Hamm/Bad Berleburg. Vor dem Oberlandesgericht streitet die Familie Sayn-Wittgenstein-Berleburg ums Fürstenerbe. Jetzt spricht der Anwalt Heinrich Schleifenbaum.

Jetzt heißt es erneut warten. Im Streit um das auf rund 500 Millionen Euro taxierte Erbe des ehemaligen Fürstenhauses Sayn-Wittgenstein-Berleburg fand am Dienstagvormittag eine erneute Anhörung der beiden Streitparteien vor dem Oberlandesgericht in Hamm statt. Dabei geht es um die „Hofnachfolge“ in einem der größten forstwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland. 13.000 Hektar bewirtschaftete die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer.

Die Streitparteien

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Vor Gericht stehen sich zwei Familienzweige gegenüber: Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein Berleburg (51), der Sohn des 2017 verstorbenen Chefs des Hauses, Prinz Richard, und Ludwig Ferdinand Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (78), der Cousin Richards. Zum Verlauf und Ergebnis der Anhörung mochte sich Stephan Prinz zur Lippe als Rechtsbeistand von Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein gestern nicht äußern. Die Gegenseite wird durch den bekannten Siegener Rechtsanwalt Dr. Henrich Schleifenbaum vertreten.

Zwei Streitfragen

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Im Gespräch mit der Redaktion erläutert Schleifenbaum die komplizierte Rechtslage, die im Wesentlichen aus zwei unterschiedlichen Fragestellungen besteht. Der Frage nach dem Familienstand des potenziellen Erben und dessen nachgewiesener Befähigung, einen Forstbetrieb zu leiten. Schleifenbau ließ im Nachgang zur Anhörung auch durchblicken, dass man in einigen Punkten nicht mit der Würdigung durch das Gericht einverstanden sei.

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Rechtliche Grundlage für die Erbauseinandersetzung ist ein über 70 Jahre altes Testament von Richards Vater Gustav Albrecht Prinz zu Sayn-Wittgenstein. „Das ist ein beeindruckendes Zeitdokument - ein zehnseitiges handschriftliches Testament, dass der Erblasser in einem Feldurlaub 1943 verfasst hat“, beschreibt Dr. Henrich Schleifenbaum das Papier, mit dem der 1944 in Russland vermisste Prinz Gustav Albrecht seinen Nachlass geregelt hat. „Der Erblasser wollte das Vermögen zusammenhalten“, sagt Schleifenbaum.

Standesgemäße Ehe

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Gustav Albrecht vererbte den Besitz nicht seinem 1934 geborenen Sohn Richard, sondern dessen noch ungeborenen ersten Sohn unter der Bedingung, dass dieser zum Zeitpunkt seines Erbantritts mit einer adelig geborene Frau verheiratet sei solle. Im Testament griff der Erblasser außerdem auf eine gesetzliche Grundlage der NS-Zeit zurück. Demnach musste die Adelige arisch sei. Laut Schleifenbaum sei dieser Passus aber vor dem Hintergrund der Entstehungszeit zu verstehen. Möglicherweise wäre das Testament damals ohne diesen Zusatz ungültig gewesen. Im aktuellen Verfahren spielten weder die Religionszugehörigkeit der potenziellen Ehefrau noch der Begriff Arisch für das Gericht eine Rolle. Der 10. Zivilsenat befasse sich stärker mit dem Willen des Erblassers als mit dem Wortlaut des Testamentes.

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Fakt ist, Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ist unverheiratet. Die Beziehung zu der in England lebenden Autorin Carina Axelsson (51) wertete das Gericht aber als „feste Partnerschaft“, so Schleifenbaum. Ob diese Beziehung „eheähnlich“ sei, spiele für das Gericht keine Rolle. Dies sei allenfalls ein sozialrechtlicher Aspekt und kein Thema dieses Erbstreites. „Wir sind überrascht über diese Einschätzung“, sagt Schleifenbaum im Nachgang zu der Anhörung, schließlich war dies einer Anfechtungspunkte, zumal sein Mandant Ludwig Ferdinand zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg durch seine Ehe mit einer geborenen Gräfin Wachtmeister af Johannishus erfüllt.

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Allerdings führte Schleifenbaum aus, dass das Gericht im Umfeld des Europäischen Hochadels recherchiert habe. Die Beispiele aus dem englischen Königshaus zeigten, dass dort inzwischen auch Ehen mit geschiedenen Bürgerlichen gesellschaftlich akzeptiert seien. Dass dies möglicherweise ein greifendes Argument sei, macht auch ein Satz des Testamentes deutlich in dem es sinngemäß heißt: Sollten sich die Verhältnisse ändern, solle ein Gremium über die Erbfähigkeit entscheiden. Als sicher gilt, dass der Testamentsverfasser dies auf die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Verhältnisse bezogen hat.

Wirtschaftsfähigkeit

Ein weiterer Punkt, denn die Beschwerdeführer gegen den potenziellen Erben Prinz Gustav ins Feld führen ist die Frage nach dessen „Wirtschaftsfähigkeit“ im Sinne der Höfeordnung. Dieser Ordnung unterliegt die Rentkammer, auch wenn sie mit 13.000 Hektar deutlich größer ist als ein durchschnittlicher land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb. Die Wirtschaftsfähigkeit wird demnach durch eine entsprechende Ausbildung oder Erfahrung nachgewiesen. Während Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg keine entsprechende forstwirtschaftliche Ausbildung nachweisen könne, sei Ludwig Ferdinand Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg Forst- und Betriebswirt.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Höfeordnung erst 1947 inkraft getreten ist. Mit Wirkung aus dem Jahr 1969 wurde der damals noch als vermisst geltende Gustav-Albrecht aber rückwirkend zum 31. Dezember 1945 für tot erklärt.

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Ob und in wieweit die Höfeordnung für die Entscheidung herangezogen werden könne, dazu hat die Kanzlei Schleifenbaum & Partner ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dafür sind zwei Punkte aus der Sicht Henrich Schleifenbaums wichtig: 1940 habe der Erblasser bei dem Berleburger Notar Glöde ein Schreiben in Auftrag gegeben, mit dem er die Aufnahme der Rentkammer als Reichserbhof in die damalige Höfeordnung beantragt hatte. Dieser Antrag wurde zwar nicht entscheiden, sei aber von Prinz Gustav-Albrecht zu Lebzeiten auch nie zurückgezogen worden.

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Von Lars-Peter Dickel

Der seit 1947 geltenden Höfeordnung unterliege die Rentkammer auch deshalb, so Schleifenbaum, weil sonst weder das Landwirtschaftsgericht in Bad Berleburg noch das nun in zweiter Instanz verhandelnde Oberlandesgericht Hamm überhaupt in diesem Erbstreit zuständig wären.

Auch zum Zeithorizont einer möglichen Entscheidung gab Schleifenbaum eine Hinweis: Er spricht von wenigen Wochen.