Machu Piccu/ Bad Laasphe. Die Bad Laaspherin radelt für SOS-Kinderdörfer durch Südamerika. Wir begleiten Lisa Achatzi auf dieser ungewöhnlichen Reise.

Seit drei Wochen fährt Lisa Achatzi quer durch Peru. In keinem anderen Land erlebte sie zuvor einen härteren Kontrast zwischen städtischer und indigener Bevölkerung. Als sie urbane Region rund um Lima verlässt, fährt sie hunderte Kilometer durch kahle Landschaften. Immer nur geradeaus, keine Menschenseele weit und breit.

Auch interessant

In Cusco angekommen, ist ihr nächstes Ziel ein berühmtes: zu Fuß geht es nach Machu Picchu. Es ist nicht weniger, als ein Kulturschock, den Lisa Achatzi bei ihrer Ankunft in Cusco erlebt. Nach zig Kilometern in purer Einsamkeit, wartet in der Inkastadt die volle Dröhnung Tourismus. An jeder Ecke wird sie angesprochen: „Massage! Massage!“, „Señorita, Tour?“, „Günstiges Essen!“. Zahlreiche Schuhputzer verrichten ihre Arbeit, mittendrin stehen Kinder in traditioneller Tracht oder Baby-Alpakas parat, mit denen sich Touristen für 90 Cent gemeinsam abfotografieren lassen.

Auch interessant

Überall riecht es nach Hamburger, Pizza und Pasta. Achatzi will trotzdem nicht mit dem Finger auf andere Zeigen und gesteht ein: „Es ist egal, wie alternativ man auch reist. Man ist trotzdem auch Teil des Problems.“ Sie freut sich zwar über veganes Essen, versteht aber auch, dass es nichts mit traditionellem Essen zu tun hat. Denn ob Burger oder Tofu-Wurst – beide Angebote führen zu einem Identitätsverlust der ursprünglichen Küche.

Klischees und Weltwunder

lisa achatzi in ecuador- vom bergsee in die straßenschlacht

Sicherheit geht für Lisa Achatzi vor

Es kann hilfreich sein, sich vorab über das Land zu informieren, das man mit dem Fahrrad durchquert. Denn bei aller Reiselust spielt für Lisa Achatzi der politische Status quo eines Staates bei ihren Planungen eine wichtige Rolle. Es ist daher naheliegend, dass sie Venezuela aufgrund der dortigen Unruhen nicht anfahren wird. Schon deshalb weiß Achatzi bis zu ihrem Abflug ständig über die Hinweise des Auswärtigen Amtes Bescheid.

Auf der anderen Seite sind da die unzähligen Fragezeichen, die eine solche Tour eben ausmachen. Der deutsche Dokumentarfilm „Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ (2017) inspirierte Achatzi diesbezüglich sehr: „Der Film macht deutlich, dass sich eigentlich nichts planen lässt.“ Im Endeffekt sei es so, erzählt Achatzi weiter, wie es Gwendolin Weisser, eine der beiden Hauptfiguren des Films sagt: „Wir hatten kein Glück, wir hatten einfach nur kein Pech.“

Das Zitat spricht eine Herangehensweise an, die Achatzi als „gesunden Menschenverstand“ umschreibt. Naivität und fehlender Respekt können auf einer solchen Reise zu Problemen führen, die größer sind, als ein kaputter Fahrradschlauch. Von ihrem Vater weiß sie, dass er sich wahnsinnig Sorgen macht, doch versucht sie zu beruhigen: „Ich bin seine einzige Tochter und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich in seinem Kopf noch auf einem pinken Fahrrad und Stützrädern unterwegs bin.“ (lacht) Außerdem trüge auch der Fortschritt zur Sicherheit bei: „Reisen ist nicht mehr, wie vor zwanzig Jahren. Ich kann jederzeit über Handy und Internet ein Lebenszeichen von mir geben.“

In Cusco lernt Achatzi Ole, einen 18-Jährigen Radfahrer aus Bayern kennen. Mit ihm macht sie sich gemeinsam auf den Weg nach Machu Picchu. Die meisten fahren mit dem Zug, in dem es auch die Luxusvariante gibt: Tanzshows, Souvenirs, Spiele. Achatzi und Ole entscheiden sich für sechs Stunden Kleinbus und zwölf Kilometer Fußmarsch: „Ich habe gedacht, dass das nicht viele Leute machen. Von wegen! Es hat sich angefühlt wie der Fußweg zu einem Fußballspiel. Überall gab es Kioske, Eisbuden und Restaurants.“

Anstehen und wieder anstehen. Unterwegs ist man nach Machu Picchu nur in großen Gruppen. Fast logisch, dass schon der Fußweg nach Aguas Calientes, einem Dorf am Fuße des Berges,voll von Kiosken und Souvenirshops ist.
Anstehen und wieder anstehen. Unterwegs ist man nach Machu Picchu nur in großen Gruppen. Fast logisch, dass schon der Fußweg nach Aguas Calientes, einem Dorf am Fuße des Berges,voll von Kiosken und Souvenirshops ist. © WP | Lisa Achatzi

Am nächsten Morgen geht es um 4.30 Uhr los. Zunächst fahren Lisa Achatzi und Ole mit dem erstmöglichen Bus zu einem Punkt, von wo aus es 2000 Stufen hinauf geht. In einer langen Warteschlange fragt ein Amerikaner neben Achatzi ernst gemeint: „Gehört Machu Picchu eigentlich zu den sieben Weltwundern?“ Es ist nicht so, dass Lisa Achatzi Klischees sucht, es ist eher umgedreht. Denn es sind nicht nur Pizza und Pasta, die Massentourismus definieren, sondern auch Menschen, die sich mit einer Sehenswürdigkeit nicht einmal auf dem Papier beschäftigt haben.

Beeindruckend und verstörend

Aller Kritik und Gewissen zum Trotz, schreibt Achatzi sofort nach ihrer Ankunft: „Machu Picchu ist wirklich atemberaubend! Man fragt sich die ganze Zeit, wie das möglich ist! Dass die Inkas das alles dort oben gebaut haben, ohne Kräne usw. Absolut verrückt!“

Auch interessant

Um sie herum startet der Selfie-Wahn. Für den berühmten Aussichtspunkt muss man anstehen. Mit jeder Stunde wird es voller. Achatzi sieht mehrmals, wie einige über Absperrungen steigen, um von dort aus Fotos zu machen. Machu Picchu ist einer der beeindruckendsten Orte der Erde. Der ungebremste Massentourismus führt laut Achatzi jedoch einen Kulturschock herbei, der nicht nur die Art des Reisens, sondern die pure Anwesenheit hinterfragen sollte. So sind es nicht nur die Fotos, die Achatzi von dort mitnimmt: „Ich habe noch nie so viele nutzlose Wanderstöcke gesehen. Es sind weder schwere, noch besonders steile Wege. Wie laufen die zu Hause denn die Treppen herunter?“