Benfe/Hesselbach. . Windkraftgegner werden überrascht: Auf dem Benfer Rücken und bei Hesselbach darf gebaut werden. Ortsvorsteher wägen rechtliche Schritte ab.

  • Wittgenstein New Energy darf insgesamt sechs Windkraftanlagen bauen
  • Windkraftgegner wollen rechtlich dagegen vorgehen
  • Benfes Ortsvorsteher ist selbstkritisch, aber kämpferisch

Die Nachricht ist ein Paukenschlag. Für den Bad Laaspher Windkraftbetreiber Wittgenstein New Energy Holding GmbH (WNE) ist sie das nachträgliche Weihnachtsgeschenk – für die Windkraftgegner im Erndtebrücker Ortsteil Benfe und im Bad Laaspher Dorf Hesselbach ist sie schlechteste Nachricht des Jahres: Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat der Tochterfirma Lahn Energy GmbH Co. KG die Genehmigung zum Bau von vier Windkraftanlagen auf dem Benfer Rücken und dem Weibelskopf, zwischen Benfe und Volkholz, gelegen erteilt. Das Gleiche gilt für zwei weitere Anlagen auf dem Gerhardsberg und dem Görzberg nordöstlich von Hesselbach. In diesem Fall ist der Bauherr die Greyhouse Energy GmbH & Co. KG. Auch das ist eine Tochterfirma der WNE. Grundlage für die Genehmigungen ist das privilegierte Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz.

Ortsvorsteher beratschlagen sich mit ihrem Anwalt

Unterschiedliche Windkraftanlagen geplant

Die vier auf dem Benfer Rücken geplanten Anlagen entsprechen äußerlich fast den acht Vestas V112 im Dreieck zwischen Bad Laasphe, Banfe und Hesselbach.

Die wesentlichen Unterschiede sind aber die Nabenhöhe von nur 119 statt 140 Metern. Zwar ist der Rotordurchmesser mit 112 Metern identisch. Die Leistung der vier neuen Anlagen ist mit 3,3 Megawatt pro Generator aber bereits um 10 Prozent größer als die der bestehenden, wie Planer Cliff Reppel erläutert.

Neben den vier genehmigten Anlagen auf dem Benfer Rücken möchte die Wittgenstein New Energy noch zwei weitere Anlagen bei Hesselbach errichten. Die Genehmigungsunterlagen dafür wurden bereits im März 2016 eingereicht.

Insgesamt umfasse die Investition allein bei Benfe rund 20 Millionen Euro.

Laut den Genehmigungsunterlagen sind bei Hesselbach ebenfalls Vestas Anlagen vorgesehen, allerdings Vestas 126 mit einer Nabenhöhe von 137 Metern und einem Rotordurchmesser von 126 Metern. Die Anlagen lägen in 1800 Metern Entfernung zum Ort.

Hesselbachs Ortsvorsteherin Petra Tang (CDU), die den Bau von Windkraftanlagen kritisch sieht, war erschüttert von der schlechten Nachricht: „Wir werden uns in nächster Zeit treffen und mit unserem Anwalt beratschlagen, was wir tun.“

Benfes Ortsvorsteher Matthias Althaus wurde von dieser Nachricht ebenfalls überrascht, gibt sich aber kämpferisch: „Wir werden jetzt erst einmal die Genehmigungsunterlagen anfordern.“ Althaus will in den Papieren nach Möglichkeiten suchen, wie man die Windkraftanlagen noch verhindern kann. Daraus macht er keinen Hehl.

Aber das UWG-Gemeinderatsmitglied ist auch selbstkritisch in Sachen Politik: „Wir haben uns alle zu sicher gefühlt“, sagt er mit Blick auf die Debatten um Vorrangzonen und die Hoffnung auf die Tabuzone von fünf Kilometern um die Bundeswehr-Radarstellung auf dem Ebschloh in Erndtebrück. Daran waren andere Windkraftinvestoren in der jüngeren Vergangenheit gescheitert. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir in Kürze einen Antrag auf Ausweisung von Vorrangzonen stellen werden“, sagt Althaus.

Reppel: Der Teufel steckt im Detail

Das Radar scheint für die Anlagen der Wittgenstein New Energy kein Tabukriterium zu sein. Jedenfalls hat die Bundeswehr keinen Widerspruch eingelegt. „Die Frage ist doch, ob sich andere Investoren intensiv genug mit der Radartechnik beschäftigt haben. Der Teufel steckt im Detail. Aber es gibt einen gangbaren Weg“, erläutert Planer Cliff Reppel (WNE). Auch die Anlagen von Investor Ludwig-Ferdinand Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg „haben ein geringes Störpotenzial“, wie Reppel erklärt. Alles wurde „bis auf die Kommastelle berechnet“ und war so gering, dass es einer Genehmigung nicht im Wege stand.

Wirtschaftliche Wertschöpfung in der Region halten 

Für Reppel startet das neue Jahr mit viel Arbeit: „Wir haben uns diese Genehmigung erkämpft. Jetzt geht es ganz klassisch los mit den Fragen, die vor Baubeginn zu klären sind.“ Eckpunkte für den Zeitplan sind beispielsweise die Finanzierung und die Lieferzeiten für die Anlagen beim Hersteller. „Wenn wir heute bestellen, haben die Hersteller eine Lieferzeit von neun bis zwölf Monaten“, verweist Reppel auf die gute Auftragslage bei diesen Firmen. Wobei feststeht, wo die WNE die bestellen wird: beim dänischen Hersteller Vestas, der auch die bereits installierten acht Anlagen geliefert hat.

Das Heft des Handelns

Jetzt ist das Kind (schon wieder) in den Brunnen gefallen. Lange diskutieren die Politiker in den drei kommunalen Parlamenten Wittgensteins über die Windkraft und die Ausweisung Vorrangzonen. Jetzt zeigt sich, wer wartet, verliert das Heft des Handelns.

Als erstes hieß es überall: Vorrangzonen brauchen wir nicht, im Wald darf ja nicht gebaut werden. Das ist vorbei. In Bad Laasphe wurde dann gezögert, weil man im Rat eine Ungleichbehandlung von zwei ortsansässigen Investoren befürchtete. Am Ende gab es Windkraft - ohne echte Regulierung. In Erndtebrück war es die Hoffnung auf den Schutz durch das Bundeswehr-Radar. Aber schon vor einigen Jahren war klar, dass der Fünf-Kilometer-Radius um den Ebschloh kein unantastbares Tabu für Bauwerke ist. Es hieß nur, dass sie dort intensiver auf ihre Störeigenschaften geprüft werden.

Jetzt ist der Fall eingetreten, dass die Windkraft und Radar einen Weg zur friedlichen Koexistenz gefunden haben, den die Politik zu lange für unmöglich hielt. Genau das kann mit ganz vielen Tabu-Kriterien passieren. Also muss Politik handeln, Rahmenbedingungen setzen und Vorrangzonen ausweisen.

Vestas betreibt in Erndtebrück auch eine Außenstelle mit vier Mechanikern zur Wartung solcher Anlagen. Auch das ist ausschlaggebend für die Zusammenarbeit. Die werde es aber auch mit anderen heimischen Unternehmen für die Errichtung der Anlagen geben. „Wir wollen die Wertschöpfung in der Region halten“, sagt Reppel. Außerdem wolle WNE Personal einstellen. Gerade erst habe man eine Juristin angestellt.

Damit will Reppel aber kein Öl ins Feuer der Diskussion mit Windkraftgegnern gießen. „Wir sind immer an einem sachlichen Dialog interessiert.“ Das sagt auch Matthias Althaus. Seine Ortsvorsteher-Kollegin aus Hesselbach macht aber deutlich, dass sie die Massierung der Windräder in Wittgenstein ablehnt. Tang engagiert sich in Bürgerinitiativen gegen Windkraft und wünscht sich eine einheitliche Lösung für ganz Wittgenstein. „Wir haben hier eine wunderschöne Landschaft. Die müssen wir schützen“, sagt die Hesselbacherin.

Klageweg steht offen

Für das privilegierte Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, sind die vielfach emotionsgeladenen Argumente der Windkraftgegner nicht relevant. „Wir müssen bewerten, was gegen das Planungsrecht spricht und dann entscheiden“, sagt Arno Wied, Leiter des Dezernates für Bauen, Umwelt und Wirtschaft des Kreises Siegen-Wittgenstein.

Im Fall der Genehmigungsunterlagen für die Windkraftanlagen auf dem Benfer Rücken und in Hesselbach hat eben nichts dagegen gesprochen. „Dann muss die Genehmigung erteilt werden“, macht Wied die Rechtslage klar und erläutert auch, dass es keinen Spielraum gibt: „Wenn die Abwägung erfolgt ist, muss eine positive oder negative Entscheidung gefällt werden.“ Im Falle Hesselbach seien keine neuen oder zusätzlichen Belastungen für die Ortschaft zu erkennen.

Allerdings steht den Windkraftgegnern aber auch anderen Institutionen wie zum Beispiel der Bundeswehr auch der Klageweg gegen die Genehmigung offen.