Wittgenstein/Wemlighausen. Das Freizeitzentrum des Kirchenkreises Wittgenstein bleibt trotz eines dauerhaften Minus erhalten. Aber es gibt jetzt klare Vorgaben.

„Was ist die Alternative? Könnten wir uns denn wirklich vorstellen, Ohne das Abenteuerdorf im Kirchenkreis zu leben und zu arbeiten?“ Diese Frage stellte Superintendentin Simone Conrad der Sondersynode, die am Mittwochabend über die Zukunft des Abenteuerdorfes entscheiden musste.

Video-Sitzung

Sondersynode per Video: Pfarrerin Kerstin Grünert und Superintendentin Simone Conrad (von links) vor den Bildschirmen.
Sondersynode per Video: Pfarrerin Kerstin Grünert und Superintendentin Simone Conrad (von links) vor den Bildschirmen. © WP | Evangelischer Kirchenkreis Wittgenstein

Und das taten die in Coronazeiten in einer Zoom-Videokonferenz zusammengeschalteten 39 Synodalen nach einer „sehr intensiven, dichten Sitzung“, wie Conrad in einer anschließenden Pressekonferenz bilanzierte. Dort freuten sich die Superintendentin und der Vorsitzenden des Finanzausschusses Pfarrer Dr. Dirk Spornhauer mit der Geschäftsführerin des Abenteuerdorfes (ADW), Silke Grübener über ein eindeutiges Votum. In Geheimer Wahl waren es 30 Stimmen für den Erhalt, die 4 Gegenstimmen gegenüber standen. Vier Synodenmitglieder enthielten sich. Eine Stimme konnte nicht gezählt werden.

Mit diesem grundsätzlichen Beschluss, das ADW zu erhalten verbunden ist ein Ende langjähriger Diskussionen. Denn erst in fünf Jahren wird der Weg des Abenteuerdorfes aus der Krise erneut ein großes Thema. Bis dahin kann der Kirchenkreis auf eine unbefristete Betriebserlaubnis durch die Landeskirche hoffen.

Prekäre Lage mit Geschichte

Die Zahlen des Abenteuerdorfes

Rückblick: Für 2020 hatte der Kirchenkreis Wittgenstein im Abenteuerdorf Wittgenstein mit 13.000 Übernachtungen kalkuliert. Tatsächlich waren es 3000. bei den Tagesgästen waren 25 Veranstaltungen mit rund 1500 Gästen eingeplant. Tatsächlich aber waren es nur sechs Veranstaltungen mit weniger als 300 Teilnehmern.

Um Geld zu sparen wurden alle fixen Kosten, die nicht für die Erhaltung der Gebäudesubstanz notwendig sind zurück gefahren.

Personalkosten: Kurzarbeit galt ab Mai fr die Küche und ab Juni 2020 für Verwaltung, Erlebnispädagogik und Hausmeister. Außerdem wurden freie Stellen nicht neu besetzten und Stunden bei mehreren Stellen reduziert.

Die Abschlussrechnung 2020 geht von einem Fehlbetrag von 91.105,50 Euro aus.

Ausblick: Für das angelaufenen Jahr 2021 sind aktuell 6500 Übernachtungen angefragt. Bei den Tagesgästen waren Stand Januar 12 Veranstaltungen geplant. Aktuell gibt es vermehrt zusätzliche Anfragen für teils große Familienveranstaltungen im Sommer 2021.

Darüber hinaus plant das Team die Aufnahme der Ferienprogramme, Sommercamps und verschiedener Tagesangebote.

Hintergrund der Sondersynode war die prekäre wirtschaftliche Lage des Betriebs des Leuchtturmprojektes im gesamten Kirchenkreis, das 2017 nach einem umfassen, teuren Umbau mit viel Eigenleistungen aus dem Kreis der Kirchenmitglieder eröffnet wurde. Schon damals startet das Abenteuerdorf mit einem Minus, auch wenn das Ziel ein sich selbst betriebswirtschaftlich tragender Betrieb war. Immer wieder war das Abenteuerdorf deshalb Diskussionspunkt in Synoden und Gegenstand der Kritik, auch wenn inzwischen mit Geschäftsführern Silke Grübener ein Konzept vorlag, dass das Abenteuerdorf langfristig stabilisieren sollte. „Und dann nahm uns eine Pandemie in den Würgegriff. Vieles verzögerte sich, wurde schwieriger und unkalkulierbar“, berichtet Superintendentin Simone Conrad von den Auswirkungen, die die Verwaltung des Kirchenkreises, den Finanzausschuss und letztlich diese Sondersynode auf den Plan gerufen haben.

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„Es ist immer wieder eine besondere Herausforderung, als Pfarrerin oder Pfarrer mit diesen Begriffen aus dem Finanz- und Wirtschaftsleben angemessen umzugehen oder sie auch nur annähernd richtig zu verstehen“, erläuterte der Vorsitzende des Finanzausschusses Pfarrer Dr. Dirk Spornhauer der Synode, wie der Ausschuss gemeinsam mit dem Verwaltungsleiter Oliver Berg die Zahlen, Ursachen und Möglichkeiten durchgegangen sei.

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Spornhauer erläuterte, warum das Unternehmen nicht in die Insolvenz gehen könne. „Das Abenteuerdorf wird zwar wie ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb geführt und steuerlich so behandelt, ist jedoch Teil des Kirchenkreises. Und bei einem Kirchenkreis als Körperschaft öffentlichen Rechts ist eine Insolvenz nicht vorgesehen und damit auch beim ADW nicht.“

Argumente für Fortbestand

Außerdem diskutierte der Ausschuss warum es Sinn mache das Abenteurerdorf zu erhalten:

1. Der Kirchenkreis müsste die Schulden, die durch den Umbau entstanden sind, zunächst weiter abbezahlen. Ebenso wären wohl Fördergelder in Höhe von ca. 200.000 zurückzuzahlen.

2. Der Kirchenkreis hat für das kirchliche Eigentum weiter Sorge zu tragen, müssten also auch Instandhaltungen vornehmen, um den Wertverlust nicht fahrlässig herbei zu führen.

3. Der Kirchenkreis könnten versuchen, für das Gelände und die Gebäude einen Käufer zu finden, aber da das Gelände einerseits im Außenbereich liegt und andererseits eine Betriebsgenehmigung nur für die jetzige Nutzung vorliegt, wäre es für einen Investor sehr schwer, irgendeine andere Nutzung vorzunehmen. Diese Nachteile könnten wohl nur über den Kaufpreis ausgeglichen werden wobei es auch auf die Genehmigungsfähigkeit aus Bielefeld ankäme.

4. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten betriebsbedingt gekündigt werden, was jedoch nicht bei allen möglich wäre, da z.B. die Geschäftsführerin gemäß der Satzung Angestellte des Kirchenkreises ist. Es kämen also weiterhin Personalkosten auf den Kirchenkreis zu, allerdings ohne die Möglichkeit, dass die Geschäftsführerin versuchen könnte, diese durch Einnahmen des Abenteuerdorfes, zumindest teilweise, zu kompensieren, was ja zur Zeit, wenn man sich die Liquidität anschaut, passiert.

Forderungen an Abenteuerdorf

„Wir haben dann noch einmal ganz klar die weitere Reduzierung der Verluste gefordert und dafür ein intensives und engmaschiges Kontrollsystem gefordert“, so Spornhauer:

Die Geschäftsführerin soll dem Finanzausschuss und über diesen dem KSV vierteljährlich Bericht erstatten in Form von Soll-Ist Vergleichen.

Ein Businessplan ist zu entwickeln und fortzuschreiben.

Die Angebotsstruktur und die Auslastung des ADW soll weiter verbessert werden,

der Beirat und der Förderverein sollen als Ideengeber eingebunden werden,

auch externe Expertise soll, wenn nötig hinzugezogen werden.

Finanzierungsschema

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Unter diesen Voraussetzungen habe der Finanzausschuss sich dafür ausgesprochen, jährlich maximal 150.000 Euro für das ADW zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag ist wie eine Bürgschaft oder ein Dispokredit zu verstehen, der nicht überschritten werden darf. Das Defizit werde dann nach dem bekannten Schema 70 Prozent zu 30 Prozent zwischen Gemeinden und Kirchenkreis aufgeteilt. Nicht verbrauchte Gelder hiervon würden nach dem gleichen Schema wieder zurückgebucht.

150.000 Euro sind viel Geld, sagt die Superintendentin Simone Conrad. Aber: „Was ist die Alternative? Könnten wir uns denn wirklich vorstellen, Ohne das Abenteuerdorf im Kirchenkreis zu leben und zu arbeiten? Es ist eine Grundsatzentscheidung, die wir heute treffen: wollen wir das Abenteuerdorf weiterführen, auch wenn es zurzeit nicht kostendeckend betrieben werden kann?

Am Ende wurde sie getroffen. „Ich bin froh das wir eine Entscheidung für die Inhaltliche Arbeit im Abenteuerdorf getroffen haben“, formulierte es Dirk Spornhauer.