Bad Berleburg. Die Arbeit des Ambulanten Hospizdienstes Wittgenstein ist in der Corona-Krise noch schwieriger. Wie die Ehrenamtlichen für die Menschen da sind:

Wenn der Tod eines Menschen sich anbahnt und es keinen anderen Ausweg mehr gibt, bricht eine Welt zusammen. Für ihn und die Angehörigen. Die verbleibende Zeit soll so schön wie möglich zusammen verbracht werden. Gerade in der Corona-Krise ist das aufgrund des Kontaktverbots wohl so schwierig, wie noch nie zuvor. Tanja Baldus (41) aus Wemlighausen ist seit 2014 Leiterin beim Ambulanten Hospizdienst Wittgenstein. Im Gespräch mit Ina Carolin Lisiewicz erzählt sie, was ihr zurzeit am meisten fehlt und inwieweit die Hospizarbeit derzeit möglich ist.

Corona-Krise: Hospizarbeit in Wittgenstein mit Einschränkungen verbunden

Wie arbeiten Sie jetzt in der Corona-Krise?

Tanja Baldus: In den letzten Wochen haben wir uns an das Kontaktverbot gehalten. Wenn ein persönlicher Kontakt notwendig war, haben wir die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen und Hygieneregeln befolgt. Das Kontaktverbot hat uns in der Hospizarbeit sehr eingeschränkt. Wichtig ist uns natürlich, dass nicht nur die Betroffenen und deren Angehörige vor dem Corona-Virus geschützt werden, sondern auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ein Teil unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hospizdienstes sind über 60 Jahre alt und gehören selbst zu der sogenannten Risikogruppe.

Welche Corona-Vorgaben gibt es für den Ambulanten Hospizdienst?

Da die aktuelle Gefährdungslage durch das Corona-Virus auch weiterhin besteht, werden die hospizlichen Begleitungen weiterhin mit Einschränkungen verbunden sein. Diese orientieren sich an den Vorgaben des zuständigen Gesundheitsministeriums [Anm. d. Red: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW)]. Die geltenden Hygieneregeln müssen nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes während der Begleitungszeit der uns anvertrauten Menschen eingehalten werden, damit eine Infektion mit dem Corona-Virus vermieden wird. Die besonderen Hygieneregeln während der Besuchszeit umfassen das Einhalten von mindestens eineinhalb bis zwei Metern Abstand zum Betroffenen und anderen Personen im Haus. Ebenso das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, das Tragen von Schutzkitteln bei Besuchen in stationären Einrichtungen und die Händedesinfektion vor und nach dem Besuch.

Hospizarbeit in Wittgenstein: Keine Umarmungen in der Zeit des Abschiednehmens

Wie können Sie trotz dieser Vorgaben persönliche Nähe schaffen?

Persönliche Nähe zu geben, gestaltet sich derzeit sehr schwierig und das fehlt natürlich den Betroffenen und den Angehörigen sehr.

Was fehlt Ihnen gerade besonders?

Mir persönlich fehlt es sehr, den zu betreuenden Menschen, die sich im Sterbeprozess befinden, nicht einmal die Hand halten zu können oder den Angehörigen eine Umarmung in der Zeit des Abschiednehmens zu schenken.

Corona: Hospizarbeit nur mit Mundschutz und Schutzkittel möglich

Was ist derzeit überhaupt möglich?

Möglich sind telefonische Palliativ-Pflegerische Beratungsgespräche und Trauergespräche sowie psychosoziale Begleitungen durch unsere hauptamtlichen Mitarbeiterinnen vor Ort, wenn alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden können.

Was sind derzeit die größten Schwierigkeiten?

Den persönlichen Kontakt zu vermeiden oder sich nur mit Mundschutz und Schutzkittel zu begegnen. Eigentlich kann man sich erst durch den persönlichen Kontakt zu den Betroffenen und deren Angehörigen einen Eindruck verschaffen, was die Menschen brauchen und wie geholfen werden kann.

Sterbebegleitung in Corona-Krise: Persönliche Beziehungen werden erschwert

Würden Sie sagen, der Hospizdienst ist jetzt noch anspruchsvoller und schwieriger als in normalen Zeiten?

Ja eindeutig, da die Hospizarbeit hauptsächlich von persönlicher Beziehungsgestaltung lebt und das ist für uns eine große Herausforderung in der Corona-Zeit.

Manchmal stecken in Krisen auch Chancen. Gibt es etwas Positives an der Corona-Krise für die Arbeit des Ambulanten Hospizdienstes Wittgenstein?

Ja. Positiv empfinde ich, dass die Welt ein wenig langsamer tickt und wir uns auf das Wesentliche im Leben konzentrieren. Dass uns bewusst wird, wie wichtig die Gesundheit und die sozialen Kontakte für unser Leben sind. Viele Veranstaltungen, Teamsitzungen und Termine, etc. fallen in dieser Zeit aus. Dadurch entstehen neue Gedanken, wie zum Beispiel der weitere Ausbau der Trauerarbeit. Wir möchten eine Kindertrauergruppe in Wittgenstein etablieren und ein weiteres Lebenscafé in Erndtebrück einrichten. Außerdem planen wir zwei Trauerwanderungen, die wir nach weiterer Lockerung der Corona-Maßnahmen kurzfristig anbieten möchten. Der Samen für neue Angebote wird in dieser Zeit von uns gesät und wir hoffen, dass wir bald wieder unsere Arbeit in gewohnter Form aufnehmen können.

Corona: Hospiz-Patienten leiden unter dem Kontaktverbot

Wie fühlen sich die Patienten?

Die Betroffenen leiden sehr unter dem Kontaktverbot, aber gerade die Kriegsgeneration geht beeindruckend positiv mit dieser Krise um.

Wie ist die Situation für die Angehörigen?

Den Angehörigen fällt es schwer, nicht einfach spontan zu Ihren Angehörigen gehen zu können, die sich eventuell in einem Krankenhaus oder Altenheim befinden. Auch hier müssen alle Vorgaben und Sicherheitsvorschriften eingehalten werden, um einen entsprechenden Besuch zu ermöglichen.

Hospizarbeit: Umgang mit Sterben, Tod und Trauer hat die Gesellschaft verlernt

Was macht die Arbeit des Ambulanten Hospizdienstes so wichtig?

Die Hospizbewegung ist unter anderem deshalb wichtig, weil wir als Gesellschaft verlernt haben, mit dem Sterben, Tod und Trauer umzugehen. In unserer leistungsorientierten Welt passt der Tod nicht in das Leben. Gerade deshalb brauchen wir Menschen mit einer besonderen Herzensbildung, die Sterbende begleiten und den Angehörigen eine große Stütze sind.

Wie läuft die Ausbildung von weiteren Hospizbegleitern jetzt ab?

Derzeit läuft kein Hospizkurs und wenn dies der Fall wäre, würde es sich sehr schwierig gestalten, diesen durchzuführen, da die Abstandsregeln schwer einzuhalten sind.

Wittgenstein: Hospizdienst-Leiterin vermisst Diskussion über Vorsorge für das Lebensende

Sterbebegleitung ist häufig noch ein Tabu-Thema. Über die Jahre ist es aber immer mehr ins öffentliche Interesse gerückt. Kommt das Thema Sterbebegleitung jetzt zu kurz?

Ja und Nein. Wenn ich mir die Bilder aus anderen Ländern anschaue, bin ich ganz dankbar, dass wir ein gutes Gesundheitssystem haben, welches natürlich Ecken und Kanten hat. Aber durch die Erfahrung der Pandemie kann ich nur sagen, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern gut aufgestellt sind und dass die Menschen nicht einsam sterben müssen. Krankenschwestern und Krankenpfleger würden Sterbende nicht allein lassen. Das Thema, was ich gerade aus aktuellem Anlass in der Öffentlichkeit vermisse, ist, eine gute Vorsorge für das Lebensende zu treffen. Fragen wie: Haben sie eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung? Haben sie sich Gedanken über ein gutes Sterben gemacht? Welche Wünsche und Bedürfnisse haben sie am Lebensende?

Info: Telefonsprechstunde für Menschen in Trauerzeiten

- Wegen der Corona-Pandemie musste auch das Lebenscafé für Männer und Frauen des Ambulanten Hospizdienstes abgesagt werden. Zu den Gästen halten die Mitarbeiter telefonischen Kontakt, was auf sehr positive Resonanz stößt, betont Tanja Baldus. „Außerdem bieten wir montags und mittwochs von 10 bis 12 Uhr eine Telefonsprechstunde für Menschen in Trauerzeiten an.“

- Das Team des Ambulanten Hospizdienstes setzt sich mittlerweile aus drei hauptamtlichen Koordinatorinnen und über 60 ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zusammen. „Die Ehrenamtlichen bringen sich unter anderem in dieser Zeit ganz besonders durch das Nähen von Community-Masken ein“, erzählt Tanja Baldus.

- Weitere Informationen zur Arbeit des Ambulanten Hospizdienstes Wittgenstein finden Interessierte im Internet unter www.diakonie-wittgenstein.de oder telefonisch unter 02751 921-3.