Warstein. . Wenn am 1. August tatsächlich das Schulgesetz geändert wird, dann hat dies weitreichende Folgen für Warsteins Schullandschaft: Die Grimme-Schule als Förderschule mit dem Schwerpunkt „Lernen“ könnte ihre Bestandsgarantie verlieren.
Denn die Regelung ist eindeutig: 144 Schüler brauchen diese Förderschulen demnach, um fortgeführt werden zu dürfen. Mit derzeit 108 Kindern liegt die Grimme-Schule deutlich darunter. „Die Zahlen werden wir nicht erreichen“, sagt Grimme-Schulleiterin Ulrike Wiegelmann.
Hinzu kommt: Die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bringt mehr und mehr Förderschüler in Regelschulen. Sie garantiert ab dem kommenden Schuljahr Eltern von angehenden Erst- und Fünftklässlern das Recht auf „Gemeinsames Lernen“ für ihr Kind, sprich den Besuch einer Regelschule. Eigentlich eine gute Idee, findet auch Ulrike Wiegelmann. Aber: „Schüler mit dem Förderbedarf Lernen werden große Schwierigkeiten an einer Regelschule bekommen, wenn sie nicht entsprechend vorbereitet worden sind und die Umsetzung an der Regelschule nicht hundertprozentig funktioniert.“
Mehr als nur eine Diagnose
Was heißt überhaupt „Förderschwerpunkt Lernen“? Es klingt furchtbar sperrig: „Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich mehr als nur eine Diagnose bei der Schuleingangsprüfung.
„Unsere Schüler haben in den unterschiedlichsten Bereichen Probleme mit dem Lernen“, erklärt Ulrike Wiegelmann, „manche sind einfach viel langsamer, andere haben nur punktuell Schwierigkeiten.“ Umstände, die es erforderlich machen, dass die Lehrer individuell auf die Schwächen jedes einzelnen Schülers eingehen.
Maximal 15 Schüler pro Klasse, keine Klassenarbeiten im üblichen Sinn und vor allem: keine Noten. Das sichert den Grimme-Schülern einen guten Start ins Schulleben und kommt ihren Schwächen entgegen. „Es ist so wichtig, dass wir den Kindern hier erst mal signalisieren ,Auch ihr könnt was’. Im Regelschulbetrieb werden die Kinder früh mit Noten und großem Leistungsdruck konfrontiert. Ein Schüler mit Förderbedarf würde da völlig aus dem Raster fallen.“
Wechsel auf Regelschule möglich
Und trotzdem wechseln regelmäßig auch Grimme-Schüler schon jetzt auf die Hauptschule, um dort ihren Abschluss zu machen. Das alles aber nur nach langer Vorbereitung. „Die Kinder bekommen bei uns erst mal eine Grund-Sicherheit“, so Wiegelmann. Schafft ein Schüler die achte Klasse an der Grimme-Schule und die Lehrer schätzen ihn als geeignet für die Hauptschule ein, dann kann er in die achte Regel-Klasse wechseln.
„Der sonderpädagogische Förderbedarf bleibt in der Zeit aber weiterhin bestehen“, betont Wiegelmann, dass kein Kind „einfach so“ an die Regelschule überwiesen werde. Erst wenn auch die achte Klasse an der Hauptschule bestanden wurde, wird der Förderbedarf aufgehoben.
Es ist ein dichtes Netz an Förderungen, Ansprache und Unterstützung, dass auf diese Weise an den Förderschulen um die Schüler entsteht. Ulrike Wiegelmann fürchtet um diese Kompetenzen, wenn tatsächlich ab dem Schuljahr 2014/2015 keine Schüler mehr an der Grimme-Schule aufgenommen werden dürfen, weil die Schülerzahlen langfristig die Bestandszahl von 144 Schülern nicht erreicht.
Stadt führt bereits Gespräche
„Einige werden klar kommen, das stelle ich gar nicht in Frage“, meint die Pädagogin, „es steht und fällt alles mit den Kollegen.“ Inklusion könne gerade bei Kindern mit Förderbedarf Lernen nur dann funktionieren, wenn Regelschullehrer und Sonderpädagoge im Team vernünftig zusammen arbeiteten.
Der Förderschwerpunkt Lernen werde bei der Inklusion nicht auf derselben Ebene wahrgenommen wie die „bekannten“ Förderbedarfsansätze „Körperbehinderung“ oder „geistige Entwicklung“. Oder, wie es Wiegelmann formuliert: „Wir haben keine Lobby.“ Doch außer Acht gelassen wird das Schicksal der Grimme-Schüler in Warstein nicht, sagt Josef Pieper vom zuständigen Schulamt. „Das Thema ist erkannt.“
Als Schulträger befinde sich die Stadt aktuell in Gesprächen mit dem Kreis Soest, in denen es um die künftige Gestaltung der Förderschullandschaft im Kreis gehe. Details wollte Pieper zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht nennen. Es sei nicht auszuschließen, dass die Entwicklung für die Grimme-Schule tatsächlich so eintrete, dass sie auslaufen würde. Aber: „Das ist ja kein Einzelfall, allein die Pestalozzi-Schule in Lippstadt schafft die geforderte Zahl von 144 Schülern.“ Deswegen seien die Gespräche abzuwarten, bevor eine endgültige Entscheidung feststehe.