Siegen. Im Dezember 2013 hat ein maskierter Mann eine Tankstelle überfallen. Sein Waffe: Eine in einer orangefarbenen Tüte verpackte Tomate und ein Feuerzeug. Er drohte damit, die “Handgranate“ zu entzünden. Nun steht der Mann vor Gericht. Ist er ein Fall für die Psychiatrie?

Es war einer der kuriosesten Überfälle, die es je in Siegen gab: Am frühen Morgen des 3. Dezember 2013 betrat ein maskierter Mann eine Siegener Tankstelle, hielt der Angestellten eine Plastiktüte mit „einem runden Gegenstand“ vor die Nase und drohte, die angebliche Handgranate mit seinem Feuerzeug zur Explosion zu bringen.

In der orangefarbenen Tüte war aber nur eine Tomate. Der damals 49 Jahre alte Mann forderte Geld und Zigaretten, bekam 495 Euro und sieben Schachteln. Kurz darauf wurde er verhaftet. Seit Dienstag geht es vor dem Schwurgericht um die Frage, ob der vorbestrafte und heroinsüchtige Mann in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden soll.

Im Mai 2012 wurde eben dies von der Kammer anders beschieden. Damals hatte Richter Wolfgang Münker von einem „Drehtürgefangenen“ gesprochen und Staatsanwalt Manfred Lischeck die Frage gestellt: „Wie viel Freiheit dieses Angeklagten kann die Gesellschaft verkraften?“ Lischeck hatte den Mann schon 25 Jahre zuvor das erste Mal angeklagt. Am Ende des Verfahrens 2012 standen zehn Monate Haft und die Erkenntnis, dass zahlreiche kleine Diebstähle nicht ausreichen, um eine Einweisung zu rechtfertigen.

Mit dem Überfall auf die Tankstelle hat seine kriminelle Karriere eine neue Dimension erreicht. Es sei kurz vor Weihnachten gewesen, er habe kein Geld gehabt. Also habe er sich zum Überfall entschlossen, sei allerdings nicht laut oder wirklich bedrohlich geworden. Die 26-jährige Studentin, die damals in der Tankstelle arbeitete, sah das anders.

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Der Angeklagte habe eine Wollmütze getragen und eine dunkle Brille, sei nervös gewesen und für sie bedrohlich. „Wollen Sie mich verarschen“, reagierte sie allerdings, als sie die vermeintliche Handgranate schon während der Tat als Tomate erkannte. Denn: „Er hat die Tüte aufgehalten und ich sollte das Geld hineinlegen.“ Dass sie dies tat, habe ihr in einigen Medienberichten Häme eingebracht, klagte die junge Frau, die bis heute unter der Tat leidet.

Wenn sie doch die Tomate erkannt habe, warum dann trotzdem die Angst, wollte auch der aktuelle Verteidiger Uli Schmidt wissen. „Haben Sie hinter der Theke gestanden oder ich“, gab die junge Frau zurück. Sie habe Angst gehabt, dass er gewalttätig werde und über die Theke springe. „Für 400 Euro werde ich mein Leben nicht riskieren.“ Das hätten ihr damals auch Kollegen geraten, als sie die ungeliebten Nachtschichten an der Tankstelle übernahm: „Bloß nicht den Helden spielen.“

Angeklagter kam im Frühjahr 2013 aus der JVA

Der Angeklagte hat mehr als die Hälfte seines Lebens hinter Gittern verbracht. Er war im Frühjahr 2013 nach zwei Jahren aus der JVA gekommen, nach dem Überfall ging er wieder in Untersuchungshaft. Die Monate dazwischen hatte er überwiegend im Parkhaus an der Morleystraße „gelebt“. Tagsüber war er in einer Einrichtung für Obdachlose, „dann ging ich im Apollo pennen“.