Ich musste morgens mit dem Fahrstuhl aus dem 8. Stock herunterfahren und in einen vor dem Haus bereitgestellten, schmutzigen mobilen Waschraum, nur um auf die Toilette gehen zu können. Außerdem war die Gegend stark von Fluglärm betroffen, was ich aber erst nach dem Kauf bemerkte. Ich habe die Wohnung zum Glück nach zwei Jahren wieder verkaufen und den Immobilienkredit vorzeitig zurückzahlen können.“
Interview: „Mieter ist auch Miteigentümer“
Die Wohnungsgenossenschaft Wittgenstein (WSG) bietet ihre Mietwohnungen nach einem speziellen Modell an. Und das hat auch für die Mieter Vorteile. Dazu im Gespräch: Marc Hofmann,
Geschäftsführer Wohnungsgenossenschaft Wittgenstein (WSG)
Wie wird man Mieter bei der WSG?
In aller Regel durch die Unterschrift unter einem Nutzungsvertrag und der „Übergabe“ der Wohnung bzw. der Schlüssel. Aber natürlich müssen WSG und neuer Mieter sich vorher irgendwie gefunden haben: Das kann durch die Reaktion auf ein Wohnungsangebot im Internet oder per Aushang passiert sein, oder der Interessent hat von sich aus nach einer Wohnung gefragt, oder der Kontakt wurde über Nachbarn, Verwandte oder ähnliche Mundpropaganda hergestellt.
Was sollte in einem fairen Mietvertrag vor allem drinstehen?
In den Vertrag gehören die Rechte und Pflichten der beiden Vertragsparteien verbunden mit einer genauen Beschreibung der Mietsache. Dies möglichst transparent und verständlich. Es gibt tatsächlich nur noch wenige Punkte, die nicht durch das BGB oder die Rechtsprechung bereits festgeschrieben sind. Aber zur Dokumentation sind natürlich Miethöhe, Nebenkosten, Dauer, Mietsache (Wohnung, Stellplatz, Keller oder Dachboden, Gemeinschaftsräume, Ausstattung usw.) aufzuführen. Und über den Umfang der Gemeinschaftsaufgaben sollten in einem Mehrfamilienhaus auch Regelungen festgeschrieben sein, um Probleme zu vermeiden.
Wie gut kommt bei potenziellen Mietern das genossenschaftliche Modell an?
Eine Genossenschaft als sicherer und fairer Vermieter hat in den letzten Jahren an Bekanntheit sicherlich zugelegt. Wir haben einige Interessenten, die mit dem Thema vertraut sind und uns bewusst anfragen. Aber auch die, denen das genossenschaftliche Modell noch unbekannt ist, schätzen die Vorteile. Von der Anmietung zurückgetreten ist aus diesem Grund noch kein potenzieller neuer Mieter.
Die Mitgliedschaft in der Genossenschaft ist Pflicht, wenn man Mieter ist? Wenn ja: Warum?
Ja, jeder Mieter ist auch Mitglied der Genossenschaft. Dies hat vor allem steuerliche Gründe: Bei Vermietungsgenossenschaften ist das Vermieten von Wohnungen an die Mitglieder steuerbefreit.
Wenn nicht: Wo liegen in einer Mitgliedschaft die Vorteile für Mieter?
Auch interessant
Der Mieter ist eben nicht nur Mieter sondern auch Miteigentümer der Genossenschaft. Er hat Mitbestimmungsrechte und kann sich darauf verlassen, dass die Bestimmungen aus Satzung und Genossenschaftsrecht eingehalten werden. Daraus ergeben sich dann meist eine geringere Miete, ein Dauerwohnrecht ohne Eigenbedarfskündigungen, ein erweiterter Service rund ums Wohnen und auch Einnahmen aus Dividenden.
Wie stellen Sie sich den idealen Mieter vor?
Nach Abschluss des Mietvertrags wollen Mieter und Vermieter am besten gar nicht mehr so viel miteinander zu tun haben. Man muss sich aufeinander verlassen können und Toleranz und Verantwortungsbewusstsein „in die Beziehung“ einbringen.
Was ist bei Vermietern gefürchtet im Verhältnis zum Mieter? Sind „Miet-Nomaden“ ein Problem?
Bei tausenden Mietverhältnissen in den letzten Jahrzehnten hat die WSG auch einige unschöne Dinge gesehen und durchleben müssen. Wenn das genossenschaftliche Eigentum beschädigt wird und hohe Kosten zur Wiederherstellung anfallen, leiden am Ende alle Mitglieder darunter.
Welche Bedeutung hat bei der WSG die Verwaltung fremder Mietwohnungen oder größerer Wohnungseigentümer-Gemeinschaften?
Die Haus- und WEG-Verwaltung ist ein zusätzliches Dienstleistungsangebot unserer Genossenschaft an Eigentümer von Wohnimmobilien. Diese profitieren von unserer Erfahrung, unserem „Netzwerk“ und dem Fachwissen unserer Mitarbeiter*innen. Wir erhalten hier auch Einblicke in den nicht genossenschaftlichen Wohnungsmarkt.
In jungen Jahren erst einmal mieten, später mit der Familie Eigentum schaffen – gilt das heute noch so?
Dieses Modell hat für viele Familien in der Vergangenheit funktioniert und kommt auch heute noch vor.
Wie haben sich im Laufe der Zeit die Ansprüche der Mieter an eine Mietwohnung verändert? Wo sind da die rechtlichen Grenzen?
Die Ansprüche an eine Genossenschaftswohnung unterscheiden sich nicht zu den allgemeinen aktuellen Erwartungen an Wohnraum. Barrierearm, klimagerecht und bezahlbar. Wenn der Wohnraum diese Erwartungen erfüllen kann, dann sollte er auch gut zu vermieten sein. Am deutlichsten verändert hat sich sicherlich die technische Ausstattung. Das können neben der schnellen Internetanbindung auch „smarte“ Komponenten sein, oder die Ausstattung mit Rauchmeldern, die mittlerweile vorgeschrieben ist. Die rechtliche Grenze stellt dabei immer der „vertragsgemäße Gebrauch“ der Wohnung da. Wieder entfernbare Veränderungen sind ok, eingerissene Wände und bauliche, dauerhafte Veränderungen (ohne Genehmigung) selbstverständlich nicht.
Ihr Verbraucher-Tipp: Wann ist eine Mietwohnung günstiger als Wohneigentum?
Auch interessant
Wir sind überzeugt davon, dass genossenschaftliches Wohnen eine großartige Alternative zum Wohneigentum jetzt und in Zukunft sein kann. Unsere Mitglieder und Mieter haben die Flexibilität von relativ kurzen Kündigungsfristen und gleichzeitig die Sicherheit eines lebenslangen Nutzungsrechts. Hinzu kommen Serviceleistungen rund ums Wohnen, die im Eigentum nicht selbstverständlich sind, bzw. selbst organisiert werden müssten.
Was sollte man als guter Vermieter beachten?
In den aktuellen gesellschaftlichen Debatten, gerade in angespannten Wohnungsmärkten, kommen Vermieter per se nicht gut weg. Dabei gehen vor allem die ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen meist verantwortungsvoll mit Mietern und Mieten, ihren Beständen und dem Zuhause der Menschen um. Eine von uns vor zwei Jahren durchgeführte umfangreiche Befragung hat in puncto Mieterzufriedenheit ergeben, dass wir uns auf dem richtigen Weg zum „guten Vermieter“ befinden.