Lima/Bad Laasphe. Lisa Achatzi fährt für SOS-Kinderdörfer mit dem Rad durch Südamerika. Auf ihrer Etappe durch Peru bekommt sie es mit Whiskey und Kokain zu tun.
Als Lisa Achatzi vor zwei Wochen von ihrer Tour berichtete, befand sie sich im ständigen Wechsel zwischen den traumhaften Bergen Ecuadors und den landesweiten Aufständen. Der Generalstreik, der einen 60-tägigen Ausnahmezustand mit sich brachte, machte ihren Weg nach Peru zu einem Ritt gegen die Zeit. Nach 3200 Kilometern auf dem Sattel, hat Achatzi inzwischen die Hauptstadt Lima erreicht.
Vom Regen in die Traufe
Für den guten Zweck
19.000 Kilometer lang ist Lisa Achatzis Route. Von Kolumbien nach Feuerland und landeinwärts nach Brasilien, führt ihre Tour durch insgesamt neun Länder. Auf ihrer Tour besucht sie SOS-Kinderdörfer, für die sie mit ihrem Reiseblog www.wheelsoffortune.org bereits über 2500 Euro Spendengelder sammeln konnte.
Zwei Mal im Monat berichtet unsere Zeitung von ihrer Reise, per Sprachnachrichten schildert Achatzi ihre Eindrücke und Erlebnisse.
„Angst hatte ich nie. Die Leute bei den Protesten waren alle nett zu mir“, sagt Achatzi rückblickend auf die Zustände in Ecuador. Es ist nicht die Bevölkerung, die der Laaspherin Sorgen bereitet, sondern die Ungewissheit über die politische Lage. Wie reagiert die Regierung? Wird mit Worten oder mit Gewehren geantwortet? Diese potenzielle Gefahr lässt Achatzi in die Pedalen treten, um so schnell wie möglich die nächste Grenze zu erreichen.
Glücklich in Peru angekommen, machen neue Meldungen über Ausschreitungen die Runde. Sie betreffen zwei Nachbarländer, die noch vor ihr liegen. In Bolivien will sich Präsident Morales wiederwählen lassen, obwohl eine neue Legislaturperiode gegen die Verfassung wäre. In Chile kommt es zu Straßenschlachten, weil im „Musterland“ des Wirtschaftswachstums seit Jahren nur die Reichen Gewinne abgreifen.
Stundenlang im Nichts
In all den Unruhen bescheren Achatzi die Einheimischen immer wieder Momente der Freude. Als sie ihr erstes Hostel in Peru verlässt, bekommt sie vom Sohn des Hostel-Besitzers ein Flasche Whiskey „für kalte Stunden“ geschenkt. Später wird sie von einem Auto voller junger Leute überholt, die ein paar Straßenecken weiter mit einem vollen Korb Brot auf sie warten.
Im Vergleich zu Ecuador und Kolumbien ist Peru vor allem eines: groß. Das erste Mal seit Reisebeginn fährt sie „stundenlang im Nichts“. In dem Land, dreimal so groß wie Deutschland, kommen andere Probleme hinzu: „Manche Bundesstraßen sind nicht geteert und der Verkehr ist durch zig Autorikschas ziemlich verrückt. Auch Tankstellen sind sehr selten. Und wenn doch mal eine kommt, kann man sich meist nicht verpflegen.“ Auch die winzigen Dörfer sind mit denen zuvor nicht zu vergleichen. Der Großteil der Bevölkerung ist indigen und schaut die Laaspherin an, als käme ein Alien auf zwei Rädern des Weges.
Mit Coca-Blättern zum Ziel
Dann beginnt ein Abenteuer wie in einem Indiana-Jones-Film. Wegen der matschigen Straßen in den Serpentinen, entscheidet sich Achatzi für eine Mitfahrt in einem Kleinbus der Marke „Eigenbau“. Es ist mitten in der Nacht auf einem Berg, als Achatzi aufwacht. Der Bus steckt im Schlamm fest, ein Traktor muss den Karren herausziehen. Kurz darauf versagen die Bremsen. Keine Leitplanken, nur Abgrund – und ein Reisegast, der angeblich Mechaniker ist. Irgendwie geht es weiter, Achatzis Nerven sind jedoch am Ende.
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Wieder im Sattel, gerät sie am nächsten Tag in einen Sandsturm hinein. Ein gut gelaunter Lkw-Fahrer nimmt sie mit. Er befindet sich auf seiner wöchentlichen 18-Stunden-Tour nach Lima. „Wie hältst du das durch?“, fragt Achatzi. Da holt er grinsend einen Sack voller Coca-sträuchern hervor und sagt: „Es geht nur so!“ Sie versucht den Blätter kauenden Mann zu unterhalten: „Er stand unter Zeitdruck und war immer kurz davor wegzuknacken.“
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In Lima angekommen. Achatzi hat es überlebt. 8,6 Millionen Menschen, Kleidung, Verkehr, Architektur – nichts ist wie zuvor. Um diesen Kulturschock zu verkraften, versorgt sich Achatzi erst einmal mit Vollkornbrot und Laugenbretzel bei einer deutschen Bäckerei. Die Welt ist eben doch ein Dorf.