Bad Laasphe. Die Polizei ermittelt noch, warum sich das Pferd in einem Wald bei Bad Laasphe erschrak. Die Hilfsfrist wurde um ein paar Minuten überschritten.

Die 31-jährige Reiterin aus Bad Laasphe, die am Samstagnachmittag bei einem Unfall verstarb (wir berichteten), wurde bei einem Ausritt im Wald oberhalb von Kunst Wittgenstein von ihrem Pferd abgeworfen. Das teilte die Polizei am Montagvormittag mit. Warum das Pferd scheute, sei noch nicht abschließend geklärt und demnach Gegenstand der laufenden Ermittlungen.

In abgelegenem Waldstück war die 31-Jährige zusammen mit zwei Begleiterinnen im Alter von 16 und 22 Jahren ausgeritten, als sich das Pferd der Bad Laaspherin plötzlich erschrak. Nach Angaben der Polizei leisteten die beiden Begleiterinnen sofort Erste Hilfe und verständigten den Rettungsdienst. Notfallseelsorger kümmerten sich später um die beiden Frauen.

Die Hilfsfrist

Dabei lässt der tragische Unfall die Diskussion über Rettungspunkte wieder aufleben. Tatsache ist: Auch wenn die Rettungskräfte schneller vor Ort gewesen wären, hätte das Leben der jungen Mutter nicht mehr gerettet werden können.

Auf diesem Weg sind die drei Reiterinnen (16,22 und 31) am Samstagnachmittag in den Wald geritten. Der L10 ist ein Rothaarsteigzubringer und beginnt direkt hinter dem Reitstall.  
Auf diesem Weg sind die drei Reiterinnen (16,22 und 31) am Samstagnachmittag in den Wald geritten. Der L10 ist ein Rothaarsteigzubringer und beginnt direkt hinter dem Reitstall.   © Lars-Peter Dickel

Zwischen dem Absetzen des Notrufs und dem Eintreffen des Rettungsdienstes vergingen gut 15 Minuten – die in NRW geltende Hilfsfrist von zwölf Minuten im ländlichen Raum wurde damit überschritten. Aber: „Mit diesen Fristen können wir hier nicht operieren. Der Unfall ereignete sich in einem Gebiet, das nicht mal mehr bewohnt war, an dem eine genaue Ortsangabe kaum möglich war, weil es keine Adresse gibt“, so Dirk Höbener, Leiter der Bad Laaspher Feuerwehr. Außerdem haben sich die Einsatzkräfte auf unbefestigten Gelände fortbewegen müssen.

Die Notfallpunkte

Genaue Ortsangaben könnten hingegen Rettungspunkte liefern, die beispielsweise an den Pfosten der Wegbeschilderungen angebracht werden. Die Tafeln enthalten neben der Notrufnummer eine Standortnummer, die aus dem Kfz-Kennzeichen des Kreises und dem Ostwert der UTM-Koordinate zusammengesetzt ist. Die sechs Stellen hinter dem Kfz-Kennzeichen können so einen metergenauen Wert angeben. Insgesamt gibt es 67 ausgewiesene Rettungspunkte im Kreis Siegen-Wittgenstein, die vom Naturpark Sauerland Rothaargebirge initiiert wurden.

Die Forstrettungspunkte

Erinnerung an tragischen Planwagen-Unfall

Auf der Friedrichshütte sitzt der Schock nach dem folgenschweren Reitunfall vom Samstagnachmittag noch tief. Bei den älteren am Ort kommt neben dem Schock auch die Erinnerung an einem ebenso schwarzen Tag, den 18. Juni 1990, zurück. Nur wenige hundert Meter vom Reitstall entfernt steht ein Gedenkstein am Wegesrand. Ein Blumentopf mit roten und rosafarbenen Stiefmütterchen schmückt die Stelle an der sechs Menschen aus Hamburg bei einem Planwagenunfall starben. Eine Bank, die seit 14 Jahren von Schülern der Lachsbach-Förderschule gepflegt wird, trägt eine Messingplatte mit Inschrift. Der Bürgerverein Sasel-Poppenbüttel hatte die Reise für 42 Senioren in das damalige Kneipp-Heilbad Bad Laasphe organisiert. Die Urlauber aus der Hansestadt wohnten im Hotel Fasanerie. Die Planwagenfahrt sollte ein Abenteuer werden - zwei Stunden führte sich durch die Wälder und Höhenzüge und schließlich zurück zum Hotel. Gegen 16 Uhr, nur wenig 100 Meter vor dem Ziel passiert es. Eine Seitenwand des Wagens klappte um und die Passagiere, die mit dem Rücken zur Bordwand saßen fielen rücklings zu Boden. Teile der Wagenkonstruktion und die Plane fielen mit. Das alles wurde zur tödlichen Falle für sechs Senioren. Auch sofortige erste Hilfe von herbeigeeilten Unfallzeugen konnte die Menschen nicht retten.

Angehörige der Verunglückten und des Bürgervereins des Hamburger Stadtteils Sasel-Poppenbüttel, dem die Verstorbenen angehörten, errichteten an der Unfallstelle den Stein mit Gedenktafel. Christa und Helmut Wickel, die 25 Jahre lang ehrenamtlich einige Fernwanderwege rund um Bad Laasphe betreut haben, kümmerten sich seit 1996 auch um diese Gedenkstätte, gaben die Pflege der Gedenkstätte aber aus Altersgründen 2008 an die Lachsbachschule ab.

Anders verhält es sich mit Wäldern im Privatbesitz, wie zum Beispiel die der Wittgensteiner oder der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer. Sie haben in dem Sinne keine „offiziellen“ Rettungspunkte, sondern lediglich „Forstrettungspunkte“. Dabei greifen die Waldbesitzer auch auf ein anderes Code-System zurück: „Wir haben nicht das Kfz-Kennzeichen des Kreises, sondern die Buchstaben-Kombination „RW“ für ‘Rentkammer Wittgenstein’ und eine zweistellige Nummer“, sagt Björn Römhild von der Rentkammer Wittgenstein in Bad Laasphe.

Die Ortung

Anders als bei den Rettungspunkten vom Naturpark Sauerland Rothaargebirge seien diese Punkte aber nicht ausgeschildert, so Thomas Weis von der Kreisleitstelle in Siegen. „Zwar sind alle Notfallpunkte bei der Kreisleitstelle hinterlegt, so dass die Rettungskräfte auf diese Datenbank zurückgreifen können. Aber für Privatpersonen sind diese Punkte nicht ersichtlich.“ Im Notfall könne der Rettungsdienst aber auch versuchen, das Handy der verunglückten Person per GPS zu orten. „Dafür schicken wir eine SMS an die Nummer der Person, die den Notfall abgesetzt hat. Wenn sie den Eingang dieser Nachricht bestätigt, können wir per GPS den Unfallort ausfindig machen“, erklärt Thomas Tremmel, Amtsleiter bei der Kreisleitstelle in Siegen. Die einzige Einschränkung: Mobile Datenübertragung muss möglich sein vor Ort – was gerade in dünn besiedelten Waldlagen nicht immer gegeben ist. Auch bei dem Reitunfall bei Kunst Wittgenstein habe es kein ausreichendes Mobilfunknetz gegeben.

Das Bewusstsein

„Im Wald werden Notrufe immer zur Herausforderung“, so Tremmel weiter. „Selbst wenn in Zehn-Meter-Abständen Notrufsäulen installiert wären, hieße das nicht automatisch, dass die Rettungskräfte schneller vor Ort sind.“ Häufig werden derartige Rettungspunkte gar nicht als solche wahrgenommen. „Die müssen oft erst mal ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken.“