Siegen. . Ein 28-jähriger Siegener, der im April für einen stundenlangen Großeinsatz der Polizei gesorgt hatte muss für drei Jahre und drei Monate in Haft.

Oberstaatsanwalt Manfred Lischeck ist ein alter Hase im „Kriminalgeschäft“. Doch vor dem Siegener Amtsgericht konnte er seine Fassungslosigkeit kaum verbergen. „Ich musste mehr als 30 Jahre Staatsanwalt sein, um einmal so einen Satz zu hören: ,Meine Liebe gilt der Kalaschnikow’.“ Diesen „merkwürdigen“ Satz über die Bewunderung für ein Sturmgewehr hörte er von dem 28 Jahre alten Angeklagten K., der am 25. April für einen Großeinsatz der Polizei gesorgt hatte.

Es war gegen 10.30 Uhr, als zwei Beamte am Arbeitsplatz des 28-Jährigen in Eiserfeld auftauchten. Sie wollten den Verkäufer von Autoersatzteilen mitnehmen, weil sein Name in Zusammenhang mit einem Munitionsverkauf gefallen war. Plötzlich zog K. eine Waffe in dem Raum, in dem sich gerade u.a. auch eine Mutter und ihr kleines Kind befanden, bedrohte die Beamten, gab einen Warnschuss ab, flüchtete mit seinem 7er-BMW in seine Wohnung mitten in Siegen und verschanzte sich. Zwischendurch feuerte er Schusssalven ab. Gegen 18.30 Uhr gab der gelernte Lagerist auf. Straßenzüge waren zuvor abgeriegelt worden, ein Sondereinsatzkommando hatte Stellung bezogen und Hubschrauber waren über Siegen gekreist.

Sturmgewehre, Maschinengewehre, Revolver, Granate, Munition

In K.’s Wohnung wurden drei Sturmgewehre (Kalaschnikow AK-47), zwei Maschinengewehre, drei Revolver, eine Handgranate, 1 Schlagring, mindestens 250 g Schwarzpulver und mehr als 2300 Schuss Munition gefunden. Die Waffen waren munitioniert und durchgeladen. „Damit hätte man einen Kleinkrieg führen können“, so Staatsanwalt Lischeck.

Wieso nimmt ein Mann eine Waffe mit zur Arbeit, wieso ist die Situation am 25. April auf einmal eskaliert? „Ich bin Waffenliebhaber. Ab und zu habe ich eine Waffe mitgenommen“, versucht der Mann im grau-schwarzen Sportanzug auf der Anklagebank zu erklären, was eigentlich nicht zu erklären ist. „Als ich die Polizisten sah, habe ich Panik bekommen. Eine Kurzschlussreaktion. Ich wollte doch meine Waffen nicht abgeben.“

Seit seiner Bundeswehrzeit sei er ein Waffennarr geworden, erzählt K. in Saal 183 des Amtsgerichts. Seit 2005/2006 habe er nach und nach Waffen erworben, teils Deko-Waffen, die er durch „Umbau“ scharf gemacht habe, teils voll funktionsfähige Waffen. Seine „Liebhaberstücke“ kaufte er z.B. im Umfeld von Waffen-Militaria-Börsen: „Auf dem Messe-Parkplatz lernte ich Leute kennen, die Waffen verkauften.“ Die Geschäfte sollen ohne Kenntnisnahme der Namen der Verkäufer abgelaufen sein.

Waffen als Ersatzliebe

Es bleibt manches rätselhaft, an diesem Morgen im Gericht. Warum hortet man mehr als 2300 Schuss Munition? fragt Oberstaatsanwalt Lischeck. Die Antwort des Angeklagten: „Zu einer Waffe gehört auch Munition.“

K.’s Verteidiger Torsten Stiehm („eine Riesendummheit von ihm“) lobt in seinem Plädoyer das besonnene Verhalten der Polizei an jenem 25. April, dem es zu verdanken sei, dass die Situation nicht eskaliert ist. Seiner Argumentation, die Tinnituserkrankung von K. sei mit einem Rückzug bei sozialen Kontakten verbunden gewesen, woraufhin Waffen zur „Ersatzliebe“ wurden, hat sich nicht entscheidend auf das Urteil des Gerichts unter Vorsitz von Uwe Stark ausgewirkt. Es erkannte eine „objektiv gefährliche Situation“ am 25. April und verurteilte den 28-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Zeit zum Nachdenken. Der erste Schritt ist getan. Anwalt Stiehm: „Seine Liebe zu Waffen ist nach vier Monaten Untersuchungshaft abgekühlt.“