Hilchenbach. Dammstraße 5: Die Stadt Hilchenbach geht zum Oberverwaltungsgericht, der rechtsextremistische „3. Weg“ zum Landgericht.
Die Stadt Hilchenbach geht gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg in Berufung, das der Stadt rechtswidriges Handeln im Umgang mit dem Haus Dammstraße 5 vorhält. Die Stadt hatte ein Vorkaufsrecht geltend gemacht und durchgesetzt, nachdem die Immobilie gegenüber dem ehemaligen Deutschen Hof von einem Funktionär der rechtsextremistischen Partei „Der 3. Weg“ im Dezember 2021 gekauft worden war.
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Die Auseinandersetzung hat sich bekanntlich längst weiter entwickelt: Die Stadt hat dem ursprünglichen Eigentümer des Hauses die Immobilie im Oktober 2022 abgekauft – möglich war das, weil der Verkauf an den Vertreter des 3. Wegs zu diesem Zeitpunkt noch nicht ins Grundbuch eingetragen war. Beim Landgericht Siegen beantragte der erste Käufer, einen Widerspruch gegen diesen zweiten Verkauf ins Grundbuch einzutragen. Das Oberlandesgericht Hamm gab schließlich dem Grundbuchamt beim Amtsgericht Siegen auf, zugunsten des Parteifunktionärs eine Auflassungsvormerkung einzutragen.
Die Ratssitzung
Im Rat nutzte jetzt Julian Bender, Gebietsvorsitzender West der Partei „Der 3. Weg“, die Einwohnerfragestunde, um das Thema öffentlich zu machen. Bender ließ den Rat wissen, dass er mit Erfolg Prozesskostenhilfe beantragt habe und seine Klage an die Stadt zugestellt worden sei. Nach Zivilprozessordnung wird Prozesskostenhilfe gewährt, „wenn eine Partei die Kosten der Prozessführung gar nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet“. Bender teilte außerdem mit, dass die Räumungsklage der Stadt gegen die derzeitigen Nutzer des Gebäudes abgewiesen worden sei, „da nicht klar ist, wer Eigentümer ist“. Schließlich fragte er, ob es „nicht sinnvoller wäre, ein Vergleichsangebot anzunehmen“: „Bleibt es dabei, dass Sie auf Zeit spielen?“
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Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis wies auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hin, die durch die von Bender gegen ihn erstattete Strafanzeige („Untreue“ und „Nötigung“) ausgelöst wurden. „Ich würde auf Antworten verzichten wollen.“ Wie die Stadt weiter vorgehe, „werden Sie früh genug zur Kenntnis bekommen.“ Die Fragen, warum die Stadt die Anwaltskanzlei gewechselt hat und ob der Rat mit dem von Bender unterbreiteten Vergleichsangebot befasst worden sei, beantwortete Kaioglidis ebenfalls nicht.
In der anschließenden nicht öffentlichen Sitzung erklärte der Bürgermeister sich für befangen und nahm an der Beratung nicht teil. Der Rat wurde dort darüber informiert, dass sich nun das Kommunalministerium mit der Frage befasst, ob eine „Sperrerklärung“ abgegeben wird, die die bei einer Durchsuchung im Rathaus mitgenommenen Dateien und Akten der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft Siegen entzieht. Das Polizeipräsidium Hagen hatte durch seine zuständige Staatsschutz-Abteilung die Frage nach der Sperrerklärung gestellt.
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Das Verwaltungsgericht
Durch die Kreisverwaltung wurde der Partei die Nutzung des Erdgeschosses als Parteibüro untersagt; dies hat das Verwaltungsgericht Arnsberg am 30. Oktober bestätigt. Das Urteil steigt tief in die Geschichte des 1908 errichteten Gebäudes ein, das offensichtlich für eine Metzgerei gebaut wurde: mit Wurstküche, Laden, Schlachtraum und Fleisch-Kühlhaus. Nach der öffentlichen Bekanntgabe des Einzugs, die der „3. Weg“ über seine Homepage vornahm, habe der Hilchenbacher Bürgermeister beim Kreis „um bauordnungsrechtliches Einschreiten“ gebeten. Der Kreis kündigte daraufhin an, „die ungenehmigte Nutzung der Räumlichkeiten wegen formeller Illegalität zu untersagen“, stellt das Verwaltungsgericht weiter fest. Dagegen hätten die Besitzer des Hauses vorgebracht, dass sie die Räume nicht anders nutzen als die Betreiber der Läden und Büros davor, die ebenfalls keine Genehmigung einer Nutzungsänderung beantragt hätten.
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Dazwischen fiel der Kauf des Gebäudes durch die Stadt zum Preis von 355.000 Euro, der in dem 40 Seiten starken Urteil ebenfalls genannt wird. Erwähnt wird auch, dass das Oberlandesgericht Hamm der Stadt vorhält, durch diesen Kauf „als öffentliche Verwaltung den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt (zu) haben“. In der Urteilsbegründung wird das Oberverwaltungsgericht zitiert, dass die Verfügung des Kreises bereits im April 2023 in einem Eilverfahren bestätigt hatte.
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In einem weiteren Urteil wird der Kreis bestätigt, der den inzwischen eingereichten Bauantrag für die neue Nutzung durch den Funktionär des „3. Wegs“ auf Antrag der Stadt Hilchenbach zurückgestellt hat. „Es bestünden bereits erhebliche Zweifel an einem Sachbescheidungsinteresse des Klägers, weil die Genehmigung für diesen ersichtlich nutzlos sei. Sie – die Stadt M. (anonymisiert: Hilchenbach, d. Red.) – werde als Eigentümerin des Objekts keine Nutzungen zivilrechtlich/mietrechtlich zulassen und auch keine Umbaumaßnahmen dulden“, wird die Stadt Hilchenbach in dem anonymisiert veröffentlichten Urteil zitiert. Zudem laufe das Verfahren zur Änderung des Stadtmitte-Bebauungsplans, wonach das Grundstück „Fläche für den Gemeindebedarf“ und das Haus Unterkunft für Geflüchtete werden soll.
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Der klagende Parteifunktionär wird in dem Urteil so zitiert: „Er habe ein Rehabilitationsinteresse, weil der Zurückstellungsbescheid diskriminierende Wirkung gehabt habe. Der Beklagte (Kreis Siegen-Wittgenstein, d. Red.) sei durch die Stadt M. instrumentalisiert. Diese führe öffentlich einen ‚Kampf gegen rechts‘ gegen die ‚U.‘ (anonymisiert, vermutlich: Partei, d.Red. ) auf seine Kosten als Privatperson. Zur Verhinderung der Ansiedlung der ‚U.‘ nutze die Stadt M. nicht nur das bauplanungsrechtliche Instrument des gemeindlichen Vorkaufsrechts, sondern schrecke auch vor einem Missbrauch des Bauplanungsrechts nicht zurück.“ Das Verwaltungsgericht stellt dagegen die Planung der Stadt, in dem Haus Geflüchtete unterzubringen. „Durch die Genehmigung der beantragten Nutzungsänderung für das Parteibüro mit Kleiderkammer und Tiertafel für deutsche Mitbürger im Rahmen der „Hilfe für Deutsche“ (so die Anlage zur Erläuterung der Nutzungsänderung) wäre auch – jedenfalls für die Dauer einer dahingehend genehmigten Nutzung – die Verwirklichung der Planung erheblich erschwert worden.“
Die Partei
Der „3. Weg“ geht auf seiner Website auf seine Prozessniederlage gegen den Kreis nicht ein, wohl aber auf die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Stadt ein Vorkaufsrecht rechtswidrig ausgeübt habe. „Unsere nächste Station wird nun das Landgericht sein, wo wir die endgültige Eigentumsübertragung erwirken werden“, kündigt die Partei an, die – wie das Verwaltungsgericht in den beiden Urteilen zum Baurecht feststellt – vom Verfassungsschutz beobachtet wird. „Der Clique um Bürgermeister Kaioglidis können wir an dieser Stelle ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk versprechen“, heißt es beim „3. Weg“ weiter: „Unser Leuchtturm in Westdeutschland bleibt bestehen! Die Dammstraße 5 bleibt deutsch!“