Siegen. . Vor drei Frauen hat er sich entblößt, doch nur in einem Fall wurde er verurteilt: Der 48 Jahre alte Ex-Berater der Arge Hilchenbach kam mit dem Urteil vom Landgericht Siegen vergleichsweise glimpflich davon. Von einem der Tatvorwürfe wurde er sogar freigesprochen.
Sie haben die Wahrheit gesagt. Davon ist das Gericht überzeugt. Die erste große Strafkammer sieht es als erwiesen an, dass sich ein ehemaliger Arge-Beschäftigter in seinem Hilchenbacher Büro entblößt hat. Vor den drei Frauen, die im Zeugenstand aussagten. Zu einer Verurteilung kam es allerdings nur in einem Fall. 3000 Euro werden dafür fällig. Die anderen Taten sind entweder verjährt oder es ist nicht das vorgefallen, was angeklagt war, also strafrechtlich relevant ist.
Die Staatsanwaltschaft warf dem inzwischen 48-Jährigen vor, mehr von sich gezeigt zu haben, als die meisten akzeptieren würden. Brisant: Er tat es in seinem Arge-Büro im Hilchenbacher Rathaus. Seine Opfer waren Kundinnen, in einem Fall eine Kollegin, die bei der Stadtverwaltung beschäftigt ist.
Tat ist verjährt
Sie ist die erste, die mit dem Beschuldigten eine Begegnung der unerfreulichen Art hat. Sie feiert im Kollegenkreis ihren Geburtstag. Irgendwann kommt der Angeklagte in ihr Büro. Sie ist allein, packt die Reste der Häppchen ein. Er gratuliert, ist höflich, will nichts essen. Als sie sich wieder umdreht, zeigt er ihr sein Genital. „Pack ihn wieder ein, ich habe kein Interesse“, sagt sie.
Damit ist die Sache für sie eigentlich erledigt. Erst als es im vergangenen Herbst zum Prozess kommt, vertraut sie sich einer Kollegin an. Über die Gleichstellungsbeauftragte erfährt der Bürgermeister von der Tat und legt ihr nahe, zur Polizei zu gehen. Konsequenzen: keine. Die Tat ist verjährt.
Sexuelle Nötigung?
Nur einige Monate später, im Frühjahr 2009, lässt der Angeklagte seine Hose vor einer heute 56-Jährigen runter. Er zeigt ihr sein erigiertes Genital – samt Piercing. Eigentlich hatte die Frau mit dem Sachbearbeiter über ihre Söhne sprechen wollen. Von einer Anzeige will sie da jedoch nichts wissen. Zu groß ist ihre Angst. „Ich habe deine Söhne in der Hand“, sagt er ihr. „Das könnte versuchte Nötigung sein“, erläuterte am Montag Richter Wolfgang Münker. „Das ist aber nicht Gegenstand der Anklage.“ Spätestens, als von Amts wegen Leistungen zurückgefordert werden, ist das Maß voll. Sie geht zur Polizei. Konsequenzen: 100 Tagessätze á 30 Euro.
Zwischen Ende 2009 und Februar 2010 entblößt er sich vor einer in zwischen 27-Jährigen. „Er erkannte, dass sie sensibel und wenig durchsetzungsfähig war“, sagte Wolfgang Münker. Die Gesprächsatmosphäre wird zunehmend persönlicher, die Treffen im Arge-Büro immer schwieriger. Ihre Mutter stirbt, sie verliert ihre Arbeit, ihre Psyche ist angegriffen. Zugleich „beflügelt sie die sexuellen Phantasien des Angeklagten“, so der Richter weiter. Bis zu jenem Tag, dessen Datum sich heute nicht mehr genau beziffern lässt. Sie hat wieder Arbeit, soll ins Rathaus kommen, um Papierkram zu erledigen. Allerdings bleibt es nicht dabei.
Keine sexuelle Nötigung
Wieder öffnet der 48-Jährige seine Hose. Er küsst sie, es kommt zum Oralverkehr. Und das ist der springende Punkt, wie Wolfgang Münker betonte. Denn nun kann der Angeklagte nicht mehr für exhibitionistische Handlungen belangt werden. Es geht nämlich darüber hinaus. Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung scheiden nach Ansicht des Gerichts ebenso aus.
Er hat, so heißt es in der Urteilsbegründung, keine Gewalt angewendet: „Dass sie sich in seiner Gewalt gefühlt hat, reicht nicht aus.“ Das bedeutet, im Sinne einer Verurteilung ist es irrelevant, dass das Opfer die Tat über sich ergehen hat lassen, um möglichst schnell wieder aus dem Büro heraus zu kommen. Konsequenzen: Freispruch.