Baños/Ecuador. Lisa Achatzi fährt für SOS-Kinderdörfer mit dem Rad durch Südamerika. Ihre vierte Etappe in Ecuador führt zwischen Vulkane und Straßenschlachten.
Als Lisa Achatzi vor zwei Wochen von ihrer Tour berichtete, beschrieb sie die Zustände an der Grenze zu Ecuador, wo viele geflüchtete Venezolaner auf eine Einreiseerlaubnis hofften. Es folgten Tage in der Hauptstadt Quito, zunächst als Reise-Referentin in der Universität, dann als Gast einer Babyparty. Doch plötzlich ändert sich alles in Ecuador, überall im Land kommt es zu Unruhen. In all dem Chaos sucht Achatzi mit ihrem Rad Schlupflöcher in Straßensperren.
Essen für den guten Zweck
Gibt es einen besseren Ort zum Pausieren, als die „Bäder des heiligen Wassers“? Genau das bedeutet Baños de Agua Santa, die Kleinstadt mit zahlreichen Thermalquellen, übersetzt. Hier entscheidet sich Lisa Achatzi nach 200 Kilometern Fahrt für eine Auszeit im Hostel. Dort eingecheckt, lernt sie einige Volunteers des Hauses kennen, beiläufig erzählt Achatzi von ihrer Radreise für SOS-Kinderdörfer. Ein junger Brite namens Stuart ist sofort begeistert und möchte sie unterstützen. Kurz darauf findet sich Achatzis Spendenfahrt auf einem Flipchart als „Aktivität des Tages“ wieder. Eine nette Geste, denkt sich Lisa. Vielleicht klicken vorbeihuschende Gäste ihr Projekt an und spenden ein paar Euros.
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Während der Alltag des Hostels seinen Lauf nimmt, schaut sich Achatzi die Stadt am Fuße des berühmten wie gefürchteten Vulkans Tungurahu an. Als sie zurückkehrt, wartet Stuart mit einer Idee: „Wir kochen für alle. Und wer teilnehmen will, bezahlt fünf Dollar – für deine Spendenfahrt.“ Der Andrang lässt nicht lange auf sich warten. „Es war einfach nur schön, weil auch alle zusammen an einem Tisch saßen“, schildert Achatzi glücklich. Als die Gespräche enden und der Tisch geputzt ist, liegen 60 Euro in der Spendenbox.
Hunde am Hinterrad
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Nach drei Tagen bricht Achatzi auf. 150 Kilometer später macht sie eine Pause auf dem nächsten Vulkan. Achatzi blickt auf den Kratersee des Quilotoa herab, wo das Wasser wie ein türkiser Teppich stillzustehen scheint. Doch Achatzi klingt unentspannt. „Ich mache mir jetzt erstmal die Taschen mit Steinchen voll“, sagt sie hörbar genervt. Seit mehreren Tagen wird sie auf ihrer Route von Hunden attackiert. Sie kommen aus Hinterhöfen und Einfahrten und klemmen sich kläffend an ihr Hinterrad: „Ich liebe Hunde und werfe die Steine nicht zielgerichtet. Trotzdem schmeiße ich welche, weil ich gehört habe, dass es die Hunde auf Abstand hält.“ Ziel ist die Küste, von 4000 auf 40 Meter geht es nur noch bergab.
Inmitten des Chaos
„Wo die Natur aufhört, fängt der Unsinn an“, weiß ein deutsches Sprichwort. Innerhalb kürzester Zeit erlebt Achatzi das hautnah. Ein Generalstreik überzieht das Land. Keine Bahn fährt, keine Schule öffnet, für sechzig Tage wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Von einer anderen Reisenden erfährt Achatzi, dass erste Plünderungen und Straßenschlachten im Gange sind. Achatzi fährt trotzdem los. Es folgen surreale Momente inmitten brennender Reifenstapel, die an das filmische Endzeitszenario von „Mad Max“ erinnern.
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Doch es ist real. Supermärkte können Bedarf und Nachfrage nicht stillen, Geldautomaten sind leergeräumt, die Spritpreise schießen in die Höhe. „Lasst die Touristin durch!“, hört Achatzi nicht nur einmal. Keuchend erzählt sie: „Ich melde mich vom Fahrrad, weil ich keine Zeit zum Anhalten habe. Ich fahre hier durch Schlachtfelder, überall liegen verkohlte Reste, Steine und Scherben. Habe es jetzt auf eine Bundesstraße geschafft und baller‘ so hart wie nur möglich durch, damit ich in zwei Tagen in Peru bin. Ich will in Sicherheit kommen, das hier ist ein Pulverfass.“