Kreuztal. Nach dem Drama um das Bürgerbegehren erlischt die Lust auf Widerspruch: Einstimmig für Haushalt mit drastischer Steuererhöhung.
Nach dem Stadthallen-Showdown ist die Sehnsucht nach Harmonie im Kreuztaler Rat groß. So groß, dass selbst gegen die Erhöhung der Grundsteuer keine Hand mehr nach oben ging: Einstimmig wurde der Haushalt verabschiedet, der Kreuztal mit einem Grundsteuer-Hebesatz von 790 Prozent zur mit Abstand teuersten Kommune im Kreisgebiet macht.
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Denn dass der Siegener Rat die vom Kämmerer empfohlene Erhöhung von 585 auf 695 Prozent mitmacht, ist keineswegs ausgemacht. Und weil auch Netphen nicht die 785, sondern nur 660 Prozent beschlossen hat, bleibt Wilnsdorf mit seinen 695 Prozent die Nummer 2 in dieser Rangliste. Mit 480 Prozent Gewerbesteuer, 60 Punkte mehr als vorher, hält Kreuztal Abstand vom Spitzentrio: Wilnsdorf und Netphen 500, Siegen 495 Prozent.
Im Raum gestanden hatte in den letzten Wochen der Vorschlag, das ursprünglich mit 8,8 Millionen Euro veranschlagte Defizit nicht auf 6,6 Millionen zu reduzieren - was möglich gewesen wäre, weil die Stadt ursprünglich eine noch höhere Kreisumlage befürchtet hatte. Stattdessen, so die Rechnung, wären auch 100 Prozentpunkte weniger Grundsteuer möglich gewesen. Wovor Bürgermeister Walter Kiß warnte: Wenn eine Kommune zweimal hintereinander mehr als fünf Prozent Eigenkapital verbraucht, muss sie ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen. „Das ist kein Zuckerschlecken. Sämtliche freiwillige Leistungen würden infrage gestellt.“ Sicher vor Steuererhöhungen wären die Kreuztaler dennoch nicht; die Kommunalaufsicht könnte den Rat dann sogar dazu zwingen.
Das sagen die Fraktionen
Als „ernüchternd und erschreckend“ bezeichnete Philipp Krause (CDU) die Finanzlage. Die Schulerweiterung vor allem im Schulzentrum, gerade nun mit der „Kombi-Lösung“ für die Stadthalle beschlossen, wird teurer als 2019 angenommen, als der Rat eigentlich „nur“ die Aufstockung von Gymnasium und Gesamtschule beschlossen hatte. „Die Schulerweiterung kommt zu spät.“ Die Ausgaben für die nun jahrelange Containerlösung wären vermeidbar gewesen. „Geld und Beschlüsse waren da.“ Zumindest beim Ausbau des offenen Ganztags an den Grundschulen dürfe jetzt keine Zeit mehr verloren werden. Dass dem Investitionsbedarf von rund 20 Millionen Euro ein Landeszuschuss von 12,2 Millionen Euro gegenüberstehe, sei „erbärmlich“, sagte Philipp Krause: „Die kommunale Familie wird im Stich gelassen.“ Seinen Antrag, 50.000 Euro für Planungskosten zusätzlich bereitzustellen, zog Krause später zurück - die Planung für Container an den Grundschulen steht bereits, berichtete Kämmerer Michael Kass.
„Notwendiges umsetzen“, gab Michael Kolodzig (SPD) als Leitlinie vor, „wir haben keinen Spielraum für Träumereien.“ Die Steuererhöhung sei unvermeidbar: „Wenn wir handlungsfähig bleiben wollen, kommen wir nicht drumrum.“ Viele andere Kommunen seien in ähnliche Lage, manche hätten schon Grundsteuer-Hebesätze über 1000 Prozent. Wie Philipp Krause forderte auch Michael Kolodzig „endlich eine auskömmliche Gemeindefinanzierung durch das Land“. Immer neue Förderprogramme seien wenig hilfreich, wünschenswert seien allgemeine Zuweisungen: „Vor Ort wissen wir am besten, was wir damit machen müssen.“
Jürgen Roth (Grüne) erneuerte den Wunsch seine Fraktion, die „Ersparnis“ bei der Kreisumlage für einen niedrigeren Grundsteuer-Hebesatz einzusetzen - am Ende enthielt sich seine Fraktion, ebenso wie die UWG, bei der Abstimmung. Wichtig sei, „die Akzeptanz für unser kommunales Handeln im Auge zu behalten“. Bereits im letzten Jahr sei die Grundsteuer erhöht, wenngleich auch mit der Abwassergebühr verrechnet worden, und im nächsten Jahr drohe mit der Umsetzung der Grundsteuerreform eine weitere Erhöhung vor allem für die Eigentümer von Wohnimmobilien. Zudem stelle die Weltpolitik ein unkalkulierbares Risiko auch für die städtischen Finanzen dar: „Wenn es in der Ukraine zu einer neuen großen Fluchtbewegung kommt, stellt das alles Bisherige in den Schatten.“
Frank W. Frisch (FDP) nannte die Steuererhöhung „unumgänglich“ und die Haushaltslage „grenzwertig“. Straßensanierungen indes müsse sich die Stadt nun wieder leisten können, nachdem das Land die Anliegerbeiträge abgeschafft hat. Reinhard Lange (UWG) wiederholte die Forderung, mit 100 Prozentpunkten Grundsteuer weniger auszukommen. Julian Siebel (CDU) widersprach: „Wir brauchen jeden Spielraum, den wir bekommen können.“ Kämmerer Michael Kass trübte die Aussichten noch etwas mehr ein: Durch den schlechteren Jahresabschluss 2022 können nur noch 4,7 statt geplanter 5,1 Millionen Euro aus der Ausgleichsrücklage entnommen werden. Entsprechend reduziert sich die allgemeine Rücklage, also das Eigenkapital, nicht um 1,5, sondern um 1,9 Millionen Euro.
Das kommt noch dazu
Gegen die Stimme von Reinhard Lange (UWG) hatte der Rat zuvor beschlossen, nunmehr die gesamten Kosten für die Sanierung des Buschhüttener Freibads einzuplanen, also die gesamten 7,7 Millionen Euro und somit 3,8 Millionen Euro mehr, die eigentllch als Bundeszuschuss eingeplant waren, aber nicht bewilligt wurden. „Brauchen wir wirklich ein 50-Meter-Becken?“, fragte Reinhard Lange (UWG). „Wirklich notwendig“ nannte Frank W. Frisch die Investition, die - so erinnerte Philipp Krause (CDU) - bereits seit 2016 auf den Tagesordnungen steht.
Von einem „Sprung ins kalte Wasser, fiskalisch gesehen“, sprach Jürgen Roth (Grüne). Zu hoffen sei, dass die Investition dazu beitrage, die Kosten für den laufenden Betrieb zu senken. „Wenigstens dieses Freibad“ müsse Kreuztal sich leisten, fand Sascha Zowierucha (CDU), „Kreuztal hat ja auch kein teures Hallenbad.“ Michael Kolodzig (SPD) warb für die „wichtige Infrastrukturentscheidung“. „Wir werden das Aushängeschild für das Siegerland bekommen“, freute sich Andreas Müller (SPD). Das Freibad sei ein „Magnet“, sagte schließlich Julian Siebel (CDU), „ein Standortfaktor für unsere Stadt.“ Mit der Sanierung des Freibades soll nach dem Ende dieser Saison begonnen werden, die Wiedereröffnung ist für 2026 geplant.
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