Siegen/Wilnsdorf. Das Corona-Virus verändert den Alltag in den Siegerländer Hospizen. Bewohner und Mitarbeiter müssen sich mir vielen Einschränkungen arrangieren.
Es sind die letzten Wochen oder Monate, vielleicht sogar die letzten Tage im Leben der Bewohner. Im Hospiz hätte diese Zeit für die tödlich erkrankten Menschen so unbeschwert sein sollen, wie es unter diesen schweren Umständen nur irgend geht. Doch dann veränderte das Coronavirus alles, auch für die Hospize. Wie die Einrichtungen versuchen, in dieser fordernden Phase ihre ohnehin fordernden Aufgaben zu erfüllen.
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Wilnsdorf: Marien-Hospiz auf der Eremitage
„Es ist schwieriger, das Hospiz-Prinzip zu leben“, sagt Juliane Schneider, Leiterin des Marien-Hospizes „Louise von Marillac“ auf der Eremitage . Erklärter Anspruch eines solchen Hauses sei es, „Menschen am Lebensende mehr Lebensqualität zu geben“, und das schließe natürlich maßgeblich den Kontakt zu geliebten Menschen ein. „Wir sind da wegen der Situation aber gerade eingegrenzt“, sagt Juliane Schneider – denn in der Regel dürfen medizinische Einrichtungen derzeit keine Besucher hereinlassen.
Für den palliativen Bereich zumindest sehe der Erlass aber Ausnahmen vor, „wo es ethisch und menschlich geboten ist“, erklärt die Hospizleiterin. Jeder Gast – die Menschen werden hier nicht „Patienten“, sondern „Gäste“ genannt – darf ein bis zwei feste Personen als Besucher empfangen, aber: nur eine am Tag und nie zur selben Zeit.
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Vieles ist zur Zeit nicht möglich
„Wir haben darüber mit allen Gästen und Angehörigen gesprochen“, sagt Juliane Schneider. Die festen Besucher seien von den Mitarbeitern in die Hygieneregeln eingewiesen worden, außerdem wurden sie schon früh gebeten, größere Menschenansammlungen zu meiden und sonstige soziale Kontakte einzuschränken. Das Coronavirus darf einfach nicht ins Haus gelangen. Die Angehörigen hätten Verständnis, „weil auch sie niemanden anstecken wollen. Und auch die Gäste verstehen das. Aber natürlich sind sie traurig.“
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Denn so sehr sich das Team bemüht: Vieles, was sonst normal war, geht nicht mehr. Wer möchte, kann zwar noch Zeit im Aufenthaltsraum verbringen – aber Besucher dürfen ihn nicht mehr betreten. Die Mahlzeiten werden, wenn auch mit mehr Abstand zueinander, noch gemeinsam eingenommen; „da sind unsere Gäste auch sehr glücklich drüber“, betont Juliane Schneider. Doch Besucher dürfen beim Essen, in diesen gemeinsamen Runden, wegen Corona nicht mehr dabei sein. „Das ist so schade“, sagt die Leiterin. „Wir haben da immer viel Spaß gehabt.“
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Auch für das Team ist die Situation belastend
Kinder dürfen gar nicht mehr hinein. Wer andere Bezugspersonen als die festen sehen möchte, kann skypen, außerdem ist das Telefon ganz wichtig. Und manchmal sind ganz neue Wege gefragt, die im Grunde traurig, doch gleichzeitig auch bewegend sind – etwa wie der Moment, als ein Mann seinen Schwager besuchte, indem er draußen blieb: einige Meter entfernt von der geöffneten Terrassentür, ein Gespräch aus der Distanz, aber doch ein Ausdruck menschlicher Nähe.
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Die pflegerische Versorgung, erklärt Juliane Schneider, bleibe natürlich unberührt und laufe normal weiter. Die Hospizkräfte setzen sich auch mit den Gästen hin, reden. „Doch auch am Team geht das alles nicht spurlos vorbei. Wir diskutieren oft und fragen uns: Wie würden wir damit umgehen, wenn es unsere Eltern wären?“
Siegen: Evangelisches Hospiz am Diakonie-Klinikum Jung Stilling
Entsprechend der behördlichen Vorgaben hat das Evangelische Hospiz am Diakonie-Klinikum Jung Stilling in Siegen den Besuch nach eigenen Angaben auf ein absolutes Minimum reduziert. „Es gibt Gäste, die hierunter sehr leiden“, sagt Leiter Burkhard Kölsch. „Wenn der Allgemeinzustand sich jedoch derart verschlechtert, körperlich und oder stimmungsmäßig, lassen wir Angehörige kontrolliert und nach Einweisung in die Schutzmaßnahmen der richtigen Händedesinfektion und dem Anlegen des Mundschutzes herein. Man kann einem sterbenden Menschen auch in Corona-Zeiten nicht untersagen, Besuch zu empfangen. Das würde bedeuten, ohne Abschied von den Liebsten zu sterben.“
Solche Lockerungen, die laut Erlass aus ethisch-sozialen Aspekten möglich sind, seien erforderlich. „Wir versuchen einen Weg zu finden, einen Mittelweg“, sagt Burkhard Kölsch. Denn es gebe eben auch eine andere Seite: „Wir haben versucht, die Gäste aufzuklären, da gerade sie als immungeschwächte und somit besonders anfällige Gruppe besonders vor dem Virus zu schützen sind.“
Kompensieren, was an anderer Stelle wegfällt
Das Team hat aufgrund der abwehrgeschwächten Gäste schon früh angefangen, Mundschutz und Handschuhe zu tragen. Schutzkleidung und Händedesinfektion sei für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich etwas Selbstverständliches, „für uns ist es Routine im Umgang bei infektiösen Erkrankungen“, sagt Burkhard Kölsch. Nun aber seien die Maßnahmen nochmals deutlich erhöht worden.
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Die Übergaben finden mittlerweile zwecks Einhaltung der Mindestabstände im großen Konferenzraum statt. Der tägliche Dienst der ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und Helfer wurde eingestellt. Für das nun ausschließlich hauptamtliche Team sei die derzeitige Situation trotz aller Professionalität nicht ganz einfach. „Wir wissen aber, dass es für unsere Gäste noch weitaus schwieriger ist als für uns“, sagt der Hospizleiter. „Wir versuchen das, was an Kontakt zu den Angehörigen wegfällt, so gut es geht zu kompensieren. Wir alle geben uns die größte Mühe.“
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