Bad Laasphe/Berlin. „Gerade in dieser hektischen und auch unruhigen Zeit hat mir meine Heimat Bad Laasphe viel innere Ruhe gegeben“, sagt der Schauspieler.

Ku’damm 56, 59 und 63, Das Boot, Das Geheimnis des Totenwaldes und vieles mehr – August Wittgenstein hat mit gerade einmal 40 Jahren zahlreiche Rollen gespielt – in Serien und Filmen. Bereits mit 15 Jahren verließ er seine Wittgensteiner Heimat und zog ins Ausland. Heute lebt er in Berlin. Dennoch zieht es ihn des Öfteren zurück in seine Heimat. Im Interview verrät er, was für ihn das Besondere an Wittgenstein ist und spricht über die Anfänge als Schauspieler sowie aktuelle Projekte.

Herr Wittgenstein, sind Sie auch heute noch oft in Ihrer alten Heimat?

August Wittgenstein: Während der Coronazeit war ich sehr oft Zuhause, wo ich unter anderem die Zeit mit der Familie meines Bruders verbracht habe – aber auch mit meinen Eltern – natürlich auf Abstand. Gerade in dieser hektischen und auch unruhigen Zeit hat mir meine Heimat Bad Laasphe viel innere Ruhe gegeben.

Ist das auch ein Vorteil gegenüber dem Stadtleben?

Auf jeden Fall. Natürlich bietet die Stadt ein großes kulturelles und gastronomisches Angebot. Doch wenn das alles plötzlich wegfällt, verliert die Stadt an Charme und das Land gewinnt. Ich glaube viele Menschen haben in dieser Zeit die Natur und die Ruhe auf dem Land noch einmal mehr schätzen gelernt. Ich persönlich habe es so empfunden. Daher war ich auch so oft ich konnte zuhause – im ersten Lockdown noch mehr als danach.

Was ist das Besondere an Wittgenstein?

Ich verbinde mit dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, viele Kindheitserinnerungen – z.B. bin ich mit dem FC Laasphe in der E-Jugend Fußballmeister geworden und auch meine Tennisfreunde leben teilweise noch dort. Für mich hat die Natur und das Landschaftsbild – vor allem das Rothaargebirge – etwas sehr Beruhigendes. Aber auch die Menschen und ihre Art von Humor – das sind die Dinge, die ich am meisten mit der Heimat verbinde.

Gibt es Momente, in denen Sie Ihre Heimat vermissen?

Total, ich vermisse sie eigentlich ständig. Ich denke da an das gute Bosch Bier und die Pfefferbeißer aus der Region – die Spezialitäten dort vor Ort und natürlich vermisse ich meine Familie. Ich war von 15 bis 30 im Ausland und das war auch mit ein Grund, wieder zurück zukommen. Ich wollte wieder näher an meiner Familie und der Heimat sein.

Wie war das für Sie, mit 15 Jahren das erste Mal ins Ausland zu ziehen?

Es war natürlich ungewohnt, sich so weit weg von der Familie, den Freunden und dem gewohnten Umfeld zurecht zu finden. Gleichzeitig aber musste man auch schnell selbstständig werden, was nicht unbedingt schlecht für einen pubertierenden Teenager ist. Ich habe dort eine große Neugier entwickelt für die Plätze an denen ich war. Ich war unter anderem drei Jahre in Schweden, je ein Jahr in England und in Frankreich und habe in den Staaten gelebt. Die Kulturen dort und die Bräuche – das hat mich sehr interessiert. So hat das Neuartige ein Stück weit das Heimweh etwas gemindert.

Wie war dies für Ihre Familie?

Die haben sich eigentlich alle gefreut, dass ich niemandem zuhause mehr auf die Nerven gehen konnte.

Wie wichtig ist Ihnen Familie und Freundschaft?

Familie ist das wichtigste im Leben. Es gibt niemanden, der einen so gut versteht und mit dem man eine Geschichte so sehr verbindet, wie mit der Familie. Das ist mir schon sehr wichtig, mit ihnen viel Zeit zu verbringen. Man braucht sich dort auch nicht zu erklären – die kennen einen und wissen, wie man tickt. Das ist ein sehr unbeschwertes Miteinander. Meine Freunde sind bei mir leider sehr weit verstreut. Es ist schwer, das alles unter einem Hut zu bringen, aber diese Qualitytime gibt mir schon sehr viel Kraft.

War für Sie schnell klar, dass Sie Schauspieler werden möchten?

Das war immer schon ein Kindheitswunsch von mir. Damals wusste ich natürlich noch nicht, was es am Ende bedeutet – von wegen Casting und wie hart die Branche manchmal wirklich ist. Den Wunsch an sich aber hatte ich schon früh – da war ich ungefähr fünf, sechs Jahre alt.

Wie war das erste Casting dann?

Das erste Casting war der Grund, warum ich drangeblieben bin. Den Job habe ich am Ende sogar bekommen – ein Werbefilm für eine Kleidermarke – damals in Australien. Da dachte ich noch, wenn das so einfach ist, ist das ja kein Ding. (lacht) Aber es stellte sich später heraus, dass es nicht so einfach bleiben wird. Die Castings, bei denen man etwas aufgeregter ist, sind die, wo man weiß, dass es eine so super Rolle ist, mit tollen Kollegen und tollem Regisseur – eine Rolle, die man unbedingt haben möchte. Sobald man diesen Wunsch hat, wird es oftmals etwas verkrampfter. Ich glaube der Trick ist es, es zu wollen, aber eben nicht zu verbissen zu wollen. Aber das ist ein sehr langer Prozess.

Sie haben damals mit Tom Hanks den Film „Illuminati“ gedreht. Wie war das für Sie?

Das war meine erste große Produktion. Zwar hatte ich eine kleine Rolle, aber ich durfte sechs Tage lang mit Tom Hanks und Ewan McGregor drehen. Das war für mich, als jemand, der gerade frisch von der Schauspielschule kommt, ein echtes Erlebnis, den Leuten dort zuschauen zu können. Ich habe immer diese Schweizer Gardisten-Uniform getragen, die man im Vatikan trägt. Das sah schon sehr komisch aus mit den Schulterpolstern. Tom Hanks hat eines Tages zu mir gesagt, dass es ihm Leid täte, dass ich bei meinem allerersten Film so bescheuert aussehe (lacht). Er ist enorm gebildet, smart, kultiviert und lustig. Er hat mir als junger Schauspieler alle Angst genommen.

Wie war es, als Sie sich zum ersten Mal im Kino gesehen haben?

Das war tatsächlich bei „Illuminati“ – und es war sehr nervenaufreibend, weil ich fast komplett rausgeschnitten wurde. Ich glaube in einer Szene gibt es noch die rechte Schulter von mir und einen Satz. Aber es war auch eine gute Schule für mich – nun bin ich deutlich entspannter. Ich muss aber auch gestehen, wenn schaue ich es mir vorab alleine daheim an, bevor es erscheint. Dabei achte ich aber auf ganz andere Dinge:Wie klingt meine Stimme. Wie bewege ich mich? Was machen meine Hände da?An sich aber schaue ich mich nicht so gerne selbst im TV an (lacht).

Spricht Sie Ihre Familie auch öfters mal auf Ihre Rollen an?

Ja, das Lustige ist, dass sie auf einmal Film-Kritiker geworden sind. Es ist ja ein sehr transparenter Beruf - alle können am Ende sehen, an was ich gearbeitet habe. Das wird dann bei Familienanlässen besprochen und diskutiert. Das ist eigentlich immer ganz lustig.

Wie waren die Drehtage während der Pandemie?

Ku’damm wurde im März unterbrochen und ging dann im August vergangenen Jahres weiter. Am schlimmsten war es in der Zeit, als wir wussten, da kommt etwas auf uns zu und wir aber noch – wie zuvor gewohnt – zum Set gefahren sind. Dann aber haben die UFA und die deutsche Film- und Fernsehbranche schnell sehr gute Konzepte aufgestellt, so dass wir im August weiter machen konnten, worüber ich sehr froh und dankbar bin. Alle am Set tragen Maske und Abstand und wir werden regelmäßig getestet. Natürlich ist es nicht das gleiche wie vorher, wo man unbeschwert umhergehen konnte und sich auch mal umarmt hat – aber besser so als gar nicht.

Erst kürzlich waren Sie beim Tatort zu sehen – wie waren hier die Dreharbeiten?

Es war ein tolles Team und eine tolle Regisseurin und alles lief wunderbar. Die Produzenten haben es super auf die Beine gestellt und wir mussten nicht einmal unterbrechen. Am Ende waren es schöne Tage und ich finde, dass es am Ende ein guter Tatort geworden ist.

Gibt es es eine Rolle in Ihrer Karriere, die ihre Favoritenrolle ist?

Die wichtigste Rolle für mich – zumindest in Deutschland – war Ku’damm. Das war für mich ein Meilenstein. Meiner Karriere hat es in soweit geholfen, dass mehr Produzenten und Regisseure mich aus dem Projekt kannten. Es war eine tolle Rolle – innerlich zerrissen und ambivalent und irgendwie war es ein unsympathischer Typ, dem man aber doch das Gute wünscht. Ich habe die Rolle sehr gerne gespielt. Aber ich fand auch „Das Boot“ zu spielen eine sehr schöne Erfahrung – auch wenn es an sich ein sehr ernstes Thema war.

Gibt es eine Rolle, die Sie gerne mal verkörpern würden?

Ich liebe ja Geschichte und habe auch Geschichte studiert. Ich bin ein großer Fan von Roul Wallenberg – einem schwedischen Nationalhelden, der zigtausende viele Juden vor dem Konzentrationslager gerettet hat. Wenn das einmal verfilmt wird,würde ich gerne mal den Roul Wallenberg verkörpern.

Wie schaut es aktuell bei Ihnen in Sachen Arbeit aus?

Ich drehe aktuell für Constantin Television ein Familiendrama. Das heißt „Der Palast“ und spielt kurz vor der Wende. Als Setting dient der Friedrichstadt-Palast – Revuetheater in Berlin. Da sind wir grad in den letzten Zügen. Im Sommer drehe ich eine deutsch-österreichische Koproduktion. Aber dazu möchte ich noch nicht zu viel verraten.

Sie schreiben auch Drehbücher?

Genau, allerdings ist das letzte Drehbuch auch schon etwas länger her – das war 2016. Ich habe seitdem immer mal wieder eine Kurzgeschichte geschrieben und habe auch die Idee, mal einen Roman zu schreiben. Ich bin aber noch weit davon entfernt, dass dies finalisiert wird. Gerade bleibt hierfür nicht viel Zeit übrig.

Wie können Sie nach einem stressigen Tag abschalten?

Ich mache sehr gerne Sport – gerne nach dem Drehtag, egal, wie müde man ist. Ich gehe dann meist laufen oder spiele Tennis – das hilft mir schon enorm. Ich habe das Gefühl, je mehr Sport man macht, desto mehr Energie hat man auch. Aber auch die Ernährung spielt dabei eine wichtige Rolle.

Mit August Wittgenstein sprach Ramona Richter