Warstein. . Der Himmel. Sogar der Himmel trug Trauer. Novembergrau, novembertrüb, novembertraurig spannte er sich während der Trauerfreier für den am Dienstag verstorbenen Brauerei-Chef Albert Cramer (69) über Warstein.

Zwei Stunden lang schien die Stadt den Atem anzuhalten. Zwei Stunden schien alles Leben still zu stehen. Ein letztes Mal verneigte sich Warstein vor seinem großen Bürger, vor seinem wohl größten Bürger der letzten Jahrzehnte.

Bereits eine Stunde vor Beginn der Trauerfeier war die Pankratiuskirche gefüllt. Unter den Trauergästen auch Th. Simon von der Bitburger Brauerei und Werner Brombach (Erdinger).

Ganz vorne am Altar war ein großes Porträtfoto von Albert Cramer aufgestellt. Daneben die Urne mit seiner Asche, umrahmt von Kränzen und Blumengestecken in fröhlich strahlendem Gelb. Warsteinergelb.

Zahlreiche Fahnenabordnungen der Warsteiner Vereine zogen in die Kirche ein und postierten sich vor den Seitenschiffen. Als Pfarrer Thomas Wulf den Gottesdienst um 14 Uhr eröffnete, gab es im Gottesdienst keinen Sitz- und keinen Stehplatz mehr. Draußen war der Kirchplatz schwarz vor Menschen, die dem mit Lautsprechern übertragenen Gottesdienst andächtig folgten.

Bewegende Trauerfeier in der Pankratiuskirche

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„Wir sollten heute nicht weinen“, begrüßte der Pfarrer, der von Diakon Althaus und Abt Dominicus sowie Pater Werner von der Benediktiner-Abtei Königsmünster in Meschede unterstützt wurde, die bewegende Trauerfeier. „Und doch dürfen wir heute weinen“, sprach Wulf mit Blick auf die Familie, die in den vorderen Kirchenbänken Platz genommen hatte. Es sei ein Anliegen des Verstorbenen und der Familie, dass der Trauergottesdienst auch ein Dankgottesdienst werde.

In der Predigt erinnerte Dechant Thomas Wulf an einen Brief, den ihm Albert Cramer am 22. Mai 2008 geschrieben hat, seinem 65. Geburtstag. Darin schreibt Cramer, dass dieser Geburtstag für ihn Anlass sei, auf eine lange Zeit des Lebens zurückzublicken. Er empfinde ein Gefühl großer Dankbarkeit gegenüber dem Herrgott, auch, weil er bisher von schlimmen Krankheiten verschont geblieben sei. „Letzteres“, so Wulf, „ist in den letzten beiden Jahren dann nicht so gelieben.“

Predigt erinnert an Lebenswerk von Albert Cramer

In den Mittelpunkt der sehr persönlichen Predigt stellte der Geistliche einen Briefbogen von AC. Das Lebensblatt von Albert Cramer sei nun vollgeschrieben. Wulf erinnerte daran, dass die Brauerei stets ein Familienunternehmen im doppelten Wortsinn sei. Ein Unternehmen, das nicht nur in neunter Generation von der Familie Cramer geführt werde, sondern dass auch die Familien der Mitarbeiter immer im Blick habe. Albert Cramer sei ein Unternehmer im besten Sinne gewesen, einer der auf der ganzen Welt zu Hause gewesen sei „und doch am liebsten in Warstein zu Hause war.“ Und hier wie ein Landwirt auf eigener Scholle fest verwurzelt gewesen sei.

Für die Familie Cramer beginnt ein neues Kapitel - Glaube gibt Trost 

Für die Familie und das Unternehmen werde nach dem Tod dieses so herausragenden Unternehmers ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ein Kapitel, bei dem der tiefe Glaube, dem sich Albert Cramer stets verpflichtet gefühlt habe, Kraft geben könne: „Es ist der Glaube, der uns in diesen Stunden Trost geben will.“

Bei der Liedauswahl hatte sich die Familie besonders für kraftvolle Lieder wie „Großer Gott wir loben dich“, „Lobe den Herren“ oder „Von wunderbaren Mächten“ entschieden - Lieder, die Albert Cramer bei seinen Gottesdienstbesuchen selber gerne mit Inbrunst gesungen hat.

Bewegende Worte nach dem Gottesdienst

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Bewegend, ja berührend wurde es nach dem Gottesdienst als Dr. Wolfgang Rieden, ein langjähriger Freund von Albert Cramer, sehr persönlich über den Verstorbenen sprach. Mehrmals brach Dr. Rieden die Stimme: „AC war kein Heiliger“, formulierte dessen Wirtschaftsprüfer und Finanzberater. Seine Person und seine Lebensleistung seien viel zu groß, als dass man ihm einen Heiligenschein aufsetzen möge. Der liebe Gott habe ihm unendliche viele Gaben und Talente mit auf den Weg gegeben, „nur leider keine gute Menschenkenntnis“. Deshalb habe es immer wieder Menschen in seiner Nähe gegeben, „die nicht gut für ihn waren“.

Dann erinnerte Rieden an die „visionäre Schaffenskraft“, mit der Albert Cramer eines der erfolgreichsten Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte geschrieben habe. Mit seiner knorrigen Beharrlichkeit und seinem unerschütterlichen Optimismus habe AC die Warsteiner Brauerei zur bekanntestens und beliebtesten Brauerei in Deutschland und Europa gemacht. Mit tränenbelegter Stimme verabschiedete sich Dr. Wolfgang Rieden von seinem „guten, alten, schwierigen Freund“.

Trauerzug zum Friedhof mit sechs weißen Pferden

Vor der Kirche wartete schon ein von sechs weißen Pferden gezogener Wagen. Auf ihm wurde die Urne platziert und anschließend in einem Trauerzug, wie ihn Warstein noch nicht erlebt hat, zum Friedhof gefahren, wo Albert Cramer in der Familiengruft seine letzte Ruhestätte findet.

Ballon von Albert Cramer schwebt über dem Friedhof

Und dann eine letzte große Geste. Eine Geste, die für Gänsehaut sorgte: Über dem Friedhof schwebte ein Warsteiner Ballon. Sein Ballon. Albert Cramer, dieser begeisterte Ballonfahrer, der dem Himmel immer so nah sein wollte - dieses Ziel hat er nun erreicht.