Wittgenstein. Die IHK hat die Kaufkraftzahlen analysiert. Ausgerechnet Bad Berleburg weist dabei einen schlechteren Wert auf als Erndtebrück und Bad Laasphe.

Ausgerechnet Bad Berleburg kann die Kaufkraft der Verbraucher einfach nicht binden – während die Erndtebrücker mit ihrem Einzelhandel vor Ort offenbar zufrieden sind. Und Bad Laasphe? Bindet sogar Kaufkraft aus der Umgebung. Das geht aus den vorliegenden „Kaufkraftzahlen im südlichen Westfalen 2019“ hervor. Sie erläutert im Gespräch mit unserer Redaktion Stephan Häger, bei der IHK Siegen Leiter des Referats Konjunktur, Arbeitsmarkt, Statistik.

Die Kaufkraft steigt in den drei Wittgensteiner Kommunen mehr oder weniger, die Einzelhandelsumsätze zumindest in Bad Berleburg und Bad Laasphe sind jedoch eher unterdurchschnittlich. Wie ist das zu erklären?

Bad Berleburg

Kaufkraft Wittgenstein.
Kaufkraft Wittgenstein. © Manuela Nossutta / Funkegrafik NRW

Die allgemeine Kaufkraft in Bad Berleburg liegt mit 24.743 Euro je Einwohner etwa 750 Euro über dem Bundesdurchschnitt. In den vergangen fünf Jahren ist sie um 10,8 Prozent gestiegen. Damit liegt die Steigerung leicht unter dem deutschen Durchschnitt. Der Einzelhandelsumsatz liegt mit 5130 Euro je Einwohner etwa 1070 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. Während dieser Umsatz in den vergangenen fünf Jahren deutschlandweit im Durchschnitt um 7,6 Prozent gestiegen ist, stieg er in Bad Berleburg nur um 2,2 Prozent. Das bedeutet: Dem Einzelhandel in Bad Berleburg ist es in diesem Zeitraum nicht gelungen, die steigende Kaufkraft komplett vor Ort zu binden.

Bad Laasphe

In Bad Laasphe liegt die allgemeine Kaufkraft mit 22.678 Euro je Einwohner etwa 1300 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. In den vergangenen fünf Jahren ist sie unterdurchschnittlich um 8,5 Prozent gestiegen. Der Einzelhandelsumsatz liegt mit 4791 Euro je Einwohner etwa 1400 Euro unter Bundesdurchschnitt. Dieser Umsatz ist jedoch seit 2015 um fast 20 Prozent gestiegen. Bedeutet: Dem Einzelhandel in Bad Laasphe ist es gelungen, nicht nur die steigende Kaufkraft vor Ort zu binden, sondern sogar darüber hinaus Kaufkraftbindung zu erreichen.

Erndtebrück

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In Erndtebrück liegt die allgemeine Kaufkraft mit 26.325 Euro je Einwohner etwa 2300 Euro über dem Bundesdurchschnitt. In den vergangenen fünf Jahren stieg sie, leicht unterdurchschnittlich, um etwa zehn Prozent. Der Einzelhandelsumsatz je Einwohner liegt mit 6377 etwa 170 Euro über dem Durchschnitt – und ist in den vergangenen fünf Jahren wie in der Nachbarstadt Bad Laasphe ebenfalls um etwa 20 Prozent gestiegen – von 5308 Euro auf 6377 Euro. Damit ist in Erndtebrück die gleiche positive Entwicklung zu beobachten wie in Bad Laasphe.

Fazit

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Für die Region bedeutet das: Die Einzelhandelsentwicklung in den vergangen fünf Jahren war in Bad Laasphe und Erndtebrück überdurchschnittlich positiv – auf unterschiedlichem Ausgangsniveau. Auch in Bad Berleburg gibt es eine positive Einzelhandelsentwicklung, gemessen am Umsatz – diese ist jedoch unterdurchschnittlich.

Warum funktioniert‘s ausgerechnet im kleineren Erndtebrück mit deutlich höherer Kaufkraftbindungsquote besser als in den beiden Bädern?

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Die Entwicklung ist in Erndtebrück und Bad Laasphe in den vergangenen fünf Jahren positiv. In Erndtebrück stieg die Kaufkraftbindung von 78,4 Prozent auf 84,9 Prozent und in Bad Laasphe von 63,5 Prozent auf 70,2 Prozent. In Bad Berleburg ging sie allerdings von 76,7 Prozent auf 70,6 Prozent zurück.

Ein zentrales Ergebnis des IHK-Zentrumsmonitors ist, dass Erndtebrück für seine Größe ein kompaktes Einzelhandelsangebot aufweisen kann, ohne größere Lücken. Die Einwohner sind offenkundig mit dem Einzelhandelsangebot vor Ort zufrieden. Bei folgenden Besuchsgründen belegt der Kernort sehr gute Platzierungen: Einkaufen, Arztbesuch, Behördengang, Essen gehen/Ausgehen sowie Arbeit/Schule/Ausbildung.

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Erndtebrück weist zudem den geringsten Anteil von Personen auf, die den Kernort im Durchschnitt seltener als monatlich „zum Einkaufen“ oder „aus anderem Grund als zum Einkaufen“ aufsuchen.

Welche Rolle spielt die Zentralität der Städte und Gemeinden Wittgensteins? Warum liegt die Kennziffer dafür in Erndtebrück deutlich höher als in Bad Berleburg und Bad Laasphe? Hat das auch etwas mit der Anbindung zu tun?

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Bei einem hohen Einzelhandelsumsatz und einer geringen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft ergibt sich eine hohe Zentralität. In Erndtebrück sind sowohl Umsatz- als auch Kaufkraft-Index in etwa gleich überdurchschnittlich hoch – mit 106 zu 103. Dadurch ergibt sich eine Zen­tralität von nahezu 100. Zum Vergleich: Bad Berleburg verfügt über einen unterdurchschnittlichen Einzelhandelsumsatz und eine überdurchschnittliche einzelhandelsrelevante Kaufkraft. Entsprechend liegt die Zentralität mit etwa 81 unter dem Bundesdurchschnitt.

Generell kann gesagt werden, dass eine gute Erreichbarkeit mit dem Auto und eine gute Parkplatz-Ausstattung sich positiv auf die Einzelhandelsattraktivität auswirkt – und somit auch auf den Einzelhandelsumsatz. Dies belegen die Ergebnisse des IHK-Zentrumsmonitors.

Welche Rolle spielen die Berufspendler in Sachen Kaufkraft?

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Berufspendler haben auf die Kaufkraft keinen Einfluss, da sie je Einwohner gemessen wird. Hingegen können Berufspendler sicherlich einen Einfluss auf den Umsatz insbesondere beim täglichen Bedarf haben. Das sind dann die sogenannten Mitnahme-Effekte – etwa auf dem Weg von der Arbeit noch den Lebensmittel-Einkauf tätigen.

Wie kann der Einzelhandel vor Ort den Kaufkraftverlusten gezielt und nachhaltig entgegenwirken? Was empfiehlt die IHK Siegen?

Nur wenn den Einwohnern ein umfassendes Angebot vor Ort zur Verfügung steht, kann Kaufkraft-Verlusten entgegengewirkt werden. Daher ist es sinnvoll, genau zu analysieren, bei welchen Sortimenten Kaufkraft-Abflüsse existieren.

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Ferner sind attraktive Rahmenbedingen zu schaffen, die den Kunden zum Innenstadt-Besuch animieren und zum Verweilen einladen. Dabei spielen insbesondere die Themen „Sauberkeit und Sicherheit“, „Ambiente“, „Architektur und Gebäude“, „öffentliche Anlagen“; „Pkw-Erreichbarkeit“ und „ausreichend Parkmöglichkeiten“ eine wichtige Rolle. Schließlich müssen sich auch die Händler den Herausforderungen der Digitalisierung stellen – und die Chancen nutzen.