Siegen. Muss der Mann (46) aus Siegen, der zwei frühere Sexualpartner vorsätzlich mit dem HI-Virus infiziert haben soll, ins Gefängnis? Staatsanwalt Markus Rau hat keinen Zweifel. Er beantragte am Dienstag vor dem Landgericht drei Jahre und neun Monate Haft. Verteidiger Steffen Reppel forderte Freispruch.
Es gebe Zweifel an einer eindeutigen Schuld seines Mandanten. Reppel stützte sich auf die These, der angeblich vom Angeklagten infizierte Nebenkläger habe schon vor der Beziehung zum Angeklagten immer wieder ungeschützten Sex mit infizierten Männern gehabt. Eine frühere Infizierung sei nicht nachgewiesen, aber durch die Gutachten ausdrücklich auch nicht ausgeschlossen worden. Niemand könne also sagen, wer wen infiziert habe.
Experten, Ärzte und Zeugen verhört
Die Kammer habe es sich nicht leicht gemacht, drei Experten, Ärzte und viele weitere Zeugen gehört, sagte der Staatsanwalt. Das alles habe zu einem eindeutigen Gesamteindruck geführt Der angeklagte Siegener habe anfangs geschwiegen und dann nach Aussage der beiden mutmaßlichen Opfer „seine Aussage darum herumgestrickt“. Praktisch nichts passe zusammen.
Vielsagend seien auch die zwölf Vorstrafen, die alle mit Betrug zu tun hätten, „und der Angeklagte hat auch die beiden Geschädigten betrogen.“ Die Schilderungen der beiden mutmaßlich Opfer ließen sogar darauf schließen, dass es dem 46-Jährigen bewusst um eine Ansteckung gegangen sei. Rau geht von einer eingeschränkten Schuldfähigkeit des lange Jahre drogensüchtigen Mannes aus. Der Staatsanwalt beantragte eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten für den Angeklagten sowie die Fortdauer der Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr.
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Nebenklagevertreterin Tanja Kretzschmar-Handte fand deutliche Worte für den Angeklagten. Der hätte besser die ganze Verhandlung durch geschwiegen, als Schmutzkampagnen gegen die Zeugen zu starten. Am Ende habe er aber nur sich selbst geschadet. Auch sie gehe von einer Wiederholungsgefahr und von einer großen Dunkelziffer weiterer Infizierter aus. Noch 2013 sei bei dem Siegener erneut eine Syphilis diagnostiziert worden, ein Zeichen für ungeschützten Verkehr.
Über AIDS-Hilfe in Köln in die falschen Kreise geraten
Für ihn sei der 13. Dezember, als er in die U-Haft kam, ein wichtiges Datum gewesen, antwortete der Angeklagte mit dem Bekenntnis, in diesen sechs Monaten zu Gott gefunden zu haben. Er sei durch widrige Umstände mit HIV infiziert worden, habe seine Frau und die Töchter verloren und sei schließlich über die AIDS-Hilfe in Köln in die falschen Kreise geraten. In die Sauna, in der er eines der mutmaßlichen Opfer 2009 kennengelernt hatte, sei er „immer nur unter Drogen und Alkohol gegangen“.
Bis Freitag, 6. Juni, um 14 Uhr will die 1. Große Strafkammer des Siegener Landgerichts entscheiden, ob der Angeklagte ins Gefängnis muss. Dann soll das Urteil gesprochen werden.