Wittgenstein. Anders als bei Covid-19 erkranken an der spanischen Grippe im Jahr 1918 vor allem junge Menschen. Aber es gibt auch Parallelen zum Coronavirus.

Trockener Husten, Fieber, Hände waschen. Das sind Stichworte, die uns in den vergangenen Wochen dank Covid-19 permanent begleitet haben. Doch nicht zum ersten Mal stehen sie hoch im Kurs – vor 102 Jahren grassierte in Wittgenstein wie auch im Rest Europas die sogenannte spanische Grippe und damals wie heute mussten die Menschen erst lernen, mit der Pandemie umzugehen. Wie Wittgenstein bereits 1918 auf eine schwere Krankheitswelle reagierte, verrät ein Blick ins Archiv.

Es sind teilweise recht auffällige Parallelen zur heutigen Lage, blickt man in die Ausgaben des Jahres 1918 des damaligen „Amtliches Wittgensteiner Kreisblatts“. In diesem Jahr rollte die Influenza-Pandemie über Europa hinweg – in Wittgenstein war im Juli bei Aufkommen der Krankheit in der Region noch Vorsicht geboten, aber die Schwere der Lage noch nicht klar.

Schüttelfrost und Kopfschmerzen

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„Trotz der teilweise recht alarmierenden Berichte über angebliches Umfallen auf Bahnhöfen usw., [ist ein] Grund zur Beunruhigung nicht gegeben, die Erkrankung hat einen durchaus harmlosen Charakter“, heißt es am 10. Juli in dem Wittgensteiner Medium. „Der unerwünschte spanische Gast, der sich gegenwärtig in deutschen Städten breit macht, hat nunmehr auch im Kreise Wittgenstein Einzug gehalten. Vereinzelte Krankheitsfälle sind bereits vorgekommen“, wurde damals zunächst geschrieben.

„Die Krankheitserscheinungen sind folgende: Die Erkrankung beginnt meist plötzlich, ohne alle Vorboten, mit stärkerem Frösteln oder direktem Schüttelfrost und oft schwerem Krankheitsgefühl. Die Betroffenen fühlen sich außerordentlich elend und klagen neben starken Kopfschmerzen, die oft besonders in der Stirngegend lokalisiert sind, besonders über heftige Nacken- und Rückenschmerzen. Daneben können auch Gelenkschmerzen bestehen. Weitere Anfangssymptome sind mäßige katarrhalische Erscheinungen der oberen Luftwege (Nase, Rachen, Kehlkopf, gröbere Luftröhre). Bezeichnenderweise ist auch das Brennen oder Stechen in den Augen vorhanden als Ausdruck katarrhalischer Entzündung der Augenbindehaut.“

Kurze Infektionszeit

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Auch Fieber und Husten war, wie heute bei Corona, eins der Hauptsymptome: „Die Temperatur ist in vielen Fällen gleich zu Anfang sehr hoch und kann mehrere Tage auf dieser Höhe bleiben, oder nach kurzem Temperaturabfall wieder aufs neue ansteigen. Etwas Auswurf kann vorhanden sein, jedenfalls besteht oft ein quälender, sogenannter trockener Husten. Die Ansteckungszeit scheint sehr kurz bemessen zu sein, wenige Tage, die Ansteckungsfähigkeit fast allgemein für junge und alte Personen. Natürlich sind vorher erheblich Geschwächte immerhin stärker gefährdet, wenn auch bei diesen schlimme Wendungen nicht berichtet sind“ hieß es im Juli 1918.

Im Oktober schließlich, als die Krankheit in ganz Europa in der zweiten Welle zahlreiche Menschen das Leben kostete, wurde die Grippe auch in Wittgenstein mit einer zunächst zwar kurzen, aber ernsten Mitteilung im Kreisblatt bedacht: „Die Grippe tritt gegenwärtig in verschärfter Form auf und nicht nur alte und schwächliche Leute werden von ihr ergriffen, auch junge, kräftige Menschen zwingt sie heimtückisch auf das Krankenlager. Zwar erfolgt in den meisten Fällen nach einiger Zeit Genesung, aber auch Todesfälle kommen vor besonders dann, wenn als Begleiterscheinung der Krankheit eine schwere Lungenentzündung sich einstellt“, hieß es am 19. Oktober.

Vor allem junge Menschen betroffen

Anders als Corona: Vor allem junge Menschen erlagen der spanischen Grippe. „Bei jüngeren Personen verläuft die Krankheit ziemlich heftig, treten Komplikationen, besonders Lungenentzündung hinzu, so endet sie nicht selten tödlich. Da die Krankheit äußerst leicht übertragbar ist, stoßen vorbeugende Maßnahmen allgemeiner Art auf Schwierigkeiten. Das Gerücht, dass es sich um Lungenpest handelt, ist hinfällig“, schrieben die Reporter am 23. Oktober im Wittgensteiner Kreisblatt.

Allerdings waren die Maßnahmen zum Schutz ähnlich wie heute: „ Es ist vor allen Dingen, will man sich gegen die Krankheit schützen, ratsam, sorgfältig auf Reinlichkeit zu achten, insbesondere vor Zubereitung der Speisen und dem Essen die Hände zu waschen. Außerdem empfiehlt es sich, mehrmals täglich mit warmem Salzwasser zu gurgeln, da die Erreger der Krankheit durch Mund und Nase eindringen.“

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Auch im Dezember 1918 war es noch nicht vorbei mit der Pandemie in Wittgenstein: „Leider lässt sich bis jetzt ein Nachlassen der Grippe noch nicht feststellen“, mussten die Wittgensteiner am 14. Dezember in der Zeitung lesen. „Wohl scheint sie in größeren Städten nicht mehr in dem Maße wie zu Beginn ihres Einzuges im Vaterlande zu wüten, aber das platte Land seufzt noch immer unter ihrem Auftreten. Wie vor einiger Zeit im benachbarten Diedenshausen in kurzer Folge drei blühende Menschen aus einer Familie dahingerafft wurden, so starben an derselben Krankheit in Elsoff innerhalb zwei Tagen in einem Haushalt Mutter und Kind. Es wäre zu wünschen, wenn das Verlöfchen der gefürchteten Krankheit auch auf dem lande recht bald einträte.“

Ausgewählte Artikel zu bestimmten Themen, darunter auch die spanische Grippe in Wittgenstein , sind online auf www.siwiarchiv.de zu finden