Hilchenbach. Hilchenbach steht ein weiteres Mal vor einem turbulenten Samstag. Antifa-Gruppen aus dem ganzen Bundesgebiet haben sich zur Gegendemo angesagt.

Die rechtsextremistische Partei „Der 3. Weg“ begeht ihre zweijährige Auseinandersetzung mit der Stadt Hilchenbach im vom ihr genutzten Haus Dammstraße 5. „Kommt mit uns nach Hilchenbach und wir versauen den Faschos gemeinsam den Abend“. Unter diesem Motto rufen Antifa-Gruppen, unter anderem aus Koblenz, zum Protest auf. „Es ist unser Job als Antifaschist*innen, Nazis auch auf dem Land nicht vergessen zu lassen, dass wir da sind.“ Die Hilchenbacher selbst bleiben gelassen. „Wir wollen nicht auf jede Provokation reagieren“, sagt Olaf Bruch, Sprecher des Hilchenbacher Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage. Die Frauen-Inititative „Alles außer rechts“ wird allerdings am Freitag auf dem Wochenmarkt mit einem Infostand vertreten sein.

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Bei der Polizei hat der „3. Weg“ für Samstag, 20, April, 17 Uhr, eine Versammlung von 30 Personen in geschlossenen Räumen angemeldet, für die Gegenversammlung ab 16 Uhr („Gegen den Rechtsruck“) haben die Organisatoren 50 Personen angekündigt. Da allerdings deutschlandweit zu dem Protest gegen die „Feier“ der Rechtsextremisten, ausgerechnet an Hitlers Geburtstag, aufgerufen wurde, erwartet die Polizei eine wesentlich größere Teilnehmerzahl. Der „3. Weg“ kündigt den „Vortrags- und Liederabend“ auf seiner Website als „geschlossene Veranstaltung“ an: „Personen, die linken und linksextremen Parteien oder Organisationen angehören, der linksextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch derart gelagerte Äußerungen in Erscheinung getreten sind“, werden als unerwünscht bezeichnet. „Pressevertreter haben keinen Zutritt.“ Angekündigt wird die Gruppe „F.I.E.L.“; der Name steht für „Fremde im eigenen Land“.

Der Stand der Dinge

Die Auseinandersetzung um das Eigentum am Haus Dammstraße 5 geht weiter – wenn auch schon seit längerem ohne öffentliche Aufmerksamkeit. Beim Landgericht Siegen ist die Klage des Gebietsvorsitzenden der rechtsextremistischen Partei „Der 3. Weg“ anhängig, der die Übertragung des Eigentums einklagt. Und die Staatsanwaltschaft befasst sich mit der Strafanzeige, die der Parteifunktionär gegen Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis gestellt hat, wegen „Untreue“ und „Nötigung“.

Der Zivilprozess befinde sich nach wie vor im „schriftlichen Vorverfahren“, heißt es vom Landgericht Siegen auf Anfrage. Die Anwälte von Stadt und Partei(funktionär) tauschen Schriftsätze aus, die zuständige Kammer des Landgerichts setzt jeweils Fristen zu Erwiderungen. Nach Einschätzung der Gerichtssprecherin kann es einige Monate dauern, bis es zu einem Verhandlungstermin kommt. Bei der Staatsanwalt laufen die Ermittlungen, lautet die aktuelle Auskunft: Ausgewertet werden die Dateien und Akten, die Ende vorigen Jahres im Hilchenbacher Rathaus beschlagnahmt wurden – soweit sie nicht mit einer „Sperrerklärung“ belegt sind, die das Kommunalministerium in Düsseldorf verfügen kann.

Der erste Kauf

Immer geht es um das Haus Dammstraße 5, über das der Parteifunktionär Ende 2021 bei einem Notar einen Kaufvertrag beurkunden ließ. Die Stadt Hilchenbach erfuhr davon im Frühjahr 2022 und versucht seitdem, die Nutzung der Immobilie durch die rechtsextremistische Partei zu beenden. Einen Prozess um das Vorkaufsrecht, das sie für sich in Anspruch nimmt, verlor sie vor dem Verwaltungsgericht; die Berufungsklage ist beim Oberverwaltungsgericht (OVG) anhängig. Über die von der Stadt Hilchenbach beantragte Zulassung der Berufung erde das OVG im schriftlichen Verfahren entscheiden. „Wann das sein wird, lässt sich aber auch noch nicht abschätzen“, heißt es aus Münster.

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Der Hilchenbacher Rat änderte den Bebauungsplan und machte das Grundstück zum Standort von Wohnungen und Begegnungsstätte für Geflüchtete. Die Normenkontrollklage dagegen wird ebenfalls vom Oberverwaltungsgericht bearbeitet. „Es lässt sich daher noch nicht abschätzen, wann es da zu einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung kommt“, teilt das Gericht auf Anfrage mit. Unabhängig davon untersagte die Bauaufsicht des Kreises Siegen-Wittgenstein die aktuelle Nutzung des Hauses. Das wurde vom Verwaltungsgericht bestätigt; zugleich aber wurden die – nun wöchentlichen – „Versammlungen“ in dem Gebäude zugelassen. Der Funktionär des „3. Weges“ beantragte daraufhin eine Baugenehmigung, die der Kreis mit Hinweis auf das laufende Bebauungsplanverfahren ablehnte. Dagegen klagte er beim Verwaltungsgericht Arnsberg. Der Kläger begehre die Aufhebung eines Ablehnungsbescheides des Bauamtes sowie eine Verpflichtung des Beklagten, ihm für die Nutzungsänderung eines Objektes in Hilchenbach eine Baugenehmigung, teilt das Verwaltungsgericht auf Anfrage mit. Gegenstand der begehrten Genehmigung sei eine beabsichtigte Nutzung als Parteibüro mit Sozialraum, Kleiderkammer und Tiertafel.

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Der zweite Kauf

Ende 2022 schließlich kaufte die Stadt Hilchenbach das Haus. Möglich war das, weil der erste Verkauf an den Parteifunktionär nicht im Grundbuch dokumentiert ist. Das aktuelle Kapitel der Auseinandersetzung beginnt im November 2022 mit einer Mitteilung der Anwälte an den Gebietsvorsitzenden der Partei, der das Haus in der Dammstraße auch selbst bewohnt: „Ziel unserer Mandantin ist (…), die alsbaldige Herausgabe der Immobilie an diese zu erwirken.“ Danach folgt ein Terminvorschlag, an dem die Stadt das Haus besichtigen will. „Zur Vorbereitung etwaig durchzuführender Umbaumaßnahmen und zur Begutachtung des Zustands der Immobilie ist noch im Einzelnen zu benennenden Vertretern unserer Mandantin Zugang zu dieser zu verschaffen.“

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Die vom Nutzer des Gebäudes beauftragte Anwaltskanzlei reagiert darauf mit einem Hausverbot, das an den Anwälten der Stadt zugestellt wird: „Da Ihrer Auftraggeberin die Nutzung der Immobilie als Begegnungsstätte und zur Unterbringung von Flüchtlingen auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird, wird mein Mandant selbstverständlich keine Terminvorschläge für eine Besichtigung unterbreiten. (...) Namens und im Auftrag meines Mandanten spreche ich hiermit gegenüber Ihrer Auftraggeberin und sämtlichen Vertretern, einschließlich Ihrer Kanzlei, bis auf Weiteres zudem ein Hausverbot aus. (...) Einer etwaigen gerichtlichen Klärung wird von hier aus gelassen entgegengesehen.“ Nachzulesen im „nationalrevolutionären Adventskalender“ auf der Website des „3. Wegs“, der in der ursprünglichen Version mit Reproduktionen aus dem Schriftverkehr mit und zwischen Behörden und Anwälten und weiteren Dokumenten gespickt war.

Dies zeigt, dass (...) überwiegend wahrscheinlich der zweite Kaufvertrag primär mit dem Ziel des Vertragsbruchs abgeschlossen wurde, um den ‚III. Weg‘ aus dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin zu vertreiben.
Oberlandesgericht Hamm

Das Oberlandesgericht Hamm stellte im Februar 2023 eine „sittenwidrige Gesinnung“ bei der Stadt Hilchenbach fest. Als die Stadt ihren Kaufvertrag über das Haus mit dem ursprünglichen Eigentümer abgeschlossen habe, sei ihr der erste Kaufvertrag bekannt gewesen. Beide Verträge seien „im Wesentlichen wörtlich gleich“ gewesen. Die auch im zweiten Kaufvertrag aufgeführte „mehrfache Besichtigung“ des Gebäudes sei „unwahrscheinlich“. Stadt und Verkäufer hätten ihren Vertrag „geheim“ gehalten, der Verkäufer habe dem ersten Käufer den Abschluss mit der Stadt „verheimlicht“. Auch der Hilchenbacher Rat habe über den Kauf nicht diskutiert. „Dies zeigt, dass (...) überwiegend wahrscheinlich der zweite Kaufvertrag primär mit dem Ziel des Vertragsbruchs abgeschlossen wurde, um den ‚III. Weg‘ aus dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin zu vertreiben.“

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Dem Grundbuchamt beim Amtsgericht Siegen hat das Oberlandesgericht eine „Auflassungsvormerkung“ zugunsten des derzeitigen Nutzers nahegelegt. Damit werde verhindert, dass die Stadt das Gebäude weiterverkaufe. „Hierdurch würde der Anspruch des Antragstellers auf Herausgabe der Kaufsache in natura unmöglich oder zumindest erschwert werden.“

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Im Dezember 2023 setzt das Amtsgericht Siegen die Entscheidung über die Räumungsklage aus, die die Stadt ihren Schreiben in die Dammstraße folgen lässt – bis das Landgericht entschieden hat, ob der Bewohner des Hauses einen „Eigentumsüberlassungsanspruch“ hat.