Erndtebrück. . Ein Großauftrag für den Sommer ist kurzfristig weggebrochen. Deshalb muss ein Teil der Belegschaft vorerst mit weniger Lohn auskommen.
- Novum in der Firmengeschichte: Teil der rund 530 Beschäftigten am Standort Erndtebrück erhält Kurzarbeiter-Geld
- Geschäftsführer: Auftrag hätte „für uns eine Grundauslastung von mindestens sechs bis sieben Monaten“ bedeutet
- Betriebsratsvorsitzende: „Das war überhaupt nicht abzusehen“ – „Für uns ist das alles Neuland“
Beim Erndtebrücker Eisenwerk (EEW) wird in der nächsten Zeit Kurzarbeit gefahren – wesentlicher Grund dafür: Dem weltweit aktiven Stahlrohr-Hersteller ist Anfang Juni ein Großauftrag für Spezialrohre storniert worden, die in 58 Fundamenten für Windtürme hätten verbaut werden sollen. Ein Teil der Belegschaft am Standort Erndtebrück mit fast 530 Beschäftigten erhält nun Kurzarbeiter-Geld – zumindest an einigen Tagen im Monat.
„Mit dem Rücken zur Wand“
„Wenn man diesen Großauftrag etwa einen Monat vor Produktionsbeginn annulliert bekommt, steht man bei uns im Projektgeschäft mit dem Rücken zur Wand“, sagt Geschäftsführer Christoph Schorge. Immerhin: Der Auftrag hätte „für uns eine Grundauslastung von mindestens sechs bis sieben Monaten“ bedeutet, sagt er.
Jährlich rund 600 000 Tonnen Stahlrohre
EEW produziert in seinen Werken weltweit jährlich rund 600 000 Tonnen Stahlrohre für die Öl- und Gas-Industrie sowie für den in Europa boomenden Offshore-Wind-Markt.
Mit einem Jahresumsatz von insgesamt rund 750 Millionen Euro zählt das global aufgestellte Familienunternehmen aus Wittgenstein längst zu den „Großen“ seines Markt-Segments.
Wegen des niedrigen Öl-Preises stecke die gesamte Rohr-Industrie derzeit in einer Krise, erläutert Schorge. So seien „die weltweit wenigen Großprojekte in der Öl- und Gas-Branche sehr hart umkämpft“. Dass die EEW-Werke weltweit jedoch sehr gut ausgelastet seien, liege vor allem daran, dass sich das Unternehmen mit seinen Produkten eben auch im Offshore-Wind-Bereich engagiere.
„Neuland“ für die Beschäftigten
Die Kurzarbeit bezieht sich laut Geschäftsführung vor allem auf die Produktion sowie die produktionsnahen Abteilungen – und gelte erst einmal für die nächsten sechs Monate. Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall in Siegen seien bereits sehr früh in den Prozess eingebunden worden. Die Belegschaft sei bereits im Mai über „anstehende Schwierigkeiten“ informiert worden – seinerzeit noch in der Hoffnung, dass der Auftrag nicht storniert werde.
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„Für uns ist das alles Neuland“, sagt EEW-Betriebsratsvorsitzende Anke Möllers und betont: „Die Firma ist nicht in finanzieller Schieflage. Es gibt keine Diskussion über eine Standort-Verlagerung.“ Dass besagter Auftrag so kurzfristig weggebrochen sei, habe das Unternehmen nicht zu verantworten. „Das war überhaupt nicht abzusehen.“
Betriebsvereinbarung regelt die Details
Um die Kurzarbeit zu organisieren, haben laut Möllers EEW-Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall gut zusammengearbeitet. So bestätigt es auch Andree Jorgella, 1. Bevollmächtigter IG Metall Siegen. „Das ist alles ganz sauber gelaufen“, sagt er unserer Zeitung – mit dem Ergebnis, dass die Kurzarbeit bei EEW nun über eine Betriebsvereinbarung geregelt sei.
Ganz konkret bekommen die betroffenen Mitarbeiter für drei bis zehn Arbeitstage im Monat ein Kurzarbeiter-Geld, das sich zwischen 60 Prozent des Tageslohns für Alleinstehende und 67 Prozent für Verheiratete bewegt. „Das sind die normalen Sätze“, erklärt Jorgella – und zwar „für jene Tage, wo die Arbeit eben ausfällt“, die Produktion für den weggefallenen Auftrag eben nicht läuft. Gezahlt wird das Kurzarbeiter-Geld von der Arbeitsagentur.
Sonst eigentlich eher Sonderschichten
Allerdings ist auch Jorgella Kurzarbeit bei EEW im Grunde völlig unbekannt. Seit 2007 kenne er das Unternehmen „eigentlich nur mit Sonderschichten“, so der Gewerkschafter – also mit Mehrarbeit angesichts voller Auftragsbücher.
Hat die Metall-Branche eigentlich allgemein mit zurückgehenden Auftragszahlen zu kämpfen? „Wir haben nicht mehr die Situation, dass es allen Unternehmen gleichmäßig gut geht“, hat Jorgella festgestellt. Schwächen gebe es in der Region bei vielen Betrieben, die mit Stahl zu tun haben. Und gerade die Röhren-Branche, zu der das Erndtebrücker Eisenwerk gehört, „ist schon eine spezielle, die seit einigen Jahren unter Druck steht“, weiß der Gewerkschafter. Eben diese Branche sei viel im weltweiten Öl- und Gas-Geschäft unterwegs, aktuell geprägt vom Preisverfall trotz gedrosselter Förderung. Da würden neue Pipelines für den Transport nicht mehr so oft benötigt, schätzt der Bevollmächtigte.
EEW macht „seine Hausaufgaben“
Aber: „EEW hat seine Hausaufgaben gemacht“, betont Jorgella. „Es gibt kaum jemand, der den Markt so gut kennt wie Herr Schorge.“ Das Unternehmen stecke eben nicht den Kopf in den Sand, sondern schaue: Was müssen wir tun, um am Markt zu bleiben? So habe EEW in den letzten Jahren etwa die beiden Siegener Firmen Pickhan und Bergrohr übernommen, um seine Produktpalette zu erweitern.
Und am Standort Erndtebrück investiert EEW nach eigenen Angaben derzeit knapp zehn Millionen Euro in Produkt- sowie Prozess-Entwicklungen. Das aber habe die aktuelle Kurzarbeit leider nicht verhindern können, bedauert die Geschäftsführung.