Siegen. . Der Verteidiger des ehemaligen Arge-Beschäftigten, der sich Kundinnen im Hilchenbacher Rathaus nackt gezeigt haben soll, forderte Freispruch. Zu groß sind seine Zweifel an den Aussagen der Zeugen. Der Staatsanwalt indes verlangt ein Jahr und zwei Monate Freiheitsstrafe.
Freispruch ist die einzige logische Option in den Augen von Rechtsanwalt Andreas Trode. Immerhin räumen die Zeugenaussagen keineswegs die Zweifel um die angeblichen Geschehnisse im Hilchenbacher Rathaus aus, die seinem Mandanten zu Last gelegt werden. Im Gegenteil, die Einlassungen der beiden mutmaßlichen Opfer selbst haben Zweifel darüber aufkommen lassen müssen, „was denn da gewesen ist“, sagt der Jurist am Donnerstag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht.
Dort sieht sich noch immer der 48-jährige ehemalige Arge-Beschäftigte dem Vorwurf ausgesetzt, sich in den Jahren 2009 und 2010 in seinem Büro im Hilchenbacher Rathaus zwei Kundinnen nackt gezeigt und eine sexuell belästigt zu haben (wir berichteten).
Abhängigkeit ausgenutzt
„Sicher“, gibt sein Verteidiger zu, „der Angeklagte gehörte beruflich nicht an die Stelle, wo er sich befand.“ Sein Auftreten sei „grenzwertig, grenzüberschreitend“ gewesen. Insbesondere gegenüber Frauen. Die Opfer solcher „Machosprüche“ und „plumper Anmachen“ können das als „belästigend“ empfinden. „Aus diesem Dschungel der Belästigungen treten zwei Frauen mit etwas, das strafrechtlich relevant ist“, sagt er und macht eine kurze Pause, um diesen geschickt verpackten Vorwurf wirken zu lassen.
Im Fall des älteren der beiden vermeintlichen Opfer könnten gar Rachegedanken eine Rolle gespielt haben. Die Arge hatte kurz bevor die heute 56-Jährige zur Polizei ging, Leistungen zurück gefordert. Zudem soll der Beschuldigte sich ungebührlich ihrem Sohn gegenüber verhalten haben. Das jüngere mutmaßliche Opfer, eine 27-jährige arbeitslose Kinderpflegerin, soll mit widersprüchlichen Aussagen bei Polizei und vor Gericht Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit genährt haben.
Staatsanwalt Markus Rau indes sieht es als erwiesen an, dass der 48-Jährige sich exhibitionistischer Handlungen und einer Nötigung in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht hat. Die Beweisaufnahme habe gezeigt, dass der ehemalige Arge-Beschäftigte in seinem Hilchenbacher Büro im Frühjahr 2009 die Hose runter gelassen hat und der 56-jährigen Frau sein erigiertes Genital präsentiert hat – inklusive Piercing. Es gebe auch keinen Zweifel daran, dass er zwischen Ende 2009 und Februar 2010 eine inzwischen 27-Jährige mit seinem ebenfalls entblößten und erigierten Penis in seiner Amtsstube bedrängte.
In beiden Fällen hat der Beschuldigte, so ist sich der Strafverfolger sicher, seine Position und das Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt. „’Falls du jemandem was davon erzählst, mach ich dich fertig’“, zitiert er eine Aussage. Und fordert eine Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, zur Bewährung ausgesetzt. Zudem soll der Angeklagte, als Bewährungsauflage, dem jüngeren mutmaßlichen Opfer Schadenersatz von 3500 Euro und der älteren Frau 800 Euro zahlen.
Urteil am 13. März
Katharina Batz, sie vertritt 27-Jährige als Nebenklägerin, schließt sich den Forderungen des Staatsanwalts an – zuzüglich Kosten für die Nebenklage. Falls es doch nichts mit dem Freispruch werden sollte, beantragt Verteidiger Andreas Trode neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Nicht zuletzt wegen der „günstigen Sozialprognose“ für seinen Mandanten, der nicht vorbestraft ist. Der Schadenersatz: 2000 und 700 Euro. Das Urteil fällt das Gericht am Donnerstag, 13. März.